| # taz.de -- Ausstellung über afroamerikanische Kunst: Mutierte Klischees | |
| > Die Kunst des Afroamerikaners Arthur Jafa ist unbequem und politisch. Im | |
| > südfranzösischen Arles zeigt die private Fondation Luma seine Werke. | |
| Bild: Zu sehen in Arles: Jazz-Saxofonist Albert Ayler in der fotografischen Ins… | |
| Im malerischen provenzalischen Städtchen Arles, wo in der Altstadt im | |
| Schatten von Platanen an der Place Voltaire Pastis getrunken wird, zeigt | |
| das im vergangenen Jahr offiziell eröffnete Privatmuseum „Luma Arles“ der | |
| Schweizer Milliardärin Maja Hoffmann unter dem Titel „Live Evil“ die bisher | |
| größte Werkschau des [1][afroamerikanischen Künstlers und Filmemachers | |
| Arthur Jafa]. | |
| Der 1960 in Tupelo, im streng segregierten amerikanischen Süden, geborene | |
| Jafa, dreht Musikvideos für Jay Z und [2][Kanye West] und wurde 2016 für | |
| seine Videoarbeit „Love is the Message, the Message is Death“ bekannt. Eine | |
| Bildcollage aus Comic, Horror und Sci-Fi, Civil Rights und Polizeigewalt. | |
| Jafa konfrontiert darin die weltweite Umarmung Schwarzer Kultur, wie etwa | |
| Gospel, Jazz und Hip-Hop, mit ihrer gleichzeitigen Nutzbarmachung durch | |
| eine noch immer rassistisch geprägte US-amerikanische Gesellschaft. 2019 | |
| erhielt er für seine Videoarbeit „The White Album“ den Goldenen Löwen der | |
| Kunstbiennale von Venedig. | |
| Stararchitekt Frank Gehry hat für das „Luma Arles“ einen spektakulären, | |
| hoch aufragenden Turm mit flirrend aufgesplitterter Spiegelfassade | |
| entworfen. Kunstsammlerin Hoffmann, Erbin des weltweit agierenden | |
| Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche, betreibt in dem knapp 54.000 Einwohner | |
| zählenden Provence-Städtchen derart prunkvoll ihr Mäzenatentum, man mag | |
| darin schon das historische Vorbild der florentinischen Kaufmannsfamilie | |
| der Medici sehen, die als Förderdynastie die europäische Kunstgeschichte | |
| prägte. | |
| ## Eine Fratze in Arles | |
| Auf den Straßen von Arles kündigt auf Plakaten ein großes, zur Fratze | |
| verzogenes Gesicht mit geöffnetem Mund Jafas Ausstellung an. Wie sich | |
| später herausstellen wird, ist es das einer Gospelsängerin. Sie taucht auch | |
| in der Videoarbeit „akingdoncomethas“ von 2018 auf, wo es um die Kirche und | |
| dem Versprechen von Erlösung für Afroamerikaner:innen geht. | |
| Dekontextualisierung ist eine oft verwandte Bildtechnik von Arthur Jafa. | |
| Auch in seiner Selbstporträtserie „Monster“ von 2017, die den Künstler als | |
| jungen Mann mit Kamera zeigt. Die Ausstellung in Arles hat viele Werke der | |
| Jafa-Retrospektive „MAGNUMB“ des dänischen Louisiana Museum of Modern Art | |
| von 2021 übernommen, ergänzt durch neue Arbeiten, die teilweise jedoch erst | |
| jetzt nach Arles gebracht werden konnten, zu einer Art zweiten Eröffnung am | |
| 3. Juli nach der offiziellen im April. | |
| Die Retrospektive beginnt mit „Pledge of Allegiance“, einer historischen | |
| Fotografie von 1899, mit deren Wallpaper-Reproduktion Arthur Jafa die | |
| gesamte Wand füllt. Schwarze Grundschulkinder salutieren darauf vor der | |
| Flagge des weißen Amerika, das ihre Rechte missachtet. Wie viele andere | |
| Motive, kehrt das Sternenbanner in der Ausstellung immer wieder: aus weißem | |
| Plastik und wenig später als rassistisch definierte Konföderiertenflagge | |
| der ehemaligen Südstaaten in Schwarz. | |
| Die bildliche Wiederholung ist wie die Sequenzierung in der Musik, die | |
| Repetition in verschiedenen Tonhöhen, wie der Chorus eines Jazzstückes. | |
| Musik nimmt ohnehin eine wesentliche Rolle ein in Arthur Jafas Kunst. | |
| ## Trotz Schmerz ein zärtlicher Moment | |
| Das Klischee der vermeintlichen Schwarzen männlichen Potenz wird in | |
| mehreren Arbeiten Jafas thematisiert. Man sieht es in dem dunklen, | |
| kettenüberzogenen Reifen eines Monstertrucks von „Big Wheel II“ | |
| verarbeitet, der bereits auf der Venedig-Biennale 2019 gezeigt wurde, oder | |
| in der Fotomontage „MJ“ (für Michael Jackson), in der Arthur Jafa einen | |
| schwarzen Penis auf einen sehr schlanken, sehr weißen männlichen Körper | |
| montiert. | |
| Zusammen mit dem oft zitierten Miles Davis, mit Billie Holiday oder Whitney | |
| Houston reiht sich der 2009 verstorbene Megastar Jackson ein in Arthur | |
| Jafas Requiem für die Schwarzen Künstler*innen, deren Musik weltweit | |
| gefeiert wird und die dennoch Opfer eines systemischen Rassismus in den USA | |
| waren und sind. | |
| Die neueste Arbeit der Ausstellung, „SloPEX“ von 2022, ist bedrückend. | |
| Schon 2013 zeigte Jafa in der Videocollage „APEX“ eine kompositorische | |
| Abfolge von Bildern aus gut hundert Jahren Mediengeschichte. Gewalt gegen | |
| Afroamerikaner in den USA – etwa Bilder von Lynchmorden – traten darin | |
| neben die Gewalt in der Weltpolitik – etwa das bekannte Bild von der | |
| Selbstverbrennung eines vietnamesischen Mönchs in Saigon. | |
| Die kühlen Techno-Pattern des afroamerikanischen Detroit-Produzenten Robert | |
| Hood untermalten die oft krassen Bilder. Für „SloPEX“ dehnt Jafa das | |
| ursprüngliche Video von 8 Minuten 22 Sekunden auf jetzt 105 Minuten aus, | |
| Bildabfolge und Ton sind nun extrem verlangsamt. | |
| Von solch konkreten, unausweichlichen Bildern entfernt sich die Ausstellung | |
| zum Schluss wieder mit einer unbetitelten Hommage an den engen Freund | |
| Jafas, den im vergangenen Jahr verstorbenen Musiker und Autor Greg Tate. | |
| Die großformatige Leinwand zeigt eine Fluktation aus Licht und Schatten. So | |
| endet die Ausstellung trotz des Schmerzes letztlich in einem zärtlichen | |
| Moment. | |
| 11 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Maxi Broecking | |
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