# taz.de -- Stichwahl in Kolumbien: Petro schafft die Zeitenwende | |
> Bei den Präsidentschaftswahlen gewinnt mit Gustavo Petro erstmals in der | |
> Geschichte des Landes ein linker Kandidat. Er verspricht einen Wandel. | |
Bild: Gustavo Petro, seine Frau Veronica Alcocer und Francia Marquez feiern ihr… | |
BOGOTÁ taz | Es ist ein historischer Sieg: Laut dem [1][vorläufigen | |
Ergebnis] bekommt Kolumbien mit Gustavo Petro seinen ersten linken | |
Präsidenten. Der Kandidat des Wahlbündnisses „Historischer Pakt“ erzielte | |
50,44 Prozent der Stimmen. Der parteilose Immobilienmillionär und ehemalige | |
Bürgermeister von Bucaramanga Rodolfo Hernández unterlag mit 47,31 Prozent | |
der Stimmen. Demnach liegen beide 700.000 Stimmen auseinander. | |
Bis zum amtlichen Ergebnis werden noch Tage vergehen. In Kolumbien zweifelt | |
jedoch wohl niemand mehr an Petros Sieg. [2][Hernández] gratulierte Petro | |
und bot seine Unterstützung an. In einer Videobotschaft dankte er seinen | |
Wähler*innen und beschwor Petro, wie versprochen die Korruption zu | |
bekämpfen – das Hauptziel seiner eigenen Kampagne. | |
„Wir werden die Macht nicht benutzen, um den Gegner zu zerstören“, | |
versprach Gustavo Petro in seiner Rede in der Movistar-Arena in Bogotá. Der | |
ehemalige Guerillero, Ex-Bürgermeister von Bogotá und bisherige Senator | |
will den Friedensprozess vorantreiben. Zum Frieden gehöre für ihn auch, die | |
rund 10 Millionen Wählerïnnen von Hernández willkommen zu heißen, sagte er. | |
Die Opposition werde in der Casa de Nariño zum Austausch ebenfalls | |
willkommen sein. | |
Im ganzen Land gingen Menschen auf die Straße, um den Sieg zu feiern. In | |
Bogotá, wo der Wahltag fast komplett verregnet war, waren noch Stunden nach | |
Ende der Auszählung Hupkonzerte und Böller zu hören. Die Stadtautobahn zur | |
Movistar-Arena war verstopft mit Autos. Menschen, die nicht mehr in die | |
Arena passten, packten auf der Autobahn die Lautsprecher aus. | |
## Vom Extraktivismus zur klimafreundlichen Wirtschaft | |
„Heute beginnt die Veränderung Kolumbiens“, sagte Petro drinnen. Er wolle | |
eine neue Wirtschaft entwickeln: weg vom für Lateinamerika typischen | |
Extraktivismus – also der Ausbeutung von Rohstoffen wie Öl, Gas und Kohle | |
für den Export – hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft. | |
Er wolle die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Länder stärken und mit | |
den USA einen Klimapakt anstreben. „Kolumbien soll weltweit den Kampf gegen | |
den Klimawandel anführen“, sagte Petro. Mit dem Amazonas-Regenwald und der | |
einzigartigen Artenvielfalt sei es dafür prädestiniert. Dank seiner | |
schwarzen und indigenen Wurzeln könne Lateinamerika der Welt zeigen, wie | |
ein Leben im Gleichgewicht mit der Natur funktioniere. | |
Petros Sieg ist im historischen Kontext zu sehen. In Kolumbien wurden linke | |
Politikerïnnen seit Jahrzehnten verfolgt und von der Rechten als | |
Guerilleros verunglimpft. Eine ganze Partei, [3][die Unión Patriótica], | |
wurde ausgerottet. Menschen, die sich für soziale Gerechtigkeit engagieren, | |
leben in Lebensgefahr, genauso wie Umweltschützerïnnen. | |
Unter dem bisherigen Präsidenten Iván Duque, der die Umsetzung des | |
Friedensabkommens so gut es ging verhinderte, erreichte das Morden an den | |
sozialen Führungspersönlichkeiten einen traurigen Rekord. | |
## Márquez wird erste afrokolumbianische Vizepräsidentin | |
Ihre ersten Worte widmete die künftige, erste afrokolumbianische | |
Vizepräsidentin [4][Francia Márquez] deshalb „allen Kolumbianerïnnen, die | |
ihr Leben für diesen Moment gaben“. Die Umweltschützerin, Anwältin und | |
Aktivistin verkörpert für viele die Hoffnung auf Veränderung – speziell der | |
Schwarzen und Indigenen. | |
„Nach 214 Jahren haben wir eine Regierung des Volkes erreicht. Eine | |
Regierung der Menschen mit schwieligen Händen, der einfachen Leute, der | |
Niemande und Niemandinnen. Brüder und Schwestern, wir werden diese Nation | |
versöhnen, Frieden schaffen, ohne Angst, mit Liebe und Freude. Auf zu Würde | |
und sozialer Gerechtigkeit!“, rief Márquez. | |
Mit dem Sieg Petros und Márquez’ endet die Herrschaft der angestammten | |
rechten politischen Elite, die sich immer mehr von der Lebensrealität der | |
Mehrheit der Kolumbianierïnnen entfernt hatte. Präsident Duque, der als | |
Kronprinz des mächtigen Ex-Präsidenten Alvaro Uribe ins Amt kam, war am | |
Ende so unbeliebt wie kein Präsident vor ihm. | |
Hernández wie Petro hatten für einen Wandel geworben – doch nicht von | |
ungefähr sammelten sich vor der Stichwahl die alten rechten und | |
konservativen Kräfte hinter Hernández. | |
Petro und Márquez haben besonders Frauen und junge Menschen angesprochen, | |
die zuletzt in sozialen Protesten auf die Straßen gingen. Ein Symbol war | |
deshalb, dass auf der Bühne die Mutter des von einem Polizisten | |
erschossenen Dylan Cruz von ihrer [5][Hoffnung auf Gerechtigkeit] sprach. | |
## Wahlbeteiligung so hoch wie lange nicht mehr | |
Petro siegte in allen Randregionen und der Hauptstadt Bogotá. Die | |
Wahlbeteiligung war mit 58 Prozent so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr | |
und um 1,2 Millionen Stimmen höher als im ersten Wahlgang. | |
Petro schaffte es, diejenigen zu mobilisieren, die im Mai nicht gewählt | |
hatten – und er legte in seinen Hochburgen weiter zu. Duque hatte 2018 mit | |
10,3 Millionen Stimmen gesiegt – Petro erreichte jetzt 11,2 Millionen. | |
20 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://resultados.registraduria.gov.co/presidente/0/colombia | |
[2] http://(https://taz.de/Stichwahl-in-Kolumbien/!5858239&s=wojczenko/) | |
[3] https://www.jep.gov.co/especiales1/macrocasos/06.html | |
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Kolumbien/!5855528 | |
[5] /Protestbewegung-in-Kolumbien/!5640614 | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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