# taz.de -- Telefonseelsorge in Krisenzeiten: Am Notruf | |
> Wenn bei Ulrike Feldhoff das Telefon läutet, muss sie auf alles gefasst | |
> sein: Suizidgefährdete und Einsame melden sich bei ihr, aber auch | |
> Scherzkekse. | |
Bild: Ulrike Feldhoff bei der Arbeit. „Corona wirkt wie ein Verstärker“, s… | |
Berlin taz | Der Anruf war eher kurz, fünf, sechs Minuten. Der Mann sagte, | |
er werde sich und seinen Sohn, der mit ihm im Zimmer sei, umbringen. Dann | |
legte er auf. So erinnert sich Ulrike Feldhoff. „Das war kein Fake“, sagt | |
sie. Schauspielerei, Geschmacklosigkeit, grotesker Ulk – das alles gibt es | |
hin und wieder unter den Anrufen bei der Telefonseelsorge. Diese | |
Ankündigung aber war ernst, da ist sich Feldhoff sicher. In den Tagen | |
danach blätterte sie in Zeitungen. Nichts. Keine Notiz, keine Antwort. Es | |
war ein Hilferuf ohne Echo. | |
Dieses Gespräch, die Frage, was aus diesem Mann und aus diesem Kind | |
geworden ist, habe sie lange beschäftigt. Damit muss man zurechtkommen, | |
wenn man sich für die Telefonseelsorge entscheidet. Ulrike Feldhoff, eine | |
konzentrierte, freundliche Frau, kommt damit zurecht, seit 25 Jahren. | |
Etwa dreimal im Monat macht sie sich von Spandau aus auf den Weg ins | |
ehemalige Ostberlin, wo in einem Hinterhaus für die nächsten vier Stunden | |
ein kleines Zimmer ihre Welt ist, Blick auf einen Baum, Schreibtisch, | |
Bildschirm, brennende Kerze – beinahe ein adventlich gestimmtes Büro, wenn | |
da nicht die Liege stünde, die Herrnhuter Losungen lägen. So wirkt es wie | |
eine Klausur, besonders, wenn die Tür geschlossen wird. Einziger Kontakt | |
nach draußen: ein Telefon. | |
„Kirchliche Telefonseelsorge“, wird Ulrike Feldhoff sagen und warten, dass | |
ihr Gegenüber beginnt, dass er sich öffnet. Ihren Namen behält sie ebenso | |
für sich wie den Ort, wo sie sitzt. Anonymität ist wichtig, in beide | |
Richtungen. Ulrike Feldhoff wird zuhören. Jetzt hat sie noch etwas Zeit, | |
steht in der Küche, macht einen Kaffee. Ist sie aufgeregt? Nein. Bereitet | |
sie sich besonders vor? Nein. | |
Natürlich gibt es eine Vorbereitung. Jeder, der sich für den Dienst bei der | |
Telefonseelsorge interessiert, durchläuft ein Curriculum – sieben | |
Wochenenden, zehn Abende, zehn Hospitationen, verteilt auf ein Jahr. Wer | |
dabeibleibt und zum ersten Dienst erscheint, der ist bereit. „Die ersten | |
drei Jahre waren anstrengend“, räumt Ulrike Feldhoff ein. Jetzt, sie hat | |
das Berufsleben hinter sich, ist sie eine der Dienstältesten. Ulrike | |
Feldhoff zündet in der Etagenküche das Adventsgesteck an, | |
„Wohlfühlatmosphäre“ nennt sie es. | |
Wenn etwas wichtig sei, dann dies. Die Atmosphäre muss stimmen, im Gespräch | |
sowieso, den Kontakt herstellen, ihn halten ist wesentlich. Wie geht das? | |
„Authentisch sein“, sagt Feldhoff. Nichts sagen, was nicht gedeckt ist, | |
keine Floskeln. Ein „Guten Tag!“ verbietet sich. Ein „Was kann ich für S… | |
tun?“ ebenfalls. Manchmal kann man nicht viel tun. „Ich höre zu“, sagt | |
Feldhoff, „versuche, das Gespräch zu strukturieren“. Die Themen? Angst, | |
Einsamkeit, Depression, Trauer, Verlust, Sucht, häusliche Gewalt. | |
Die Pandemie hat sich wie Rost in die Seelen gefressen. „[1][Corona] wirkt | |
wie ein Verstärker“, sagt Ulrike Feldhoff. Jedes Problem erscheint noch | |
größer, jeder Konflikt noch tiefer, jede Angst noch abgründiger. Schon seit | |
März 2020 gibt es ein eigenes [2][Coronaseelsorgetelefon]. „Existenzängste, | |
die sind ganz schlimm“, sagt Feldhoff, „besonders im Kulturbereich, bei | |
Musikern, in der Gastronomie.“ Es gebe viele Anrufe. | |
Er habe durch Corona zwei Menschen verloren und seine Frau arbeite in der | |
Pflege. Der Mann, der zum Telefon griff, will nicht auch noch seine Frau | |
verlieren. Lässt sich diese Angst nehmen? Feldhoff schüttelt den Kopf. | |
Wichtig ist, die eigene Hilflosigkeit nicht zu verbergen. „Wir sind ja | |
nicht die, die die Welt retten“, sagt sie. Ein bisschen aber schon, | |
manchmal. Er selbst habe sich impfen lassen, sagt ein Mann am Telefon. | |
Seine Frau sei allerdings kategorisch dagegen, es sei denn, ihr Mann | |
begleite sie. Soll ich? | |
Nichts ist zu banal. Zureden, Hoffnung geben, Zweifel ausräumen, dafür | |
haben die Ehrenamtlichen alle Zeit, die es braucht. Wer über die | |
Sinnhaftigkeit von Coronamaßnahmen streiten will, wird ausgebremst. | |
Diskutieren? Beleidigen? Diese Frau Merkel!, begann ein Mann, es folgten | |
Kraftausdrücke. So rede ich mit Ihnen nicht weiter, habe Ulrike Feldhoff | |
dem Anrufer entgegnet. Manche fangen sich wieder, sagt sie, andere nicht. | |
„Dann beende ich das Gespräch.“ | |
Es gibt noch einen anderen Grund, zügig Schluss zu machen. Wenn jemand sich | |
zu befriedigen beginnt. „Da kommt man sich so benutzt vor“, sagt Ulrike | |
Feldhoff. „Man möchte am liebsten duschen.“ Die sexuellen Belästigungen, | |
vor wenigen Jahren noch ein Problem, seien allerdings deutlich | |
zurückgegangen. Warum das so ist? Darauf hat keiner hier eine Antwort. Dass | |
solche Anrufe selten sind, erleichtert die Arbeit. | |
Es gibt Leute, die wollen beten. Andere wollen Kirchenlieder singen. Bibel | |
und Gesangbuch liegen bereit. Einmal ging der Gesang im Gelächter unter, | |
sagt Feldhoff. Die Anruferin sang die evangelische Version, Feldhoff die | |
katholische. Weinen kann erlösend sein, Lachen aber auch. Missioniert wird | |
nicht. Notlagen ausnutzen, um Bibelverse vorzulesen – wer das versucht, | |
muss gehen. | |
## Eine Lotterie sponsert die Telefonseelsorge | |
Es ist elf Uhr am Vormittag. Dienstbeginn. Ulrike Feldhoff schließt die | |
Tür. Eigentlich müsste darauf ein Bibelspruch geschrieben stehen, ein | |
Jesuswort. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und | |
nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Das würde doch gut passen. An der Tür | |
hängt nur ein Zettel, „Berater KTS“ steht darauf, dazu der Sponsor von | |
Mobiliar und Computer, die „Glücksspirale“. | |
Ausgerechnet eine Lotterie, Sinnbild für Gier, unterstützt die KTS, die | |
[3][Kirchliche Telefonseelsorge]. Ein Mann läuft über den Flur. Uwe Müller, | |
Stoppelbart, Steppweste und auf der Zunge ein selten gewordenes Berlinern, | |
ist der Chef hier. Mehr noch, er hat die ganze Sache aufgebaut. | |
„Sie ist das Gesicht der Telefonseelsorge“, sagt Müller und deutet auf das | |
Zimmer, in dem Ulrike Feldhoff gerade verschwunden ist. „Frau Feldhoff ist | |
die Sprecherin der Ehrenamtlichen.“ Rund 150 Frauen und Männer arbeiten in | |
seinem Team, erzählt Müller. Alle legen größten Wert auf Vertraulichkeit, | |
Anonymität, die Schweigepflicht. Keiner würde plaudern. Das ist die Basis. | |
Kein Anrufer soll wissen, wo die Telefonseelsorge arbeitet. Keiner soll | |
klingeln, um sich persönlich zu bedanken. Oder zu beschweren. Auch die | |
eigenen Nachbarn sollten nichts erfahren. Keiner soll abgehalten werden, | |
zum Hörer zu greifen, nur weil er fürchtet, dass die Nachbarin abnimmt. | |
„Alles richtig“, sagt Müller. Allerdings schafft das ein Problem. | |
Öffentlichkeitsarbeit ist nicht möglich. Das betrifft nicht nur Presse, | |
sondern auch Ehrenamtsmessen, die Berliner Freiwilligenbörse, jeden | |
öffentlichen Auftritt. Wenn man das alles vermeiden wollte, wäre man fast | |
ein Geheimbund. Und so ist es Ulrike Feldhoff, die die Kirchliche | |
Telefonseelsorge hin und wieder nach außen vertritt. | |
## Behutsame Ermutigung zum Sprechen | |
Uwe Müller ermutigt seine Leute behutsam, aus ihrem Seelsorgealltag zu | |
berichten, anonym, diskret, ohne Details. Außenstehende sollen sich | |
vorstellen können, wie der Dienst abläuft, sollen wissen, dass es nicht | |
jeden Tag darum geht, Verzweifelte davon abzubringen, sich etwas anzutun. | |
Oftmals genügt ein Wort, ein Gedanke, ein Stück Hoffnung. „Wenn jemand | |
anruft und nach dem Sinn einer Krankheit fragt, dann kann ich das nicht | |
beantworten“, sagt Müller. „Aber ich kann stellvertretend Hoffnung haben | |
für die, die gerade keine haben.“ Das ist so etwas wie der tiefere Kern der | |
Arbeit. „Ich lege großen Wert darauf, dass man uns abspürt, dass wir ein | |
christliches Menschenbild haben.“ Ein Seelsorger mit fast 35 Jahren | |
Erfahrung hat es so formuliert: „Der Glaube nimmt mir den Druck. Es ist | |
nicht allein meine Verantwortung, denn es sitzt immer noch ein Dritter mit | |
am Tisch.“ | |
Natürlich gibt es „Akutfälle“. Jeden Tag nehmen sich nach Angaben der | |
Stiftung Deutsche Depressionshilfe 25 Menschen das Leben, schätzungsweise | |
500 weitere versuchen es täglich. Pro Jahr sind das etwa 9.300 Suizide. Es | |
kommt vor, dass jemand anruft und eröffnet, dass er eine Überdosis | |
Tabletten genommen hat. Eine Frau, unheilbar krank, erklärte, sie wolle | |
sterben, aber nicht allein. Irgendwann war ihr Atem nicht mehr zu hören. | |
Andere lassen sich umstimmen. | |
Ein Suizid richte sich oft gegen andere, sagt Müller. Wer sollte denn | |
eigentlich sterben? Ich kann mir vorstellen, dass Sie wütend sind. Mit | |
solchen Sätzen könnten tiefsitzende Aggressionen gehoben werden. | |
„Aggression ist nichts Schlimmes, das ist Lebensenergie.“ Man sollte aber | |
wissen, wie man damit umgeht. Es gibt an den Telefonen eine | |
Handlungsanweisung für den Fall, dass sich ein Suizidgefährdeter umstimmen | |
lässt, er aber unter dem Einfluss von Tabletten nicht mehr in der Lage ist, | |
den Notarzt zu rufen, die Wohnungstür zu öffnen. | |
Müller ist in sein Büro gegangen. Für die Telefonseelsorge braucht er | |
Menschen mit Lebens- und mit Krisenerfahrung. Da ist er die Idealbesetzung. | |
Müller, Jahrgang 1959, macht mit 16 eine Lehre als Autoschlosser, treibt | |
sich auf Ostberliner Straßen herum und findet zufällig den Weg in eine | |
Gemeinde und zur kirchlichen Behindertenarbeit. Mit 19 lässt er sich | |
taufen, verweigert den Wehrdienst und kommt in den Knast. Weil seine Mutter | |
unter der Belastung zusammenbricht, gibt Müller nach, geht zur Armee und | |
ist Schikanen ausgesetzt. | |
## Aus den Anfängen zu DDR-Zeiten | |
Nach der Entlassung studiert er Sozialpädagogik an einer kirchlichen | |
Hochschule. Müller, der selbst einmal an Straßenecken abgehangen hat, | |
kümmert sich anschließend in der Offenen Arbeit, einem damals neuen | |
sozialdiakonischen Ansatz, um Gestrandete, für die es keinen Platz in der | |
„sozialistischen Gesellschaftsordnung“ gibt oder die ihn partout nicht | |
einnehmen wollen. Im Prinzip ist die Telefonseelsorge, die Müller ab 1987 | |
in der DDR aufbaut, die Fortsetzung dieses Konzepts. Dass es kaum Telefone | |
gab, dass sich oft genug die Stasi zwischenschaltete, das alles schränkte | |
Seelsorge ein, entwertete sie aber nicht. „Die Leute haben sich den Wecker | |
gestellt und sind nachts zur Telefonzelle gegangen“, erinnert sich Müller. | |
Inzwischen ist seine Gründung eine der größten | |
Telefonseelsorgeeinrichtungen in Deutschland mit nur zwei Hauptamtlichen | |
und einem Haushalt von 260.000 Euro im Jahr. Im Verbund mit drei weiteren | |
Stellen in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) decken insgesamt 340 | |
Ehrenamtliche einen Einzugsbereich von 17 Millionen Menschen zwischen | |
Norddeutschland und Sachsen ab, die 2020 rund 52.800 Anrufe | |
entgegengenommen haben. | |
Das Haus im alten Ostberlin ist zu einem Seelsorgezentrum geworden. Hier | |
haben sich neben der Kirchlichen Telefonseelsorge, das | |
Coronaseelsorgetelefon, ein Kinder- und Jugendtelefon, eine jüdische | |
Telefonseelsorge in russischer Sprache und ein mehrsprachiges muslimisches | |
Seelsorgetelefon etabliert. Wer will, kann sich online beraten lassen. | |
Kurzum – hier hat jemand ein seelsorgerliches Opus magnum geschaffen. Es | |
dürfte für die fünf kirchlichen Träger nicht einfach werden, in wenigen | |
Jahren einen Nachfolger für Müller zu finden. | |
## Die Dauerthemen: Verlustängste, Liebesentzug, Kränkungen | |
Haben sich die Motive geändert? Müller, der auch heute noch Seelsorgedienst | |
hat, verneint. Verlustängste, die Angst, zurückgewiesen zu werden, | |
Liebesentzug, Kränkungen – es ist der ewige Stoff, der die Seele bedrückt. | |
Aber was ist das eigentlich, die Seele? Er kommt ja aus der Offenen | |
Sozialarbeit, beginnt Müller, aber „Deckel drauf, Kiste zu, das war’s!“ … | |
auch damals nicht das abgebrühte Credo. Dann zitiert Müller den „alten | |
[4][Fischbeck]“, einen frommen Physiker und eine Berühmtheit in der | |
DDR-Opposition: „Seele ist Energie, und Energie geht nicht verloren!“ Ein | |
schlüssiger Gedanke, und ein tröstlicher dazu. „Wir wissen nicht, wohin | |
diese Energie geht“, sagt Müller, doch einen Ort, „um weiter gut zu | |
wirken“, den suche sie sich. | |
Und noch etwas braucht die Seele – Futter. Das spürt Müller nicht nur bei | |
den Anrufen, sondern auch in seinem Team. Im ersten Lockdown haben seine | |
Leute Sonderschichten gemacht, es gab zusätzliche Leitungen. Die Zahl der | |
Anrufe hatte sich verdoppelt. Eines Tages kam eine Mitarbeiterin zu Müller | |
und sagte, sie könne nicht mehr arbeiten, wenn ihre Seele nicht gefüttert | |
werde. Ihr Futter, das waren Theater, Philharmonie, das Konzert-Abo. Alles | |
unterbrochen, alles unzugänglich. Sie hat die Telefonseelsorge verlassen. | |
„Ich muss rausgehen können, in die Natur, in das Museum, in die | |
Ausstellung“, bekräftigt Müller. „So hat jeder sein Futter, solange er si… | |
nicht die Hucke vollsäuft.“ | |
In Müllers Bücherregal steht eine Batterie Weinflaschen. Futter für die | |
Seele? In gewisser Weise schon. Der Wein war für die Adventsfeier auf dem | |
Innenhof gedacht, wo man zusammenkommen wollte. Solche Stunden sind | |
wichtig. Alle, die ehrenamtlich in Müllers Team arbeiten, betonen, wie | |
wertvoll für sie die Gemeinschaft ist. Müller hat die Feier wegen der | |
Pandemie absagen müssen. Auch für die Telefonseelsorge wird es schwieriger. | |
Wer ins Haus hineinwill, muss unbedingt getestet sein. Die Telefone müssen | |
schließlich besetzt bleiben. | |
Ulrike Feldhoff steht in der Küche, trinkt einen Kaffee. Halbzeit. Nach | |
jedem Gespräch kann man sein Telefon abmelden, die Anrufe werden dann von | |
der Telekom, die die Kosten der Telefonate übernimmt, auf andere Apparate | |
in anderen Orten geleitet. Niemand muss warten. Wie viel Gespräche waren es | |
bis jetzt? „Vier, fünf“, sagt Feldhoff, zwei sehr kurze, die anderen | |
länger. Die meisten dauern zwischen 15 und 45 Minuten. Die sehr kurzen | |
könnte man unter Scherzanrufe abtun. „Testanrufe“ nennt man sie hier aber. | |
Sollte jemand aus Jux die Nummer wählen, weiß er, dass am anderen Ende | |
jemand abnimmt, für den Ernstfall. | |
Ulrike Feldhoff, die in der Pharmaindustrie gearbeitet hat, ist 1996 über | |
eine Anzeige in einer Kirchenzeitung zur Telefonseelsorge gekommen. | |
Feldhoff, katholisch erzogen, aufgewachsen in Essen, wollte sich wieder | |
ehrenamtlich engagieren, nachdem sie zur katholischen Kirche auf Abstand | |
gegangen war. Es hätte auch etwas anderes sein können, sagt Ulrike | |
Feldhoff, sicher auch etwas Leichteres. Die einjährige Ausbildung führt an | |
Grenzen, der Dienst tut es auch. Geld gibt es keins, auch keine | |
Aufwandsentschädigung. Was bleibt, ist der Gotteslohn. Warum macht sie das? | |
„Man kriegt jede Menge zurück, und man lernt eine Menge.“ Über andere | |
Menschen, andere Realitäten, andere Lebensentwürfe. | |
Redet man mit anderen aus dem Team, hört man immer wieder von diesen | |
Motiven – das Leben in all seinen Facetten kennenlernen, sich dabei selbst | |
verstehen und darüber im Gespräch bleiben mit der Gruppe. Es muss wie eine | |
immerwährende Reise zum eigenen Selbst sein. Das gibt tiefe Zufriedenheit, | |
das gibt Halt, vielleicht sogar Weisheit. Monatlich treffen sie sich zur | |
Supervision. | |
## Die Ausbildung: Nichts für schwache Seelen | |
Insbesondere das Ausbildungsjahr hat es in sich. „Wer die Ausbildung macht, | |
der lernt was über sich und das Leben“, sagt Uwe Müller lakonisch und zieht | |
ein Paket Taschentücher aus der Weste. Die habe er immer dabei, denn es | |
fließen Tränen. Warum diese Tortur? Es komme oft vor, dass | |
Telefonseelsorger in der Lebensgeschichte, die ein Anrufer preisgibt, | |
plötzlich das eigene Drama erkennen. Darauf sollten sie vorbereitet sein. | |
Heiligabend ist ein besonderer Tag. Aber nicht, weil es besonders schwere | |
Anrufe zu bewältigen gäbe. Die Weihnachtszeit mit ihren Erwartungen, | |
Enttäuschungen und der ganzen Kümmernis beginne schon viel früher, sagt | |
Müller. Heiligabend hingegen rufen viele an, um Danke zu sagen für die | |
Hilfe und die Zeit, die unbekannte Menschen unbekannten Menschen erwiesen | |
haben. Auch so etwas wie Bescherung. Zu Silvester wiederhole sich das. Und | |
danach beginnt es wieder von vorn. | |
23 Dec 2021 | |
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Thomas Gerlach | |
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