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# taz.de -- Diskriminierung von Geflüchteten: Schutz und Vorurteil
> Während Berlin die ukrainischen Geflüchteten vor Ausbeutung schützen
> will, ergreift der Bund repressive Maßnahmen. Ein Wochenkommentar.
Bild: Gerade dem Krieg entronnen: Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin im Mä…
Bei der Flucht von zehntausenden Geflüchteten aus der Ukraine nach Berlin
wurde vieles besser gemacht als bei früheren Fluchtbewegungen. Zwar haben
auch hier die Behörden wieder zu behäbig reagiert, und [1][Ehrenamtliche
mussten einspringen, wo der Staat versagte]. Auch wurden Fehler gemacht,
indem etwa [2][auf die Bedarfe von besonders schutzbedürftigen Menschen
nicht adäquat eingegangen wurde]. Dennoch stellte die unbürokratische
Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden und nicht zuletzt ihre
Anerkennung als Kriegsflüchtlinge eine [3][eindeutige Verbesserung im
Vergleich zum Sommer der Migration 2015] dar.
Die Geflüchteten, die seinerzeit vor allem aus Syrien nach Berlin kamen,
können von den Rechten, die den Neuankömmlingen aus der Ukraine zugestanden
werden, nur träumen. Während sie jahrelange Asylverfahren durchlaufen
mussten, die teilweise bis heute andauern, während denen sie weder arbeiten
noch ihren Wohnsitz frei wählen dürfen, wird den Menschen aus der Ukraine
die [4][Integration in ihre neue Heimatstadt wesentlich einfacher gemacht].
Die Ungleichbehandlung von Asylsuchenden je nach Herkunftsland [5][wird
zurecht als rassistisch kritisiert]. Die besseren Startbedingungen für
Ukrainer*innen bedeuten jedoch nicht, dass diese nicht ebenfalls Opfer
von staatlicher Diskriminierung und Stigmatisierung werden können. So
müssen ukrainische Geflüchtete, die auf staatliche Leistungen angewiesen
sind, [6][ab dem 1. Juni eine erkennungsdienstliche Behandlung
durchlaufen], um über die Jobcenter Hartz IV oder Sozialhilfe beziehen zu
können.
Heißt: Es werden Fotos gemacht, Fingerabdrücke genommen und körperliche
Merkmale dokumentiert. Auch Messungen der Körpergröße und des Gewichts
dürfen durchgeführt werden.
Warum eine derartige Behandlung, die sonst nach einer Festnahme wegen einer
Straftat vorgenommen wird, für die Beantragung von Sozialleistungen
notwendig sein soll, ist nur schwer nachvollziehbar. Zumal sie auch für die
Menschen gilt, die sich bereits mit ihrem biometrischen Pass registriert
haben. Während alle anderen Menschen, die Anrecht auf Sozialleistungen
haben – und das trifft auch auf ukainische Kriegsflüchtlinge zu – einfach
mit ihrem Ausweis zum Jobcenter gehen und einen Antrag stellen können,
müssen sich Ukrainer*innen im wahrsten Sinne des Wortes nackig machen.
## Ungleichbehandlung verstärkt Ressentiments
Diese Maßnahme wird vom Bund mit „Sicherheitsinteressen“ begründet, das
Land Berlin hat dabei kein Mitspracherecht. Welche Sicherheit hier bedroht
sein soll, ist jedoch unklar. Schließlich geht es nicht um die Erlangung
eines Aufenthaltstitels, sondern um den Bezug von Leistungen zur
Grundsicherung. Dass dieser für Ukrainer*innen erschwert wird, erinnert
nur allzu sehr an das rassistische Vorurteil des „Sozialtourismus“ aus
Osteuropa, der von rechten Politiker*innen immer wieder bemüht wird,
um ihre Ablehnung gegenüber Migrant*innen zu begründen.
Statt solche Ressentiments durch staatliche Maßnahmen noch zu bestärken,
sollte der Staat dafür sorgen, die Rechte von Migrant*innen zu schützen.
Schon vor der aktuellen Fluchtbewegung waren viele Osteuropäer*innen,
aber auch andere Migrant*innen, Opfer von Ausbeutung. [7][Mit der Not
von Menschen lassen sich gute Geschäfte machen, was einige Firmen nur allzu
gerne ausnutzen]. Lohndiebstahl, Akkordarbeit, die Unterbringung in (zudem
überteuerten) Schrottimmobilien bis hin zu Sklaverei sind keine Seltenheit.
Dass Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) vor diesem Hintergrund
[8][die Arbeitsrechte von Migrant*innen nun besser schützen und
Ausbeutung verhindern will], ist der richtige Ansatz. Denn wenn es im
Zusammenhang mit Zuwanderung betrügerisches Verhalten gibt, dann ist es
hier zu finden – und nicht bei den Menschen, die auf der Suche nach einem
menschenwürdigen Leben nach Berlin kommen.
14 May 2022
## LINKS
[1] /Essensversorgung-fuer-Fluechtlinge/!5842551
[2] /Gehoerlose-Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5851598
[3] /Versagen-einer-Berliner-Behoerde/!5705318
[4] /Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5847134
[5] /Europas-Fluechtlingspolitik/!5835227
[6] /Ausbeutung-von-Gefluechteten/!5854266
[7] /Toennies-wirbt-ukrainische-Gefluechtete-an/!5845384
[8] https://www.berlin.de/sen/ias/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilu…
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Flüchtlinge
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Asylpolitik
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