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# taz.de -- Rektor der Uni Magdeburg über Sparkurs: „Nicht pauschal mehr Gel…
> Die Unis in Sachsen-Anhalt müssen massiv sparen. Zerstört die Politik so
> den Bildungsstandort Sachsen-Anhalt? Der Rektor der Uni Magdeburg, Jens
> Strackeljan, im Gespräch.
Bild: Protest gegen das geplante Sparpaket an der Universität Halle
taz: Herr Strackeljan, die Uni Halle muss drastisch sparen. Das vom
Universitätssenat beschlossene Sparpaket sieht die Streichung von 25 der
355 Professuren vor, 4.000 der 21.000 Studienplätze könnten wegfallen.
Welche Folgen hätte das für Sachsen-Anhalt?
Jens Strackeljan: Das bisher erfolgreiche Hochschulsystem würde schrumpfen
– und das hätte in einem kleinen Bundesland wie Sachsen-Anhalt mit ca.
50.000 Studierenden spürbare Auswirkungen. Allerdings steht ja noch gar
nicht fest, ob die Martin-Luther-Universität wirklich 4.000 Studienplätze
streicht. Es sind am Ende vermutlich weniger Plätze.
Das hängt davon ab, in welchen Fächern die Professuren abgebaut werden.
Streiche ich zum Beispiel zwei Professuren in einem kleinen Fach, dann ist
zwar das kleine Fach nicht mehr da, dafür fallen aber nur wenige
Studienplätze weg. In großen Fächern wie BWL oder Jura kommen wegen der
vielen Großveranstaltungen deutlich mehr Studierende auf eine Professur.
Diese Überlegungen hat die Uni Halle nun vorgenommen.
Sie haben [1][gegenüber dem MDR] kritisch angemerkt, dass die Sparmaßnahmen
der Uni Halle den Lehrermangel in Sachsen-Anhalt verschärfen könnten.
Die Darstellung des MDR war nicht ganz korrekt. Ich habe lediglich mahnend
darauf hingewiesen, dass den Schulen in Sachsen-Anhalt ohnehin schon zu
wenig Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen. Und da die Uni Halle die
zentrale Einrichtung der Lehramtsausbildung im Land ist, sollten möglichst
keine Professuren und Studienplätze in diesem Bereich gestrichen werden.
Dass die Martin-Luther-Universität grundsätzlich keine Kürzungen vornehmen
dürfe, weil dies negative Auswirkungen auf die Lehramtsausbildung hätte,
wurde nie geäußert.
Fest steht allerdings auch: Sachsen-Anhalt kann sich keine Kürzungen im
Lehramt erlauben. Schon jetzt können längst nicht alle Stellen besetzt
werden, auf gut 900 freie Stellen kamen zuletzt 350 Bewerbungen. Und da wir
nur bedingt Lehrkräfte aus anderen Bundesländern anwerben können –
schließlich fehlen sie überall in Deutschland – müssen wir sie selbst
ausbilden.
Die Landesregierung und die Uni Halle schieben sich die Schuld für die
jetzige Situation gegenseitig zu. Das Land sagt, die Uni habe Sparmaßnahmen
verschleppt. Rektor Christian Tietje sagt, aufgrund jahrzehntelanger
Unterfinanzierung hätte man nicht sparen können. Wer hat Recht?
2013 haben sich die sieben staatlichen Hochschulen Sachsen-Anhalts und die
Landesregierung im so genannten „Bernburger Frieden“ darauf geeinigt, 1,5
Prozent ihres Budgets einzusparen und langfristig Strukturanpassungen
vorzunehmen – zum Beispiel wenig nachgefragte Studiengänge zu schließen.
Als Rektor der Uni Magdeburg habe ich im Jahr 2015 den Prozess initiiert,
die Kulturwissenschaften zu streichen, das bedauere ich inhaltlich immer
noch außerordentlich. Auch die anderen Hochschulen haben Reformen
durchgeführt. Die Uni Halle hingegen passt ihre Struktur erst jetzt, acht
Jahre später, an das vorhandene Budget und damit an die Strukturplanung des
Landes an.
Das heißt, die Uni Halle hat Schuld?
Vor dem Hintergrund der Vereinbarung mit der Landesregierung ist sie an der
Situation nicht unschuldig. Die Aussage „Wir hatten so wenig Geld zur
Verfügung, dass wir nicht sparen konnten“ ist nicht stichhaltig, da es ja
die Aufgabe aller Hochschulen war, Strukturanpassungen vorzunehmen.
Grundsätzlich ist es natürlich völlig legitim, mehr Geld vom Land für das
Hochschulsystem zu fordern. Auch ich fände es wünschenswert, wenn die
Budgetsteigerungen der Hochschulen Inflation und Tarifsteigerung
vollständig ausgleichen würden. Das tun sie aber nicht, und das gilt nicht
alleine für Sachsen-Anhalt. Und deshalb müssen die Universitätsleitungen
gemeinsam mit den zuständigen Gremien überlegen, wie sie, zum Beispiel, mit
steigenden Energiepreisen umgehen und wo sie letztlich Kosten reduzieren
können. Leider sind dies in einem Unibetrieb fast immer die Personalkosten.
Steckt Sachsen-Anhalt zu wenig Geld in seine Hochschulen?
Die Ausgaben des Landes für das Hochschulsystem sind mit ca. 9.000 Euro pro
Studierendem pro Jahr höher als im Bundesdurchschnitt. Ich möchte daher als
Sprecher der Hochschulen des Landes gar nicht pauschal mehr Geld
einfordern. Um aber zum Beispiel die kleinen Fächer an der Uni Halle
aufrecht erhalten zu können, hilft kein Hinweis auf durchschnittliche
Ausgaben, da bräuchte es finanziellen Spielraum.
An der Uni Halle stehen [2][Fächer wie Indologie, Südasienkunde oder
Altertumswissenschaften] auf der Kippe. Sie haben die
Kulturwissenschaftsstudiengänge an der Uni Magdeburg gestrichen. Warum
werden immer geisteswissenschaftliche Fächer als erstes abgeschafft? Sind
sie weniger wichtig?
Diese Fächer sind absolut wichtig und gehören bundesweit zwingend zum
universitären Angebot. Ich befürworte also ausdrücklich den Erhalt dieser
kleinen Fächer. Aber dabei sehe ich uns alle in der Verantwortung: die
Länder, die Studierenden und auch die Gesellschaft. Die Länder müssen die
Hochschulen finanziell unterstützen, aber die Gesellschaft muss
akzeptieren, dass es nicht an allen Standorten alle Fächer geben kann.
Bei den teilweise extrem niedrigen Studierendenzahlen in einigen dieser
Fächer muss es zumutbar sein, dass jemand dann zum Studieren nach Jena oder
Leipzig oder auch in andere Teile der Republik geht. Umgekehrt kommen junge
Menschen nach Sachsen-Anhalt, weil wir Fächer vorhalten, die es woanders
nicht gibt.
21 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/kuerzungen-uni-le…
[2] /Forscherinnen-ueber-Ukrainistik/!5843385
## AUTOREN
Rieke Wiemann
## TAGS
Bildungspolitik
Deutsche Universitäten
Magdeburg
Halle
Sparmaßnahmen
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Niedersachsen
Studierende
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