# taz.de -- „Querdenker“ unterstützen Putin: Das reaktionäre „Bauchgef�… | |
> Erst machten sie Stimmung gegen eine angebliche „Coronadiktatur“, nun | |
> folgen sie Wladimir Putins Kriegsgeheul. Wie Rechte um ihr Publikum | |
> buhlen. | |
Bild: Bodo Schiffmann, führender „Querdenker“-Mediziner in Deutschland, be… | |
Als der [1][Kreml-Propagandasender RT Deutsch] wegen des Angriffs auf die | |
Ukraine hierzulande verboten wurde, bekam er Asyl: [2][Der Arzt Bodo | |
Schiffmann], eine der bekanntesten Figuren der deutschen Coronaproteste, | |
speiste den Sender auf seinem Telegram-Kanal ein. Dort kommentierte der | |
Ober-„Querdenker“ den Angriff auf die Ukraine so: „Putin hat 1.000 Angebo… | |
gemacht und nur darum gebeten, dass man Verträge einhält.“ | |
Für die Gegner der Coronapolitik war früh klar, wo sie im Ukraine-Konflikt | |
zu stehen haben: an der Seite Russlands. Der Querfront-Publizist Jürgen | |
Elsässer, der mit seinem extrem rechten Compact-Magazin zuletzt vor allem | |
im Kampf gegen die angebliche „Coronadiktatur“ aktiv war, hegt viel | |
Sympathie für den Kreml. Der bekämpfe nämlich den „Neo-Kommunismus“ | |
Brüssels – eine „EUdSSR“ mit „ökosozialistischer Planwirtschaft, | |
politischer Korrektheit, Zerstörung der traditionellen Werte von | |
Christentum und Familie“, so Elsässer. | |
Der Compact-Macher erklärte es gar zum „Skandal“, dass einige | |
AfD-Bundestagsabgeordnete sich kürzlich bei der Rede des ukrainischen | |
Botschafters Andrij Melnyk – für Elsässer ein „Kriegshetzer“ – im Bun… | |
zum Applaus erhoben hatten. Am selben Tag trat er mit dem Berliner | |
AfD-Abgeordneten Gunnar Lindemann bei einer Veranstaltung in Hönow bei | |
Berlin auf. In dieser Woche erscheint sein Magazin in Form einer | |
Spezialausgabe unter dem Titel „Feindbild Russland“, mit dem Versprechen, | |
die „Hintergründe der aktuellen Stimmungsmache“ gegen Moskau aufzudecken. | |
## Maulige Männer machen „Mimimi“ | |
Ähnlich sieht man die Dinge bei den „Freien Thüringern“, einer extrem | |
rechten Gruppe, die sich bisher ebenfalls mit Coronaprotesten bemerkbar | |
gemacht hat: „Wenn Putin durchmarschiert, [3][fällt das Gendern weg, sind | |
Männer Männer und keine Frauen], wird Strom und Sprit billiger, wird die | |
Islamisierung beendet, wird linksgrün eingesperrt,“ lässt die Gruppe auf | |
Telegram verlauten. | |
Ihre Freunde, die „Freien Sachsen“, sehen nun strategische Vorteile für | |
sich. Vor einem Jahr war jene aus dem Umfeld der NPD hervorgegangene Gruppe | |
noch so gut wie unbekannt, mittlerweile folgen ihr rund 150.000 Menschen | |
bei Telegram. In mehr als 200 Orten bringt sie wöchentlich | |
„Corona-Spaziergänge“ auf die Straße. Doch zuletzt stagnierten sowohl die | |
„Spaziergänger“- als auch die Followerzahlen. Ein neues Thema musste her: | |
„Wir sollten auf den Spaziergängen Amerika- und Nato-Flaggen verbrennen“, | |
regte ein Follower der „Freien Sachsen“ auf deren Telegram-Kanal an. | |
Der Angriff auf die Ukraine bietet dem „Querdenker“- und dem extrem rechten | |
Milieu ein strategisches Feld, die eigene Basis auszuweiten. „Reaktionäre | |
und rechtsextreme Bewegungen im gesamten Westen stellen sich auf die Seite | |
Putins“, schreibt etwa der Historiker Thomas Zimmer – denn: „Sie sehen in | |
ihm die Art von autoritärem starken Mann, der das Blatt gegen die Kräfte | |
des woken Pluralismus wenden kann.“ | |
Das gilt auch für die AfD. So übernahm der sächsische | |
AfD-Landtagsabgeordnete Jörg Dornau eine von Putins Formulierungen auf | |
Facebook: „[4][Die Ukraine wird entnazifiziert!]“ schrieb Dornau. Auf dem | |
Telegram-Profil von Marco Grabe, dem Referenten für „Grundsatz und | |
Programmatik“ von AfD-Chef Tino Chrupalla, prangte das „Z“, Russlands | |
Symbol für den angestrebten Sieg gegen die Ukraine. Derweil rief die AfD im | |
brandenburgischen Finsterwalde für Freitag zu einer Demonstration „gegen | |
Impfpflicht und Kriegsgefahr“ auf. | |
Doch es sind nicht nur extrem Rechte, die sich nun mit Putin gegen den | |
Westen stellen. Schon im vergangenen November hatte sich angedeutet, dass | |
[5][Teile der Friedensbewegung] die staatliche Coronapolitik als eine Form | |
der Kriegsvorbereitung deuten. „Immer offensichtlicher wird das Treiben | |
derer, die das Leben auf unserem Planeten gefährden“, stand unlängst etwa | |
im „Neuen Krefelder Appell“, einer Neuauflage des Aufrufs gegen atomares | |
Wettrüsten aus dem Jahr 1980. Die Rede war von „gegen Russland und China | |
gerichteten Manövern“, die „immer aggressiver“ würden. | |
Dabei ist die Verbindung zur Pandemie für die Verfasser:innen klar: | |
„Die Machthaber dieser Welt führen Kriege auch an neuen, andersartigen | |
Fronten. Unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung wird das Leben von | |
Milliarden Menschen gefährdet.“ Dahinter stehe die „Strategie des ‚Great | |
Reset‘ des Forums der Superreichen“, mit dem der Kapitalismus „über einen | |
gezielten Zusammenbruch und einen,Neustart' auf eine noch perversere Stufe | |
gehoben werden“ solle. Zu den Unterzeichnern des Pamphlets zählen der | |
„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg, Friedenspastor Eugen Drewermann und | |
Albrecht Müller vom Politblog „Nachdenkseiten“. | |
Mit derlei geistiger Vorarbeit ist klar, wie Putins Angriffskrieg nun | |
gesehen wird: als vom Westen provozierte Fortsetzung der Pandemiepolitik. | |
Mit einer gedanklich so zugerichteten Basis lassen sich die Coronaproteste | |
bruchlos als „Antikriegsproteste“ weiterführen. | |
## Österreich ist irgendwie „deutsch“ – oder? | |
Und genau das geschieht – und längst auch schon transnational. Der | |
rechtsextreme Schweizer Ignaz Bearth und der eidgenössische | |
Verschwörungstheoretiker Roger Bittel laden regelmäßig das Who's who der | |
deutschen Coronaproteste in ihre Videostreams ein. Der Österreicher | |
Alexander Ehrlich hat hierzulande Corona-Bus-Sternfahrten organisiert. Bei | |
den Coronademos in Wien („An uns bricht Eure Nadel“) sind immer wieder | |
deutsche Szenegrößen wie der Ex-AfDler und Onkologe Heinrich Fiechtner oder | |
der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi als Redner dabei. Das „Impffrei“-Netzwerk | |
wirbt mit länderübergreifender Vernetzung, auf Telegram gibt es Gruppen | |
wie „Widerstand AT DE CH“, dort werden auch grenzübergreifende Demokalender | |
geteilt. | |
Von der „Plandemie“ zum angeblich „gerechten“ Krieg Putins gegen einen | |
vermeintlich wortbrüchigen Westen bis hin zum „Great Reset“: Das ist die | |
Weltsicht, die dem in Coronazeiten schnell angewachsenen und stets | |
empörungsbereiten Publikum nun angeboten wird. Beide Krisen – Pandemie wie | |
Krieg – werden dabei als elitäre Verschwörungen erzählt. Coronaskeptiker | |
und -leugner wie Russland-Versteher fühlen sich wohl, wenn ihnen vermittelt | |
wird, dass sie im Besitz der einzig „wahren“ Wahrheit sind. Sie eint das | |
Gefühl, nah an Informationen dran zu sein, die sogenannte Mainstream-Medien | |
angeblich verschweigen. | |
„Jede Wette: Die Enteignung beginnt bei russischen Millionären und am Ende | |
werden alle Bürger enteignet. Das ist der Plan. Great Reset“, verbreitete | |
auf Telegram etwa der österreichische Internetsender Auf1.TV, der mehr als | |
195.000 Follower zählt. Ähnlich klingt es auf Telegram bei der | |
rechtsextremen Zeitschrift Info-direkt. Der Ukrainekonflikt werde angeheizt | |
von „den geostrategischen und ökonomischen Interessen der USA und | |
Lifestyle-Linken, die das wertkonservative Russland hassen“. | |
Das Portal Report24 titelte kürzlich: „Grüne Baerbock drohte Russland und | |
China mit Atomwaffen.“ Als Beleg diente [6][ein Interview, das Baerbock | |
Anfang Dezember der taz gegeben hatte]. Mit Atomwaffen droht sie darin | |
keineswegs. Bei dem Bild, das Report24 von Baerbock veröffentlichte, sind | |
im Hintergrund der aus Ungarn stammende jüdische US-Milliardär George Soros | |
sowie Klaus Schwab, Chef des Davoser World Economic Forum, zu sehen. Beide | |
sind in der rechtsextremen Szene als oberste „Globalisten“ verhasst. Der | |
kaum verhohlene Subtext des Bildes: Beide Männer beeinflussen angeblich | |
Baerbocks Politik – stehen also hinter der vermeintlichen Aggression des | |
Westens gegen Russland. Der mitgelieferte misogyne Kommentar, dass Baerbock | |
aussehe und spreche „wie eine unbedarfte Hausfrau von fraglichem | |
Bildungsweg“, sollte diesen Eindruck wohl noch unterstreichen. | |
Seit dem Verbot des deutschen Ablegers von Russia Today, RT Deutsch, | |
übernehmen extrem rechte Plattformen wie Wochenblick, Report 24 und Auf1.TV | |
verstärkt dessen Botschaften. In jenem Umfeld fühlen sich auch | |
reichweitenstarke Videoblogger wie der ehemalige Jörg-Haider-Anhänger | |
Gerald Grosz wohl, ein Dampfplauderer, der schnell von Coronaverharmloser | |
auf Putin-Versteher umgeschaltet hat. „Sie flüchten vor Panzerrohren und | |
rennen direkt in Lauterbachs Spritzenbrigade“, twitterte Grosz. | |
Was in solchen zunächst klein wirkenden Verschwörungsclustern an | |
rechtsextremer Propaganda erzeugt wird, strahlt bereits weit aus. Das ist | |
das hochgesteckte Ziel dieser Propagandazellen: den gesamten deutschen | |
Sprachraum zu beeinflussen. Nicht zuletzt deshalb berichten österreichische | |
FPÖ-nahe Medien wie der Wochenblick so häufig über deutsche Politik. | |
Zahlreiche AfD-Fanseiten auf Facebook und vor allem Instagram helfen | |
eifrig, die rechtsextremen Fake News aus Österreich weit zu streuen. 52 | |
Prozent seiner Aufrufe verzeichnet der österreichische Websender Auf1.TV | |
mittlerweile aus Deutschland, beim Wochenblick soll der deutsche | |
Publikumsanteil bei rund 61 Prozent liegen, bei Report24 zuletzt bei 44 | |
Prozent. | |
Auf1.TV-Chef Stefan Magnet träumt von einem Büro in Berlin. Er hält sich, | |
eigenen Angaben zufolge, an eine „ABC-Strategie“: A steht für „Aufgeklä… | |
und „Aktive“, also für all jene, die laut Magnet „bereit sind, aktiv | |
Widerstand zu leisten“. Das B bezieht sich auf „Bequeme“, die sich passiv | |
mit Informationen berieseln lassen und die man sehr leicht über das | |
„Bauchgefühl“ abholen könne. C wie „Coronajünger“ hingegen könne man | |
ignorieren, die seien unerreichbar. Magnet fantasiert bereits von einem | |
Potenzial von „30 bis 40 Millionen“ als neuem Publikum. | |
Mitarbeit: Nina Horaczek, Redaktion „Falter“, Wien | |
12 Mar 2022 | |
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