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# taz.de -- Flüchtlingshelfer*innen in Berlin: Auch die Helfer brauchen Hilfe
> Nicht nur die Geflüchteten aus der Ukraine, sondern auch die vielen
> Helfer*innen brauchen Unterstützung. Viele sind bereits jetzt am
> Limit.
Bild: Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf dem Chancenmar…
Berlin taz | Der Festsaal im Roten Rathaus ist am Sonntagmorgen
proppenvoll. Zahlreiche ehrenamtliche Flüchtlingshelfer*innen sind
gekommen, um sich auf dem Chancenmarkt über Unterstützungsangebote zu
informieren. An verschiedenen Ständen beraten Behörden, Initiativen und
Vereine Menschen, die Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben oder
dies noch vorhaben.
Eine von ihnen ist Maren Steinert. Die 32-jährige Kassiererin hat Anfang
März drei Tätowiererinnen aus Charkiw in ihrer Zweizimmerwohnung in
Prenzlauer Berg aufgenommen. „Die größte Schwierigkeit ist, an Infos zu
kommen, man muss sich alles mühsam zusammensuchen“, sagt sie der taz. Die
Informationsmesse findet sie daher zwar gut, allerdings komme sie viel zu
spät. „Ich hätte gerne von Anfang an einen Ansprechpartner gehabt“, sagt
Steinert.
Dabei hatte sie noch Glück. Steinert wird von ihrer Mutter unterstützt, die
früher im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) gearbeitet hat.
„Ich will nicht wissen, wie es für andere ist, die diese Kontakte nicht
haben“, sagt die junge Frau. Das hilft jedoch nicht bei allen Problemen:
„Ich habe fast meine Wohnung verloren, weil es Probleme mit der
Untervermietung gab.“ Die sind jedoch mittlerweile gelöst und Maren
Steinert will sich über finanzielle Unterstützung informieren. „Ich will
helfen, aber nicht auf einem Haufen Kosten sitzen bleiben.“
Diese Probleme hat Sigrid Nikutta nicht. Die ehemalige BVG-Chefin, die
mittlerweile im Vorstand der Deutschen Bahn sitzt, hat ebenfalls
Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Auf dem Podium mit Berlins
Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat sie nur Gutes über
die Erfahrungen ihrer Gäste, eine Frau mit zwei Kindern und ihre
Großmutter, zu berichten. „Die Sprache ist eine große Herausforderung“,
sagt die Topmanagerin, auf ihrem Schoß sitzt eines der geflüchteten Kinder
und blickt verstört ins Publikum. Giffey nickt verständnisvoll.
## Der Informationsbedarf ist groß
Eine Helferin, die spontan auf das Podium kommt, ist nicht ganz so angetan.
„Ich finde es beschämend, [1][wie die Situation anfangs war, als die
Menschen hier angekommen sind]“, empört sich Diana Ziegler. „Ohne die
freiwilligen Helfer hätte das nicht funktioniert.“ Dabei sei die
Fluchtbewegung aus der Ukraine keineswegs überraschend gewesen. „Wir
brauchen eine Verwaltung, die in solchen Fällen ad hoc hochgefahren werden
kann.“ Ziegler selbst hat eine sechsköpfige Familie bei sich aufgenommen
und macht sich Sorgen, wo diese angesichts des Wohnungsmangels künftig
wohnen sollen. „Wir brauchen mehr Wohnungsbau“, lautet [2][die typische
Antwort der Regierenden].
Während eine ukrainische Folkloreband in Trachtenkleidern die Gäste
unterhält, ist der Andrang auf die Stände groß. Insbesondere die
Mitarbeiter*innen, die zu den Themen Arbeit oder Sozialleistungen
informieren, haben alle Hände voll zu tun. Es werden jedoch nicht nur
Informationen gegeben, auch Hilfe wird gesucht. Freiwillige der
[3][Organisation Tubman Network], einem Zusammenschluss von Schwarzen
Organisationen und Einzelpersonen, laufen durch den Saal und versuchen,
Wohnraum für Afrikaner*innen zu organisieren, die aus der Ukraine
geflüchtet sind.
Ein älteres Ehepaar ist gekommen, um für ihre Nachbar*innen, die nächste
Woche eine ukrainische Familie aufnehmen, Flyer und Broschüren zu besorgen.
Sie selbst stehen jede Nacht am Hauptbahnhof, um die Neuankömmlinge mit
Essen und Trinken zu unterstützen. „Es läuft mittlerweile viel besser als
am Anfang“, berichten sie.
Bei all dem Lob für den unermüdlichen Einsatz vieler Berliner*innen
gibt es auch mahnende Stimmen. „Viele Menschen sind am Limit und
überfordert“, erzählt ein Mitarbeiter der [4][Telefonseelsorge]. Auch
Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) macht sich Sorgen um die
Ehrenamtlichen, von denen mittlerweile viele selbst psychosoziale Beratung
bräuchten. „Man gibt nicht nur ein Zimmer oder etwas zu essen, sondern
nimmt auch die Sorgen und Ängste der Geflüchteten auf“, sagt Kipping. „Das
ist eine enorme Herausforderung, bitte passen Sie auf sich auf!“
15 May 2022
## LINKS
[1] /Gefluechtete-aus-der-Ukraine-in-Berlin/!5838541
[2] /Giffeys-Neubauversprechen-wackelt/!5836230
[3] https://vostel.de/de/volunteering/organisations/1430_Tubman-Network
[4] https://telefonseelsorge-berlin.de/
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Flüchtlinge
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Solidarität
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Ukraine
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