| # taz.de -- Erasmus-Studierende in der Coronakrise: Einsame Stunden | |
| > Internationale Studierende haben es in der Pandemie besonders schwer: | |
| > Nicht nur Einnahmen brechen ihnen weg, sondern auch Sozialkontakte. | |
| Bild: Allein über den Büchern: Für ausländische Studierende ist die Uni in … | |
| Hamburg taz | In die Bibliothek gehen, abends in einer Bar auf dem | |
| Schulterblatt jobben, mit Kommiliton:innen im Stadtpark sitzen – all | |
| das geht im Moment nicht. Studieren in der Coronapandemie ist anstrengender | |
| und macht weniger Spaß. Studierende aus dem Ausland trifft diese Situation | |
| besonders hart. | |
| „Dauerhaft weit weg von der Familie zu sein, kann ganz schön anstrengend | |
| sein, vor allem, weil Konzepte von Freundschaft und Familie nicht in jeder | |
| Kultur gleich sind“, sagt Daniela Ovalle. Vor fünf Jahren kam sie aus | |
| Kolumbien für ein Au-pair-Jahr nach Deutschland. Mittlerweile ist sie 24 | |
| und studiert an der Universität Hamburg Biologie im fünften Semester. | |
| Als es ihr Anfang 2020 schlecht ging, reiste sie zu ihrer Familie nach | |
| Kolumbien. Ursprünglich hatte sie nur für zwei Monate in ihren | |
| Semesterferien bleiben wollen. Dann kam die Coronapandemie. Erst mit einem | |
| teuren Platz im Flieger und vielen Mühen mit der Botschaft und der | |
| Ausländerbehörde durfte sie im August wieder nach Deutschland einreisen. | |
| „Etwa 500 Studierende der Uni Hamburg sitzen derzeit im Ausland fest“, sagt | |
| Golnar Sepehrnia vom Referat für internationale Studierende (RiS) im Asta | |
| der Universität Hamburg. Für einige sei es wegen der Zeitverschiebung und | |
| schlechter Internetverbindung schwierig, der Onlinelehre zu folgen. | |
| Dazu komme die finanzielle Belastung. „Dass Studierende, die im Ausland | |
| festsitzen, Geld für ein Semesterticket zahlen müssen, das sie ohnehin | |
| nicht nutzen können, ist doch zum Beispiel absurd“, sagt Sepehrnia. „Zumal | |
| viele von ihnen nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern auch eine | |
| Wirtschaftskrise trifft.“ Das Lohnniveau sei in einigen Herkunftsländern | |
| der Studierenden vergleichsweise niedrig. Daher sei es oft nicht möglich, | |
| parallel laufende Kosten in Hamburg zu finanzieren. | |
| Es gibt kaum Unterstützungsangebote für ausländische Studierende, auch ohne | |
| Corona. Die meisten von ihnen haben weder Anspruch auf Bafög noch auf | |
| Stipendien. Viele wenden sich deshalb an die Diakonie. Sie betreibt das | |
| Studienbegleitprogramm Stube und den Ökumenischen Notfonds Hamburg, der | |
| internationale Studierende unterstützt, die unverschuldet in finanzielle | |
| Not geraten sind. | |
| ## „Alle waren zurückgezogen, in ihren winzigen Zimmern“ | |
| Nach dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr habe es ein vermehrtes | |
| Beratungsaufkommen für den Notfonds gegeben, sagt Knut Bräutigam, | |
| PR-Koordinator der Diakonie. Viele hätten coronabedingt ihre Jobs verloren | |
| und auch die finanzielle Unterstützung der Familien aus den Heimatländern | |
| sei zum Teil weggefallen. | |
| Da die Beratung derzeit digital durchgeführt wird, gehe jedoch viel | |
| zwischenmenschliche Interaktion verloren. In den Erstgesprächen träten | |
| neben der finanziellen Notlage häufig noch andere Probleme und Belastungen | |
| zutage, hervorgerufen durch die Isolation der Studierenden in der Pandemie. | |
| Notwendig sei deshalb oft eine „ganzheitliche Problemlösungsstrategie“, | |
| sagt Bräutigam. | |
| Auch das Studierendenwerk berät Studierende aus dem Ausland. Dort schätzt | |
| man die Situation der internationalen Studierenden, abgesehen von | |
| Einzelfällen, nicht allzu alarmierend ein. In den Beratungsgesprächen mit | |
| internationalen Studierenden weise er vor allem auf die Überbrückungshilfen | |
| des Bildungsministeriums hin, sagt Boris Gayer, Leiter des | |
| Beratungszentrums Soziales und Internationales. „Das fängt viele auf, die | |
| bei uns landen.“ | |
| Auch Biologiestudentin Ovalle hat die Überbrückungshilfe einmal bekommen. | |
| Mehr Unterstützung kam von der Diakonie. „Der finanzielle Aspekt spielt | |
| leider einfach eine große Rolle und ich hätte mir manchmal gewünscht, dass | |
| es nicht so kompliziert wäre, Hilfe zu bekommen“, sagt sie. Sie habe mit | |
| viel Glück vor Kurzem ein Zimmer für 200 Euro gefunden. Die meisten | |
| WG-Zimmer in Hamburg kosteten zwischen 400 und 500 Euro, deshalb habe sie | |
| vorher im Wohnheim gelebt. „Ich glaube, in der jetzigen Situation hätte ich | |
| es da nicht ausgehalten“, sagt Ovalle. „In meinem Wohnheim war es leider | |
| nicht so familiär, alle waren zurückgezogen, in ihren winzigen Zimmern.“ | |
| Das Studieren erschwere auch, dass die Lernräume nicht zugänglich und die | |
| Internetverbindung in einigen Wohnheimen instabil seien, sagt | |
| Asta-Mitarbeiterin Sepehrnia. Weil der Kontakt zu Komiliton:innen | |
| weitgehend wegfalle, fehle es an Sprachpraxis und sozialer Integration. Das | |
| Referat für Internationale Studierende fordert deshalb eine geschützte, | |
| teilweise Öffnung der Hochschulen. | |
| ## Kredite wenig hilfreich | |
| Darüber hinaus müsse das Auswärtige Amt immatrikulierten Studierenden | |
| schneller und einfacher ein Visum genehmigen, fordert Sepehrnia. Man solle | |
| außerdem endlich das Bafög öffnen, und zwar für alle, die bedürftig seien. | |
| Kredite hält sie nicht für hilfreich: „Alles, was mit Darlehen zu tun hat, | |
| macht den Studierenden erstens unglaublichen psychischen Druck und ist | |
| zweitens auch unrealistisch, denn wie sollen die das je zurückzahlen? Ein | |
| Kredit bleibt ein Kredit und hilft hier lediglich dabei, sich zu | |
| verschulden.“ | |
| Ovalle ist froh, dass sie im Gegensatz zu vielen in ihrem Umfeld mit | |
| Vorerfahrungen in der Pflege auch jetzt einen Job gefunden hat und | |
| zumindest finanziell ganz gut über die Runden kommt. „Wichtig für | |
| Studierende aus dem Ausland finde ich gerade vor allem, dass sie auch von | |
| den Hochschulen nicht vergessen werden“, sagt sie. In einer Fremdsprache zu | |
| studieren, sei sowieso anspruchsvoll. Während der Onlinelehre bekomme man | |
| nun zusätzlich täglich unzählige Mails von Professor:innen. | |
| Dass Vorlesungen mittlerweile hochgeladen werden und mehrfach angesehen | |
| werden können, komme ihr und anderen ausländischen Studierenden da gerade | |
| recht. „Das, aber bitte nur das, könnte auch nach Corona so bleiben.“ | |
| 11 Mar 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Johanna Sethe | |
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