# taz.de -- Massenproteste in Kolumbien: Kolumbien steht auf | |
> Über 200.000 Menschen gehen in Kolumbien gegen die Rechtsregierung von | |
> Präsident Iván Duque auf die Straße. Es bleibt überwiegend friedlich. | |
Bild: Protest gegen die Regierung in Bogotá. Der Demonstrant zeigt Bilder von … | |
BOGOTÁ ap/taz | In Kolumbien sind am Donnerstag nach Polizeiangaben über | |
200.000 Menschen gegen die rechtskonservative Regierung des Präsidenten | |
[1][Iván Duque] auf die Straße gegangen. Für die Demonstrationen war seit | |
Monaten mobilisiert worden. Zunächst hatten Gewerkschaften zum | |
Generalstreik aufgerufen – in den vergangenen Wochen hatten sich | |
Studierende, Lehrkräfte, Künstler*innen und diverse andere Sektoren | |
angeschlossen. | |
Die Regierung hatte schon in den Tagen zuvor angekündigt, die Armee in | |
Alarmbereitschaft zu versetzen, und hatte alle Grenzübergänge des Landes | |
für den Donnerstag geschlossen. | |
Während die schon am frühen Donnerstagmorgen begonnenen Demonstrationen | |
überwiegend friedlich blieben, kam es vereinzelt zu Ausschreitungen. Am | |
Donnerstagabend warfen Demonstranten in der Hauptstadt Bogotá Steine auf | |
Bereitschaftspolizisten, die mit dem Einsatz von Tränengas reagierten. | |
Einige vermummte Protestierende versuchten sich zudem Zugang zum Kongress | |
zu verschaffen und rissen ein Stück Stoff ein, das ein historisches Gebäude | |
auf dem zentralen Plaza de Bolívar schützt. | |
## Grenzen geschlossen, Polizei und Militär auf der Straße | |
Die landesweiten Demonstrationen gelten als die größten Proteste in der | |
jüngeren Geschichte Kolumbiens. Gewerkschaftler, Studenten und Lehrer | |
machten ihrem Unmut über wirtschaftliche Ungleichheit, Gewalt gegen | |
Indigene und Aktivisten sowie Korruption Luft. | |
Duques Regierung schickte 170.000 Einsatzkräfte auf die Straßen, um | |
öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Zudem ließ sie die | |
Grenzübergänge schließen und 24 Venezolaner unter dem Vorwurf abschieben, | |
zum Schüren von Unruhen eingereist zu sein. Der Bürgermeister von Cali | |
verhängte eine nächtliche Ausgangssperre über die Stadt. | |
Trotz der regen Beteiligung an den Kundgebungen zeigten sich Experten | |
skeptisch, dass sich Kolumbien nun auf eine anhaltende Protestwelle wie in | |
[2][Bolivien] oder [3][Chile] gefasst machen muss. Das Land befinde sich | |
nicht in einem aufrührerischen Vorzustand, sagte Yann Basset von der | |
Rosario-Universität in Bogotá. Er glaube nicht, dass es eine allgemeine | |
Ablehnung des politischen Systems gebe. | |
Dennoch gelten die Proteste als Weckruf für Duque, der aktuell nur auf | |
Zustimmungswerte von 26 Prozent kommt. | |
## Reichlich Gründe zum Protestieren | |
Vor den Demonstrationen startete der Staatschef eine Charmeoffensive und | |
suchte die Nähe zu Bürgern. Zudem trat er Behauptungen in sozialen Medien | |
entgegen, wonach er das Rentenalter anheben und Löhne für junge Arbeiter | |
senken wolle. „Ich bin nicht hier, um über einen Rosengarten zu sprechen“, | |
sagte Duque in einem Radiointerview. „Ich spreche über ein Land, das sich | |
erholt; eine Wirtschaft, die sich verbessert und heute zu den besten in | |
Lateinamerika zählt.“ | |
Viele Kolumbianer sehen indes reichlich Grund zur Verärgerung. Trotz des | |
Friedenspakts zwischen der Vorgängerregierung und der linken Rebellengruppe | |
Farc von 2016 versinken große Teile Kolumbiens noch immer in Gewalt. | |
Illegale bewaffnete Gruppen ringen um Gebiete, aus denen sich der Staat | |
schon vor langer Zeit zurückgezogen hat. | |
Hunderte indigene Führer*innen und Sozialaktivist*innen sind ermordet | |
worden, aufgeklärt wurden die meisten der Verbrechen nicht. | |
Zuletzt machte Duques Regierung außerdem eine Serie von peinlichen | |
Rückschlägen zu schaffen. [4][Guillermo Botero] trat Anfang November als | |
Verteidigungsminister zurück, nachdem herauskam, dass mindestens acht | |
Minderjährige bei einer Militäroperation gegen eine Splittergruppe der Farc | |
umgekommen waren. Gegen Duques Verbündeten und Mentor, Expräsident Álvaro | |
Uribe, laufen Ermittlungen wegen mutmaßlicher Beeinflussung von Zeugen. | |
Und Duque zog Kritik auf sich, als er bei der Generaldebatte der | |
UN-Vollversammlung im September Fotos als Beweis hochhielt, wonach die | |
sozialistische Regierung im benachbarten Venezuela kolumbianische Rebellen | |
beherberge. Später stellte sich heraus, dass mindestens eines der Bilder in | |
Kolumbien entstanden war. | |
22 Nov 2019 | |
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