# taz.de -- Machtwechsel in Kolumbien: Der schwierige Teil kommt erst | |
> Mit dem linken Präsidenten Gustavo Petro ist eine Zeitenwende in | |
> Kolumbien eingeläutet. Doch die Herausforderungen sind immens. | |
Bild: Gustavo Petro bei einer Ansprache nach seinem Sieg | |
Kolumbien bekommt [1][seinen ersten linken Präsidenten]. Der Sieg von | |
Gustavo Petro ist zu begrüßen – und zwar nicht nur, weil die | |
[2][Alternative Rodolfo Hernández] ein rassistischer, sexistischer, | |
gesetzesfeindlicher Ignorant mit Korruptions-Anklage war. | |
Petro hat bei all seinen Schwächen die Probleme Kolumbiens korrekt erkannt: | |
krasse soziale Ungleichheit, Rassismus, rasend voranschreitende Abholzung | |
der Wälder, Ausbeutung als Wirtschaftsmodell, einen reformbedürftigen | |
Sicherheitsapparat – und einen auf der Kippe stehenden Friedensprozess. In | |
Kombination mit seiner Schwarzen Vizepräsidentin Francia Márquez bekommen | |
die eine politische Stimme, die seit Jahrzehnten eine suchen: | |
Afrokolumbianerïnnen, Indigene, Bauern, Frauen, Arme, die Liste ist lang. | |
Doch der schwierige Teil kommt erst. Bei den Lösungen für die Probleme muss | |
Petro nachbessern. Expert:innen haben zum Beispiel berechtigte Zweifel | |
an der Finanzierung seiner Sozialprogramme. Dafür müsste er unter anderem | |
einen stark progressive Steuerreform durchsetzen, den Tourismus ankurbeln | |
und ein alternatives, nachhaltiges Wirtschaftssystem anspringen, das nicht | |
von Rohstoffexport getrieben sein soll. Das ist ambitioniert. | |
Petros Bündnis hat keine deutliche Mehrheit im Parlament, und er muss | |
andere überzeugen, Kompromisse suchen, sich gut beraten lassen. Er ist | |
nicht als Teamplayer bekannt. Petro muss beweisen, dass er wirklich an der | |
versprochenen „nationalen Übereinkunft“ arbeitet. Es gilt, eine krasse | |
Kluft überwinden – schließlich haben über 10 Millionen | |
Kolumbianer:innen gegen ihn gestimmt; die Risse gehen teils durch | |
ganze Familien. | |
Eine entscheidende Rolle für die Vertrauensbildung wird die Benennung der | |
Minister:innen spielen. Hier sollte der Linke auf fachlich versierte | |
Politiker:innen der Mitte setzen – auch um der Angst eines Teils der | |
Bevölkerung den Wind aus den Segeln zu nehmen. | |
## Gefährliche Mammutaufgabe | |
Gleichzeitig ist klar: Petros Regierung muss ran an die Privilegien und | |
Unrecht wieder gutmachen, wenn er tatsächlich etwas ändern will. Kolumbien | |
[3][ist eines der ungleichsten Länder der Welt]. Die irren Vermögen sind | |
häufig das Ergebnis von mehr als 50 Jahren bewaffnetem Konflikt, von | |
Vertreibung und kriminellen Geschäften. Es wird eine gefährliche | |
Mammutaufgabe, die auf viel Widerstand stoßen wird. | |
Für den Friedensprozess und die Versöhnung der Kolumbianer:innen ist | |
es wichtig, dass alte Strukturen aufgebrochen werden, damit Aufklärung und | |
ein konstruktiver Neuanfang möglich sind. Das Militär wird dabei eine | |
entscheidende Rolle spielen. Tatsächlich gibt es hochrangige Militärs, die | |
Petro Unterstützung zugesichert haben. Das lässt hoffen. | |
Für all seine Pläne hat er nur vier Jahre Zeit, weil eine Wiederwahl nicht | |
möglich ist. Der Druck auf Petro ist immens. Dass er alle umsetzen kann, | |
ist nicht realistisch. Aber wenn er nur einige seiner versprochenen Ziele | |
auf den Weg bringt – und sein:e Nachfolger:in das weiterführt – ist | |
Kolumbien auf einem guten Weg. | |
20 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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