Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Grüner Umweltexperte über Wassernot: „Wasser ist noch wichtiger…
> Es könnte eng werden mit der Berliner Wasserversorgung, sagt Benedikt Lux
> (Grüne). Das Land brauche deswegen die Möglichkeit, Wasser zu
> rationieren.
Bild: Berlin ist nah am Wasser gebaut, und trotzdem könnte es bald nicht mehr …
taz: Herr Lux, als Grünen müssen wir Sie in diesen Zeiten einfach fragen,
wie lange Sie duschen.
Benedikt Lux: Sehr kurz, deutlich unter fünf Minuten – aber manchmal
zweimal am Tag, denn Sport muss sein.
Liegt das, gemessen am Habeck’schen Anspruch, noch im grünen Bereich?
Immerhin haben wir zu Hause einen strombetriebenen Durchlauferhitzer.
Da geht es um den Energieträger, mit dem wir das Wasser erhitzen – aber
angesichts der herrschenden Dürre in der Region wird [1][auch das Wasser
selbst zum Thema].
Ja, wir müssen schauen, dass wir uns weiterhin selbst versorgen können,
denn der Wasserverbrauch in Berlin nimmt seit einigen Jahren wieder zu. Es
ist eine Besonderheit, dass wir unser Trinkwasser komplett in Berlin
gewinnen. Viele andere Städte transportieren ihr Wasser über lange
Distanzen heran, Stuttgart zum Beispiel aus dem Bodensee. Aus Gründen des
Klimaschutzes und der Unabhängigkeit wäre es keine gute Idee, Wasser
künftig per Rohrleitung heranzuschaffen.
Viel von unserem Trinkwasser wird [2][im Uferbereich der Spree gewonnen,
die für Nachschub sorgt.] Jetzt geht in Brandenburg die Braunkohle-Ära zu
Ende, und durch die Flutung der Tagebaue droht Berlin, dass bald zu wenig
Wasser ankommt.
Richtig. Es kann sein, dass dann kurzfristig zu wenig Wasser in die Spree
nachfließt. Die große Unbekannte ist: Wie schnell bildet sich das
Grundwasser in Brandenburg nach? Das wird gerade untersucht, darauf muss
Berlin dann reagieren.
Berlin und Brandenburg werden das Wassermanagement in der Region immer
stärker gemeinsam betreiben müssen. Haben Sie den Eindruck, dass beide an
einem Strang ziehen?
Die Zusammenarbeit muss verstärkt werden, übrigens auch mit Sachsen – wobei
Brandenburg jetzt schon viel tut, um die Spree sauber zu halten.
Vorschreiben können wir Brandenburg natürlich nicht, was es zu tun hat.
Was kann es denn tun?
Aus ökologischer Sicht ist es zum Beispiel sinnvoll, mehrere kleinere Seen
anzulegen, statt den riesigen „Ostsee“ bei Cottbus. Die verdunsten weniger
Wasser und sind besser für den Artenschutz. Berlin beteiligt sich schon mit
mehreren Millionen Euro etwa am Bau von Rückhaltebecken. Aber wir können
auch selbst noch sehr viel tun: Flächen entsiegeln, Kreisläufe schaffen,
bei denen etwa Duschwasser noch mal für die Toilettenspülung verwendet
wird, Fassaden und Dächer begrünen.
Das Wort einsparen fiel jetzt nicht.
Es ist immer sinnvoll, achtsam mit Wasser umzugehen. Natürlich ist es nicht
gut, in der Mittagssonne den Rasen zu sprengen oder bei anhaltender
Trockenheit den Pool zu füllen. Allerdings können wir als Land Berlin nur
appellieren. Eine gesetzliche Befugnis, etwa Rationierungen anzuordnen,
haben wir im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht.
Wäre es gut, wenn Berlin das könnte?
Ja, für Wasserverbräuche, die objektiv verzichtbar sind. Wir müssen in
Notsituationen Dinge wie das Rasensprengen, Autowäsche oder das Befüllen
eines Pools verbieten können.
Ein Anreiz für eine vernünftigere Wassernutzung wäre ein höherer Preis ab
einer bestimmten Menge. Nach Auskunft der Wasserbetriebe ist eine solche
Gebührengestaltung zur Lenkung des Verbrauchs rechtlich nicht möglich.
Erst kürzlich hat der einstige Bundesminister Jens Spahn genau das für
Energie gefordert – früher hätten die Leute bei solchen Vorschlägen
„Sozialismus“ geschrien, heute wirkt das einfach nur vernünftig. Ich denke,
die Entwicklung wird dahin gehen, dass man einen Grundverbrauch definiert
und alles darüber teurer wird. Das werden die Grünen sicher nicht morgen
ins Abgeordnetenhaus einbringen. Aber es liegt auf der Hand. Wir brauchen
Anreize für einen Verbrauch im sinnvollen und angemessenen Rahmen.
Welche Verbräuche sind sinnvoll?
Kochen, duschen, [3][Trinkwasser,] Toiletten, Waschmaschine.
Zweimal duschen pro Tag?
Ja, da muss ich auch noch mal rechnen (lacht).
Kommen solche Sparaufrufe nicht viel zu spät? Dass wir eine Klimakrise
haben, ist ja schon länger bekannt.
Sicher. Wasser ist sogar noch wichtiger als Gas, noch elementarer. Deswegen
muss man vorbeugen, die Achtsamkeit schärfen, Maßnahmen vorbereiten. Aber
in Berlin mussten wir uns bis vor einigen Jahren tatsächlich keine Sorgen
machen. Erst seitdem sehen wir langfristig sinkende Wasserstände.
Vom Wasser zu den Gewässern: Anfang des Jahres haben Sie die grüne
Senatsumweltverwaltung gefragt, ob Berlin bis 2027 die
EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen wird, nach der alle Gewässer einen
„guten ökologischen Zustand“ aufweisen sollen. Diese Deadline war schon
eine Verlängerung, ursprünglich galt mal 2015. Die Antwort der
Umweltverwaltung: Schaffen wir wohl nicht. Was läuft da falsch?
Strukturell haben die Bezirke für die Gewässerpflege zu wenig Mittel und
Personal. Deshalb werden viel zu wenige Gewässer renaturiert. Bei der Panke
wird das beispielsweise getan, aber die rund 400 Kleingewässer Berlins sind
in einem miesen Zustand. Viele trocknen aus, sind verschlammt oder
zugewachsen. Für deren Pflege müssten die Wasserbetriebe und andere
Unternehmen, die das können, dauerhaft in die Pflicht genommen werden.
Sind die Wasserbetriebe dazu finanziell in der Lage?
Die Wasserbetriebe, die ja vor knapp zehn Jahren rekommunalisiert wurden,
bringen jährlich über 100 Millionen Euro in die Landeskasse – und sie haben
hohe Rücklagen. Ich will natürlich, dass das Geld für gesunde Gewässer
ausgegeben wird.
Derzeit fließt der Überschuss pauschal in den Landeshaushalt.
Das kritisieren wir Grüne schon lange. Übrigens: Kaum auszudenken, wenn die
Wasserbetriebe heute noch privat wären. Dann wären sie wahrscheinlich bei
den Gebühren nicht so zurückhaltend und würden gleichzeitig ihre Gewinne
aus der Stadt abziehen.
Im Koalitionsvertrag hat sich Rot-Grün-Rot darauf verständigt, dass bis
2030 für jede neu versiegelte Fläche eine gleich große entsiegelt wird.
Eigentlich müsste ja netto mehr entsiegelt werden.
Aus ökologischer Sicht absolut. Aber unter den gegebenen Umständen ist
schon der Status quo ein ambitioniertes Ziel. Schließlich sollen bis 2026
allein 100.000 Wohnungen gebaut werden. Aber Ende dieses Sommers wird
abgerechnet: Da erscheint der neue Umweltatlas, der auch eine Bilanz der
Ver- und Entsiegelung ziehen wird. Ich vermute, wir werden deutlich im
Minus sein, auch wenn wir anfangen, mehr Flächen zu entsiegeln.
Um welche Dimensionen geht es da?
Wir hatten von 2011 bis 2016 rund 700 Hektar zusätzliche Versiegelung –
also knapp 1.000 Fußballfelder. Für die Zeit danach gehe ich eher von 1.000
bis 1.500 Hektar zusätzlich aus. Sollte das so sein, muss sich Rot-Grün-Rot
auf einen verbindlichen Weg einigen, wie wir das im Koalitionsvertrag
vereinbarte Ziel einer Netto-null-Versiegelung für 2030 erreichen. Das ist
sehr ambitioniert, aber wichtig für die Stadt. Notfalls über ein Gesetz,
etwa mit verpflichtender Fassaden- und Dachbegrünung auch im Bestand, nicht
mehr nur beim Neubau, und mit mehr Anreizen für die Entsiegelung von
Flächen.
In diesen Tagen sind die Sommerbäder voll. Kann sich Berlin seine Bäder
eigentlich noch leisten?
Die gehören in der Stadt dazu, und es gibt Bezirke wie Marzahn-Hellersdorf
ohne eigenes Freibad, das geht nicht. Also da muss man schon auch an die
ganze Stadt denken und von Anfang an ökologisch bauen.
Das war jetzt keine klare Antwort …
Bäder gehören für mich zu einer erweiterten Grundversorgung. Es geht darum,
dass die Politik ungefähr das aktuelle Angebot halten kann und nach
Möglichkeit in manchen Gebieten erweitert, wenn auch nicht mit oberster
Priorität. Wir haben ja noch die Badestellen an unseren Seen, und ich rufe
immer dazu auf, die zu nutzen – auch wenn da mal ein Riesenwels rauskommt.
Ich persönlich bin auch ein großer Freund [4][des Flussbads an der
Museuminsel.]
Kommt das denn nun? Zuletzt hieß es, die Kosten dafür würden über 100
Millionen Euro betragen – recht viel für eine weitere Badestelle.
Die 100 Millionen Euro geistern immer wieder durch die Presse – einen Beleg
habe ich dafür bislang nicht gesehen. Ich hoffe sehr, dass das Flussbad
kommt, und meine Prognose ist: Es wird voraussichtlich deutlich unter den
bisher berechneten knapp 70 Millionen Euro kosten. Aber selbst 70 Millionen
wären über viele Jahre gerechnet eine darstellbare Summe dafür, dass man
der Stadt etwas zurückgibt. Da bin ich Überzeugungstäter. Für mich ist das
Flussbad vor allem eine Antwort auf die Frage, wem die Stadt gehört. Die
Leute, die es verhindern wollen, sagen doch: Durch die Spree soll lieber
Scheiße schwimmen als Touristen. Ich finde, es gibt kaum was Geileres in
der Stadt, als in einem der zentralen Spreekanäle kostenlos schwimmen zu
können.
Hätte es auch einen ökologischen Effekt?
Ja. Durch die nötigen Filter wird das Wasser sauberer, das hat dann einen
positiven Effekt auf den folgenden Flusslauf.
Warum dürfen die Ausflugsschiffe auf Spree und Havel eigentlich noch mit
Diesel fahren?
… und die wenigstens davon mit Filter! Ich würde das sofort ändern. Aber es
ist eine Bundeswasserstraße, also müssen wir schauen, wie wir als Land
Druck machen können, etwa über die Steggenehmigungen oder die Förderung von
Elektroschiffen. Die großen Reedereien haben ein viel zu geringes Interesse
an der Umstellung. Hamburg steigt bis 2030 aus der
Diesel-Passagierschifffahrt aus. Das sollte Berlin auch tun.
Der Weg über die Steggenehmigung klingt doch recht einfach: Wer mit Diesel
fährt, kriegt keine.
Es gibt Hinweise darauf, dass sich das Land bei diesen Verträgen sehr lange
gebunden hat.
Herr Lux, Sie waren viele Jahre lang innenpolitischer Sprecher Ihrer
Fraktion: Was ist der grundsätzliche Unterschied zwischen Innen- und
Umweltpolitik?
In der Umweltpolitik sind die Linien länger, sie ist weniger tagesaktuell.
Und man kann radikaler sein als Grüner.
Weil das allgemein erwartet wird?
Vielleicht auch, weil Umweltpolitik elementarer, grundlegender, ist. Als
Innenpolitiker wird man gefragt: Was sagen Sie zur brennenden Mülltonne in
diesem oder jenem Bezirk? So was gibt es für mich jetzt nicht mehr. Ich
freue mich, dass ich nach all den Jahren als Innenpolitiker jetzt mit der
Umweltpolitik eine neue Sprache lernen darf.
Lange Linien gibt es aber auch in der Innenpolitik. Etwa beim
Polizeibeauftragten, der nach 25 Jahren Debatte im August endlich seine
Arbeit aufnimmt.
Es ist schlimm, dass das eine lange Linie ist.
Und bei der Ökologie ließen sich manche Linien verkürzen. Gerade läuft das
Volksbegehren „Berlin klimaneutral 2030“, das die Klimaziele des Landes
deutlich zuspitzen will.
Absolut. Andererseits haben Umwelt- und Innenpolitik auch Ähnlichkeiten:
Letztlich geht es um den Ausgleich von Sicherheit und Freiheit. In der
Innenpolitik würde ich eher sagen: Freiheit zuerst, in der Umweltpolitik
schützen wir die Freiheit und Sicherheit vor allem der zukünftigen
Generationen.
Das klingt jetzt, als gäbe es ein absolutes, anerkanntes Ziel in der
Umweltpolitik.
Ich sage das natürlich als Grüner. In der Innenpolitik sind wir es, die
aktuelle staatliche Eingriffe kritisch hinterfragen, etwa Alkoholverbote in
Parks. Bei der ökologischen Frage müssen wir Mehrheiten für eine viel
eindeutigere Haltung gewinnen. Es geht darum, die Grundlagen unseres Lebens
zu sichern. Und das wird weder mit unbegrenztem Rasen auf der Autobahn noch
unbegrenztem Rasensprengen auf Dauer gut gehen.
25 Jul 2022
## LINKS
[1] /Trockenheit-in-Ostdeutschland/!5864199
[2] /taz-Sommerserie-Nah-am-Wasser-1/!5866142
[3] /Trinkwasser-in-Berlin/!5843316
[4] /Von-Radbahn-bis-Flussbad/!5853118
## AUTOREN
Bert Schulz
Claudius Prößer
## TAGS
Benedikt Lux
Grüne Berlin
Wassermangel
Berlin
Wassermangel
Berliner Wasserbetriebe
Berliner Wasserbetriebe
Renaturierung
Gewässerschutz
Benedikt Lux
Wasser
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wochenkommentar
Hitzesommer
Wassermangel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wasserpolitik in Berlin: Golfplätzen den Hahn zudrehen
Trotz Dürren und Wasserknappheit wird auf Berliner Golfplätzen das kostbare
Nass unkontrolliert verschwendet. Die Linke will das ändern.
Wassergebühren und Dürre: Ein paar Eimer schaffen wir noch
Die Frage nach der geplanten Gebührenerhöhung durch die Berliner
Wasserbetriebe ist berechtigt. Sie sollte allerdings etwas anders gestellt
werden.
Kampagne der Berliner Wasserbetriebe: Sparen ist the real shit
Die Berliner Wasserbetriebe haben eine Kampagne zum Wassersparen gestartet
– und fürchten sich dabei vor allzu radikalen Forderungen.
taz-Serie Nah am Wasser: Zu wenig im Fluss
Die Panke, Berlins viertgrößter Fluss, könnte viel für den Klima- und
Artenschutz tun. Doch die längst beschlossene Renaturierung kommt nur zäh
voran.
Wasserpolitik in Berlin: Nichts Genaues weiß man nicht
Droht der Hauptstadtregion bald der Wassermangel? Die Ängste sind groß,
aber das konkrete Wissen überschaubar. Was bedeutet das für die Politik?
Wassermangel in Berlin: Senat will Wassergesetz verschärfen
Der Verbrauch von Trinkwasser steigt seit einigen Jahren wieder. Darauf
will die Umweltverwaltung nun auch mit einer Gesetzesänderung reagieren.
Sommerserie Nah am Wasser: Kaltes klares Wasser
Rechenaufgabe: 26 Grad in Berlin, die Autorin hat beim Verfassen dieses
Textes drei Liter Wasser getrunken. Wie lang hat das Schreiben gedauert?
Gaspreise in Deutschland: Warten auf den Preishammer
Manche Gaskonzerne haben sich beim Import fast nur auf Russland verlassen
und straucheln jetzt. Das müssen bald die Gaskund:innen bezahlen.
Hitzehilfe für Obdachlose in Berlin: Nicht mehr als der berühmte Tropfen
Menschen ohne Wohnung sind der Hitze ausgeliefert. Wir alle können mit
Aufmerksamkeit Not lindern – aber wirklich helfen werden nur mehr
Wohnungen.
Umgang mit Hitze in Berlin: Jetzt gibt’s richtig heiße Tipps
Ausgefallene Ampeln, mehr Getränke im Knast, weniger Wasser für den Rasen:
wie die Hauptstadt mit der großen Hitze umgeht.
Wassermangel in Europa: Es gibt keinen Reis, Baby
Die Auswirkungen der Dürre sind in ganz Europa zu spüren. Der Wassermangel
ist aber oft auch einer maroden Infrastruktur geschuldet.
Trockenheit in Ostdeutschland: Zusammen das Wasser halten
Die Initiative „Wasser bewegt Berlin“ ruft Berlin und Brandenburg auf,
durch eine gemeinsame Planung eine Krise bei der Wasserversorgung
abzuwenden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.