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# taz.de -- Presse in Kolumbien: Gegen die Mächtigen
> Das kolumbianische Investigativmedium „Cuestión Pública“ steht für eine
> neue Journalisten-Generation. Die kämpft gegen korrupte Politiker.
Bild: Erster Tag der Proteste im Jahr 2021 in Kolumbiens Hauptstadt
Bogotá taz | Am Parque Usaquén im Norden der kolumbianischen Hauptstadt
Bogotá befindet sich die Zentrale von Cuestión Pública. An dem von
Kolonialgebäuden und einigen modernen Bürohäusern gesäumten Platz wartet
Diana Salinas am Springbrunnen. Salinas ist eine der drei Gründer:innen
des Online-Portals, das mit seinen Recherchen seit 2018 für Aufsehen sorgt.
Die Beziehungen von Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez zum korrupten
brasilianischen Baukonzern Odebrecht hat die Redaktion unter die Lupe
genommen, aber auch die Finanzen der Abgeordneten des Parlaments.
Mehrere Volksvertreter:innen landeten im Gefängnis, gegen einige wird
noch ermittelt und niemand der nachweislich Korrupten wurde wiedergewählt.
„Das ist auch ein Erfolg unserer Arbeit, über den ich mich unbändig freue�…
erklärt die 42-jährige Journalistin. Salinas ist mit ihren Kolleg:innen
Claudia Báez und David Tarazona 2018 angetreten, um ihren Beitrag [1][zum
Wandel in Kolumbien] zu leisten.
In den Monaten nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der
Farc-Guerilla im November 2016 flossen Millionen von internationalen
Geberländern, darunter auch Deutschland, nach Kolumbien, um die
Implementierung des bahnbrechenden Abkommens zu unterstützen.
Das Trio fragte sich damals, wer die Vergabe dieser Mittel in einem
hochgradig korrupten Land wie Kolumbien kontrollieren würde. „Öffentliches
Eigentum wurde und wird in Kolumbien wie ein Kuchen betrachtet, um dessen
Verteilung gestritten wird. Da wollten wir ansetzen, den Mächtigen auf die
Finger schauen und dem Fluss der Gelder nachspüren“, erinnert sich Salinas.
Sie hat in Argentinien studiert, dort bei La Nación gearbeitet, um dann
nach Kolumbien zurückzukehren. Beim kritischen Nachrichtenkanal Noticias
Uno hat sie angeheuert, weil sie überzeugt ist, dass Kolumbien eine
kritische Presse braucht. Dafür spielt Datenjournalismus eine immer
wichtigere Rolle.
## Klickzahlen steigen
Mit Daten und deren Auswertung hat auch alles bei Cuestión Pública
begonnen. 2019 erhielt die damals noch kleine Redaktion ihre erste
Auszeichnung: den nationalen Journalistenpreis. Das hat das Portal sichtbar
gemacht und seitdem steigen die Klickzahlen. Rund 250.000 sind es derzeit,
Tendenz steigend. Dazu beigetragen hat, dass die von der
Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen unterstützte Redaktion ihr Spektrum mit
den sozialen Protesten im Frühjahr 2021 erweitert hat. „Da haben wir mit
dem ersten gezielten Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen
entschieden zu berichten. Die Opfer der Polizeigewalt sichtbar zu machen
und die Hintergründe“, sagt Salinas. Dass war am 28. April 2021, am ersten
Tag der Proteste. Allein an diesem Tag starben fünf Menschen, mindestens
80, je nach Quelle auch über 90, waren es zwei Monate später. Die Opfer hat
Cuestión Pública sichtbar gemacht. Porträts vor Ort recherchiert, aber auch
Daten, Videos und Fotos analysiert – wie im Fall von Andrés Escobar.
Der vermeintliche Unternehmer aus Cali gehört zu denen, die an der Seite
der Polizei auf Demonstrierende schoss – mit einer scharfen Waffe. Das hat
die Redaktion anhand von Fotos lupenrein im November 2021 belegt und der
Justiz eine Steilvorlage geliefert. Doch erst am 14. Juni erhob die
Ombudsstelle für Menschenrechte in Bogotá Anklage gegen den dubiosen
Unternehmer und ein knappes Dutzend Polizeibeamte.
Ein später Erfolg, der investigativen Recherchearbeit der nunmehr
23-köpfigen Redaktion. Die wird vor allem aus dem Ausland finanziert. Doch
dabei soll es nicht bleiben. „Derzeit kommen etwa zehn Prozent unserer
Gelder aus Kolumbien, von Leser:innen, Abonnent:innen und aus Spenden.
Unser Ziel ist es jedoch, auf eigenen Füßen zu stehen“, betont Salinas.
Vorbilder sind die französische Online-Zeitschrift Mediapart und der
spanische El Diario, die unabhängig und zu großen Teilen
leserinnenfinanziert sind. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Für
Salinas kein Problem, denn sie ist eine gute Netzwerkerin. Über die für das
Recht auf Information und Pressefreiheit eintretende „Liga gegen das
Schweigen“ ist sie mit zahlreichen anderen unabhängigen Redaktionen
vernetzt. Das trägt Früchte, wie nicht nur die Wahl von Gustavo Petro
[2][zum ersten linken Präsidenten Kolumbiens] zeigt.
28 Jun 2022
## LINKS
[1] /Machtwechsel-in-Kolumbien/!5862031
[2] /Nach-Petros-Wahlsieg-in-Kolumbien/!5862025
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Investigativer Journalismus
Journalismus
Protest
Kolumbien
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Argentinien
Kolumbien
Gustavo Petro
Schwerpunkt Pressefreiheit
Iván Duque
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