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# taz.de -- Künstlerisches Studium in der Pandemie: Schauspielunterricht per Z…
> Mit der Geige vorm Computer, darstellendes Spiel im WG-Zimmer – so ist
> ein Studium kaum möglich, sagen Lehrende. Student*innen sind
> verunsichert.
Bild: Theaterproben in Zeiten der Pandemie: Statt auf der Bühne im WG-Zimmer
Berlin taz | Fehlende Motivation, Einsamkeit und schlechtes Internet:
[1][Digital studieren ist anstrengend], ganz egal welches Fach. Während
sich die meisten aber inzwischen daran gewöhnt haben, Referate per Zoom zu
halten oder die Kinder des Dozenten durchs Bild rennen zu sehen, ist
Onlinelehre für eine Gruppe besonders hart: Studierende an Schauspiel- und
Musikhochschulen. Denn viele ihrer Kurse lassen sich digital nur schwer bis
gar nicht umsetzen. Wie kommen sie klar? Und was bedeutet die Pandemie für
ihre Karriere?
„Ein Instrument online zu studieren ist im Grunde unmöglich. Das Studium
lebt vom Vorspielen, von Konzerten und davon, miteinander zu musizieren“,
sagt Kim Sulkowski. Die 20-Jährige studiert im fünften Semester Gitarre an
der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart (HMDK). Seit
Mitte Januar hat die Hochschule pandemiebedingt geschlossen. Bis dahin fand
zumindest Sulkowskis Einzelunterricht in Gitarre vor Ort statt. „Das hat
mich erst mal zurückgeworfen“ sagt Sulkowski, die täglich bis zu fünf
Stunden übt.
Im ersten Lockdown hatte die Studentin Gitarrenunterricht per Zoom. „Damals
war ich bei meinen Eltern auf dem Dorf, doch dort ist das Internet so
schlecht, dass ständig das Bild hängen geblieben ist“. Daher hat sie sich
ein Aufnahmegerät gekauft, Stücke eingespielt und sie ihrem Professor
geschickt. „Er hat mir per Audioaufnahme Feedback gegeben“, erzählt
Sulkowski. Auch heute schickten sie und ihr Professor sich Audioaufnahmen
hin und her. Denn selbst bei schnellem Internet sei die Tonqualität bei
Zoom zu schlecht, um alle Feinheiten zu hören.
Wegfallende Einnahmequellen
Noch mehr als der Präsenzunterricht fehlen Sulkowski Vorspiele und
Konzerte. „Es ist schwierig, sich zum Üben zu motivieren, wenn man keine
Möglichkeit hat, die Stücke zu präsentieren.“ Vor Publikum zu musizieren
sei zudem sehr wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung. Nur so lerne
man, mit der Aufregung zurechtzukommen, erklärt sie.
Auch Eva Pothoff, Geigenstudentin an der Robert Schumann Hochschule
Düsseldorf, vermisst die Auftritte. Normalerweise spielt sie häufig auf
Hochzeiten, Geburtstagen oder in Gottesdiensten. „Viele meiner
Kommiliton*innen verdienen so ihr Geld“, sagt Pothoff. Diese
[2][Einnahmen fielen jetzt weg].
Pothoff würde gerne Berufsmusikerin in einem Orchester werden. Wegen der
Pandemie aber stellten viele Orchester gerade nicht ein. „Die schlechten
Berufsaussichten kratzen schon an mir“, sagt sie und möchte vorerst einen
Master machen.
Raimund Wippermann, Rektor der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf,
sorgt sich um seine Studierenden. „Instrumentalunterricht über Zoom ist wie
ein Hürdenlauf mit einer Krücke, die viermal durchgebrochen ist.“ Die
Zeitverzögerung mache gemeinsames Musizieren unmöglich, Haltung und Atmung
seien per Video nur schwer erkennbar und die Standard-Lautsprecher am
Laptop könnten kein genaues Klangbild wiedergeben. „Als im Juni der
Präsenzunterricht wieder losging, haben alle Dozent*innen erhebliche
Defizite festgestellt, die online nicht hörbar waren – etwa im Ansatz oder
in der Tongebung“, so Wippermann.
WG-Zimmer ist keine Bühne
Darüber hinaus fehle den Studierenden die Routine, vor Publikum zu
musizieren. „Bei einem hochschulinternen Vorspiel im Dezember ist der Jury
übereinstimmend Lampenfieber aufgefallen“, sagt Wippermann. „Und wer
aufgeregt ist, dem unterlaufen schnell Fehler.“
Noch härter als Musikstudierende trifft die Pandemie angehende
Schauspieler*innen. An der Schauspielschule Ernst Busch in Berlin etwa
fällt der Schauspielunterricht seit Mitte Dezember komplett aus. „Wir haben
uns gegen Unterricht per Zoom entschieden, weil darunter die Qualität der
Ausbildung leiden würde“, sagt Margarete Schuler, Leiterin der Abteilung
Schauspiel an der Hochschule. „Schauspiel kann man einfach nicht online
lehren.“
Die meiste Zeit der Ausbildung würden die Studierenden mit dem Einstudieren
von Szenen in Kleingruppen verbringen. „Dabei lernen sie, auf den Partner
zu reagieren und etwas aus dem Moment heraus zu entwickeln“, sagt die
Professorin. Dies sei per Videodienst unmöglich.
Außerdem mache es einen Unterschied, ob man in einem 12 Quadratmeter großen
Zimmer vor der Laptop-Kamera steht oder auf einer großen Bühne. „Die Stimme
muss im dritten Rang ankommen, das kann man im WG-Zimmer nicht üben“, sagt
Schuler. Wann der Unterricht nachgeholt wird, stehe noch nicht fest,
vermutlich im Sommer.
Banger Blick in die Zukunft
Der einzige Kurs, der gerade per Zoom stattfindet, ist das Sprechtraining.
„Die Onlinevariante ist aber eher mittelmäßig“, sagt Benedikt Kalcher,
Schauspielstudent im dritten Jahr. „Per Zoom können wir zwar intellektuell
über einen Text sprechen, aber keinen richtigen Kontakt zueinander aufbauen
und auch nicht an unserer Aussprache arbeiten“, erklärt Kalcher.
Der 21-Jährige hofft, dass der Präsenzunterricht im Sommersemester wieder
losgeht, zumindest in Kleingruppen. „Man muss am Ball bleiben, weil man
sonst relativ schnell einrostet.“ Sinnvoll wären tägliche Schnelltests für
Studierende, so könnte die „Ernst Busch“ bei einer Infektion schnell
schließen, sagt der Schauspieler. „Dafür muss die Regierung aber Geld
bereitstellen.“
Große Sorgen macht sich Kalcher um die seit Monaten geschlossenen Theater.
Und ob diese es finanziell überhaupt bewerkstelligen können, nach dem
Lockdown neue Schauspieler*innen aufzunehmen. Der Staat dürfe die
Spielstätten nicht vergessen.
Auch Geigenstudentin Puthoff fordert Lösungen für die Kulturszene. „Warum
darf ein Gottesdienst stattfinden, aber kein Konzert? Deutschland ist so
reich an Kunst und Kultur und sollte doch eigentlich stolz darauf sein.“
16 Feb 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Rieke Wiemann
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