# taz.de -- Hochschulen und Corona: Wieder mal zur Uni? | |
> Bald zwei Jahre unter Corona-Bedingungen zu studieren, schlägt vielen | |
> Student*innen aufs Gemüt. Der AStA fordert mehr Unterstützung. | |
Bild: Die Fahrt zur Uni können sich viele Studierende momentan sparen | |
Berlin taz | Der Weihnachtsschmaus war gerade verdaut und der | |
Silvesterkater überwunden, da startete für die Berliner Studierenden am | |
Montag schon wieder die Uni. Allerdings immer noch größtenteils im | |
Homeoffice. | |
Felix W. studiert an der Technischen Universität Berlin und steht kurz vor | |
seinem Master-Abschluss. Dabei hat der Verkehrswissenschaftsstudent nur ein | |
Semester im „Normalbetrieb“ studiert – dann kam Corona. Seitdem war W. fa… | |
gar nicht mehr in der Uni. Im Wintersemester 2021/22 liefen zu Beginn ein | |
paar Veranstaltungen in Präsenz, Planungssicherheit und eine Identifikation | |
mit seiner Uni gibt ihm das aber nicht. „Die Ungewissheit, die Corona | |
bringt, belastet das Studieren sehr. Es ist nicht mehr so unbeschwert, wie | |
ich es aus dem Bachelor noch kenne“, erzählt er. | |
Auch Phillip D., der Geografie an der Freien Universität studiert, sieht | |
sich beeinträchtigt: „Für dieses Wintersemester war die große Rückkehr an | |
die Uni angekündigt. Das ging die ersten paar Wochen gut, jetzt studiere | |
ich schon lange wieder komplett von zu Hause aus. Ich spare mir zwar fast | |
zwei Stunden Fahrt am Tag, meine Motivation leidet zu Hause aber enorm.“ | |
Seit nun bald zwei Jahren läuft der Hochschulbetrieb in Berlin bereits | |
größtenteils online. Zu Beginn dieses Wintersemesters gab es zwar eine | |
kurze Zeit, in der die Unis wieder mit Leben gefüllt waren, doch durch die | |
vierte Coronawelle ist der Normalbetrieb erneut in Gefahr. Die | |
Entscheidungsmacht darüber, ob in Präsenz oder online gelehrt wird, liegt | |
dabei jeweils bei den Hochschulen selbst. Und sogar zwischen den | |
verschiedenen Fakultäten und Lehrangeboten gibt es unterschiedliche | |
Regelungen, da manche Studiengänge eher Präsenz erfordern als andere. | |
Dass überhaupt Veranstaltungen vor Ort stattfinden, rechtfertigen die Unis | |
damit, dass die Impfquote unter Studierenden überdurchschnittlich hoch sei | |
und [1][umfassende Hygienekonzepte existierten]. Diese umfassen die | |
3G-Regelung, FFP2-Maskenpflicht, ein großes Test- und Impfangebot sowie | |
Onlineformate für große Gruppen. Es heißt bislang, Hochschulen und | |
Senatskanzlei hielten wegen der hohen Bedeutung persönlicher Begegnungen im | |
Bildungsprozess daran fest, Präsenzlehre weiterhin anzubieten. Doch aktuell | |
läuft an den Berliner Unis wieder vieles nur online. | |
Die Anfragen bei den psychologischen Beratungsstellen der Unis haben | |
während Corona zugenommen. Die meisten Studierenden kämen wegen | |
„Motivationsproblemen, Prokrastination und Perspektivlosigkeit“ in ihre | |
Beratung, sagt Brigitte Reysen von der psychologischen Beratungsstelle der | |
Freien Universität Berlin. Vor allem Erstsemester- und internationale | |
Studierende suchten Hilfe. Viele hätten während der Pandemie keine | |
Identifikation mit der Uni aufbauen können, [2][da sie selten bis gar nicht | |
vor Ort waren.] Für Neuankömmlinge in der Hauptstadt sei es schwer, unter | |
Pandemiebedingungen ein soziales Netz aufzubauen und Kommiliton*innen | |
kennenzulernen, wenn man diese nur als kleine Kachel bei Zoom sieht. Das | |
könne auch dazu führen, dass Inhalte im Studium weniger verstanden würden, | |
da der Austausch mit anderen fehle. | |
## Finanzielle Engpässe | |
Aber nicht nur die soziale Isolation ist ein Problem für viele Studierende, | |
sondern auch ihre finanzielle Situation. Der Geldbeutel vieler Studis ist | |
generell eher schmal. Corona hat dieses Problem noch verschärft, da | |
studentische Jobs weggefallen sind. Hinzu kommen die weiter steigenden | |
Berliner Mietpreise und die Kosten für die nötige technische Ausstattung. | |
Denn gerade für die Onlinelehre sind leistungsfähige Laptops essenziell. | |
Die Studierendenvertretungen der Berliner Unis haben diesbezüglich bereits | |
Ende November 2021 [3][auf der Internetseite des AStA der TU Berlin | |
konkrete Forderungen] an den Berliner Senat und den Bund gestellt. | |
Gefordert wird etwa eine Erhöhung des BAföG-Satzes, die Wiedereinführung | |
einer bundesweiten Überbrückungshilfe, bessere Unterstützung für | |
internationale Studierende und die Einstufung des Wintersemesters 2021/22 | |
als „Corona-Semester“. | |
Die Überbrückungshilfen für Studierende des Bundesministeriums für Bildung | |
und Forschung (BMBF) liefen Ende September 2021 aus, eine Verlängerung sei | |
nicht geplant, da sich der studentische Arbeitsmarkt wieder erholt habe und | |
weniger Anträge eingegangen waren, heißt es. Die Berliner Senatskanzlei | |
verweist auf eine taz-Anfrage nach Landesunterstützung für Student*nnen | |
darauf, dass Studierende in akuter finanzieller Notlage über den | |
Nothilfefonds des Berliner Studierendenwerks an Geld gelangen könnten. | |
## „Studierende nicht im Stich lassen!“ | |
Neben mangelnder finanzieller Unterstützung sehen die Asten Studierende | |
auch durch zu wenig Kulanz bei Prüfungen und Regelstudienzeiten belastet. | |
„Es scheint so, als sei es dem Berliner Senat vollkommen egal, dass sie | |
Studierende, wie schon im Sommersemester 2020, wieder sich selbst | |
überlassen. Das Semester ist schon wieder weit fortgeschritten, und es gibt | |
keinerlei Maßnahmen vom Senat. Das ist eine sozialpolitische Katastrophe“, | |
sagt Paul Wienands vom AStA der TU Berlin. | |
Der Pressesprecher der Humboldt-Universität, Hans-Christoph Keller, | |
bestätigt, dass eine Verordnung zur Verlängerung der individuellen | |
Regelstudienzeit für das Wintersemester 2021/22 noch nicht erlassen ist. | |
Die Entscheidung darüber liege nicht bei den Unis selbst, sondern beim Land | |
Berlin. Keller weist aber darauf hin, dass die HU auch in diesem Semester | |
die Fakultäten um Kulanz von Nachteilsausgleichen gebeten habe. Außerdem | |
gälten Prüfungen, die im Wintersemester 2021/22 abgelegt und nicht | |
bestanden werden, als nicht unternommen. | |
„Studierende nicht im Stich lassen“, lautet die Überschrift der Forderungen | |
des AStA. [4][Die aktuelle Situation] für die Lernenden ist nicht einfach. | |
„Die Uni fühlt sich total weit weg an. Mir fällt auf, dass ich mich | |
mittlerweile wirklich nur noch mit dem Lernstoff beschäftige, wenn ich | |
muss. Vor Corona war das anders“, sagt der Student Felix W. | |
5 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/sen/wissenschaft/aktuelles/news/2020/artikel.908920.p… | |
[2] /Corona-Einschraenkungen-fuer-Studierende/!5767591 | |
[3] https://astafu.de/node/513 | |
[4] https://www.lak-berlin.de/Corona_wise21-22_update | |
## AUTOREN | |
Josua Gerner | |
## TAGS | |
Studierende | |
Berliner Hochschulen | |
Asta | |
Homeoffice | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Bildungspolitik | |
Alternatives Wohnen | |
Freie Universität Berlin | |
Freie Universität Berlin | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Shoppingmalls | |
Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studierende in der Dauerkrise: „Die Leichtigkeit ist dahin“ | |
Erst Corona, dann Krieg und Inflation: Studierende leiden unter den | |
aktuellen Krisen. Viele haben psychische Probleme oder Geldnot. Vier | |
Hilferufe. | |
Rektor der Uni Magdeburg über Sparkurs: „Nicht pauschal mehr Geld fordern“ | |
Die Unis in Sachsen-Anhalt müssen massiv sparen. Zerstört die Politik so | |
den Bildungsstandort Sachsen-Anhalt? Der Rektor der Uni Magdeburg, Jens | |
Strackeljan, im Gespräch. | |
Grüne Studierendenwohnheime: Nachhaltig wohnen | |
In Rosenheim entsteht das wohl nachhaltigste Studierendenwohnheim | |
Deutschlands – nur soll es nicht so heißen. Ein Besuch. | |
Kundgebung an der Freien Universität: Wem gehört die Universität? | |
An der Freien Universität wurde demonstriert: Studis fordern von ihrer Uni | |
ein besseres Pandemiemanagement und eine klare Haltung gegen rechts. | |
Freie Universität Berlin: Studis wollen Prof verhindern | |
Der AStA der Freien Universität Berlin wirft einem Dozenten vor, rechtes | |
Gedankengut verbreitet zu haben. Nun will er dessen Habilitation | |
verhindern. | |
Bremer Universität geht an Investor: Der russische Retter | |
Serguei Beloussov heißt der Mann, der die Privat-Uni übernimmt. Die | |
rot-grün-rote Landesregierung hat die Einrichtung verkauft. Was wird nun? | |
Telefonseelsorge in Krisenzeiten: Am Notruf | |
Wenn bei Ulrike Feldhoff das Telefon läutet, muss sie auf alles gefasst | |
sein: Suizidgefährdete und Einsame melden sich bei ihr, aber auch | |
Scherzkekse. | |
Wissenschaft im Einkausfzentrum: Mall anders gedacht | |
In einer Berliner Shopping Mall sollen sich Universität und Gesellschaft | |
ganz nah kommen. Bisher lassen die Konsument:innen eher auf sich | |
warten. | |
Erasmus-Studierende in der Coronakrise: Einsame Stunden | |
Internationale Studierende haben es in der Pandemie besonders schwer: Nicht | |
nur Einnahmen brechen ihnen weg, sondern auch Sozialkontakte. |