# taz.de -- Presse in Kolumbien: Wiege indigener Berichterstattung | |
> Diana Jembuel steht für den medialen Aufbruch in Cauca. Dort fördern | |
> Journalist:innen Kolumbiens Nachwuchs im eigenen Radio-Netzwerk. | |
Bild: Diana Jembuel wurde 2020 als beste indigene Journalistin ausgezeichnet | |
Popayán taz | Diana Jembuel ist eine Rückkehrerin. Die 37-jährige | |
Journalistin ist aus Bogotá zurückgekommen, um in ihrer Heimatstadt den | |
journalistischen Nachwuchs zu unterrichten. „Ich gebe Kurse, bringe den | |
Radio-Journalist:innen von morgen bei, wie sie Videos und Audios | |
aufnehmen“, erklärt die traditionell gekleidete indigene Frau. „Ich zeige | |
ihnen, wie sie sie schneiden, Beiträge sendefertig machen und online | |
stellen.“ | |
Jembuel trägt den charakteristischen Hut, den himmelblauen Umhang mit dem | |
roten Rand und den schwarzen bestickten Rock der Misak, einer von zehn | |
indigenen Bevölkerungsgruppen im [1][Verwaltungsbezirk Cauca]. Der liegt | |
unterhalb der Millionenmetropole Cali, rund ein Drittel der Bevölkerung ist | |
indigener Herkunft und die Misak gehören mit rund 28.000 Menschen zu den | |
kleineren indigenen Bevölkerungsgruppen. In der Region rund im die | |
Provinzstadt Silvia sind sie angesiedelt und dort befindet sich auch die | |
Radiostation, wo Diana Jembuel ihre erste journalistischen Erfahrungen | |
gemacht hat: Namuy Wam Estéreo. | |
„Meine Mutter und meine Großmutter haben dafür gesorgt, dass ich und meine | |
jüngere Schwester hier reinschnuppern konnten. Für mich war das die | |
Initialzündung“, erinnert sich Jembuel. In Gambiano, ihrer eigenen Sprache, | |
auf Sendung zu gehen, die Leute in der Region aus der eigenen | |
soziokulturellen Perspektive zu informieren, das fesselt sie bis heute. | |
Nicht nicht nur Diana Jembuel weiß, welche zentrale Rolle Radio, Fernsehen | |
und zunehmend soziale Medien für den Erhalt der eigenen Identität spielen | |
können. Auch diejenigen, die entscheiden, sind sich dessen bewusst. Sie | |
haben in Technik, Ausbildung und den Aufbau zusätzlicher Studios | |
investiert. | |
„2010, als hier im Cauca der 1. Kontinentale Gipfel der Indigenen | |
Kommunikation stattfand, war ein Wendepunkt. Da haben unsere Repräsentanten | |
begriffen, wie wichtig eigene Radio- und Fernsehstationen, Homepages und | |
Pressestellen sind, um uns und unsere Geschichte sichtbar zu machen“, meint | |
Jembuel, die selbst bei der Konferenz dabei war. Sie leitete damals mit | |
gerade 25 Jahren sowohl die Radiostation als auch die Kommunikation der | |
Misak nach außen. Da hatte sie längst begonnen, zu netzwerken und sich | |
fortzubilden. | |
## Damoklesschwert der Gewalt | |
Jembuel hat Kurse belegt in Popayán, der Hauptstadt des Cauca. Dort | |
befindet sich die Zentrale des CRIC, des Rates der indigenen Völker des | |
Cauca, der seit 2010 Kommunikationskurse anbietet, teilweise in Kooperation | |
mit der [2][Deutschen Welle]. „Wir haben uns internationale Unterstützung | |
gesucht, weil wir eigene mediale Strukturen aufbauen wollen und von der | |
kolumbianischen Regierung nichts zu erwarten haben“, sagt Jembuel wenig | |
diplomatisch. | |
Die Zahlen geben ihr recht. Allein zwischen Januar und Ende März 2022 hat | |
es laut dem CRIC 15 Morde an indigenen Anführer:innen gegeben. Auch die | |
indigenen Berichterstatter:innen arbeiten unter dem Damoklesschwert | |
der Gewalt. Laut der kolumbianischen Stiftung für die Pressefreiheit (FLIP) | |
starben drei Journalist:innen indigener Herkunft zwischen 2017 und 2020 | |
im Cauca. Auf der [3][Rangliste der Pressefreiheit 2022 von Reporter ohne | |
Grenzen] kommt Kolumbien gerade mal auf Platz 145 von 180. | |
Es fehlen Sicherheitsgarantien, monieren Berichterstatter:innen wie | |
Jembuel oder Eldemir Dagua, der gemeinsam mit seiner Kollegin Dora Muñoz | |
das hypermoderne Radiostudio des ACIN in Santander de Quilichao aufgebaut | |
hat. Im ACIN sind die 22 autonomen Gebiete der indigenen | |
Bevölkerungsgruppen der Nasa organisiert. Sie unterhalten vier | |
Radiostationen. Pionierin dahinter ist Dora Muñoz, die genauso wie Diana | |
Jembuel Journalismus studiert hat und danach in ihre Herkunftsregion | |
zurückging, um Strukturen aufzubauen. Erfolgreich. Daher folgt Diana | |
Jembuel, die als indigene Medienanalystin für mehrere Universitäten | |
arbeitet und 2020 als beste indigene Journalistin ausgezeichnet wurde, | |
ihrem Beispiel. | |
Der enorm hohe Frauenanteil beim medialen Aufbruch im Cauca ist auffällig. | |
Diana Jembuel führt ihn darauf zurück, dass die patriarchalen Strukturen | |
nicht nur bei den Misak, sondern bei vielen der 115 indigenen | |
Bevölkerungsgruppen Kolumbiens schon aufgebrochen wurden. Für sie muss | |
dieser Prozess aber noch weitergehen. | |
31 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kolumbiens-Indigene-bedroht/!5468740 | |
[2] /Deutsche-Welle/!t5019207 | |
[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/kolumbien | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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