# taz.de -- Auseinandersetzung mit der Grenzregion: Kunstvoller Maisanbau | |
> Auf Feldern in Schleswig-Holstein und Dänemark stehen Kreise aus Mais. | |
> Das Landart-Projekt „Criminal Crops“ ist Teil des Projekts | |
> Perspektivregion. | |
Bild: Kriminelle Früchtchen, bereit zur Gegenüberstellung | |
Noch hat der Mais seine volle Größe nicht erreicht. Einige Pflanzen haben | |
die Zweimetermarke bereits überschritten, andere sind erst halb so hoch. | |
Bis Oktober haben sie noch Zeit, dann wird der Mais geerntet. In einem | |
Kreis sind die Pflanzen angeordnet, auf einem saftig grünen Feld aus | |
Kleegras. Von der kleinen Landstraße sind es nur wenige Schritte, bis man | |
die Pflanzen aus nächster Nähe betrachten kann. | |
## Die Kunst in der Natur | |
Damit steht man auch bereits mitten in einem Kunstprojekt. In Schinkel, | |
eine halbe Autostunde von Kiel entfernt, steht einer der insgesamt neun | |
über Schleswig-Holstein und Süddänemark verteilten Kreise aus Mais. „Ein | |
künstlerischer Raum über die Grenzregion hinweg“, sagt David Hahlbrock, der | |
sein Landart-Kunstwerk „Criminal Crops“ nennt. | |
Kriminell ist der Mais, weil die hier verwendete alte Maissaat für den | |
Anbau in Deutschland nicht zugelassen ist. Hahlbrock darf die bunten Körner | |
nur im Namen der Kunstfreiheit verwenden. Im Gegensatz zum in der | |
industriellen Landwirtschaft verwendeten Hybridsaatgut kann die alte | |
Maissaat von Landwirt*innen selbst vermehrt und wieder angepflanzt | |
werden. Jenseits von EU-Vorschriften sensibilisiert Hahlbrock mit seinem | |
Projekt so für Artenvielfalt und eine Rückbesinnung auf nachhaltige | |
Landwirtschaft. Mit der Pflanzung als Kreis will er außerdem ein | |
„formal-ästhetisches Gegengewicht“ zur üblichen, von rechteckigen Feldern | |
geprägten Landwirtschaft setzen. | |
Auf den zweiten Blick fällt auf: Hier steht nicht nur Mais. Im Innern des | |
Kreises leuchten gelbe Kürbispflanzen, um die Maispflanzen ranken sich die | |
kleinen grünen Blätter der Stangenbohne Blaue Hilde. Noch sind nur die | |
Blätter zu sehen – im Herbst, wenn Mais und Bohne reif sind, werden die | |
lila Bohnen und die bunten Maiskörner eine farbenfrohe Kombination ergeben. | |
Dass sich zwischen den Maispflanzen auch Bohnen befinden, ist kein Zufall. | |
Beide gehen hier eine „symbiotische Verbindung“ ein, sagt Hahlbock: Die | |
Bohne nimmt Stickstoff, den der Mais zum Wachsen braucht, aus der Luft auf | |
und gibt ihn über die Wurzeln in den Boden ab. Die Bohne profitiert | |
wiederum vom Mais, an dem sie sich hochranken kann. Zugleich, sagt | |
Hahlbrock, habe er sich auf die Wünsche der Bauern eingelassen, deren | |
Felder er für seine Kunst nutzt. | |
## Auflösung als Konzept | |
Wenige Meter neben dem Kunstwerk findet sich ein Schild mit Information für | |
vorbeilaufende Spaziergänger*innen. Pinkfarbene Punkte auf einer | |
Landkarte weisen auf die verschiedenen Standorte der Kreise hin. 150 | |
Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem südlichsten und dem nördlichsten | |
Punkt des Projekts: vom schleswig-holsteinischen Steenfeld zum dänischen | |
Odense. Es ist Teil des Projekts [1][Perspektivregion], das sich politisch | |
und künstlerisch mit der Grenzregion Dänemark-Deutschland auseinandersetzt. | |
Mit der Anpflanzung auf beiden Seiten der Grenze möchte Hahlbrock diese | |
konzeptuell auflösen. | |
Es brauche Offenheit, um mit Pflanzen und unter freiem Himmel zu arbeiten. | |
„Es geht um die Prozesse und nicht um ein reproduzierbares Ergebnis“, sagt | |
Hahlbrock. Das Kunstwerk sei abhängig von Wetter, Boden und Schädlingen. | |
Sich den natürlichen Prozessen und damit verbundenen unvorhersehbaren | |
Entwicklungen zu öffnen, reize ihn. Auch in anderen Werken arbeitet der | |
Künstler gerne mit und in der Natur, der Kreis ist ein wiederkehrendes | |
Motiv. | |
Als „Intervention im ländlichen Raum“ versteht er sein sich stets | |
veränderndes Kunstwerk, mit dem er den Kreisläufen der | |
Lebensmittelproduktion nachspüren möchte. Nach der Anpflanzung im Frühjahr | |
wächst der Mais bis zur Ernte im Herbst. Und im Januar nächsten Jahres | |
werden die geernteten Maiskörner in Galerien in Kiel und Odense ausgestellt | |
und als stückchenweise Kunst zur Mitnahme freigegeben. | |
20 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.perspektivregion.eu/ | |
## AUTOREN | |
Josephine von der Haar | |
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