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# taz.de -- Coronaproteste in Wien: Mit Judenstern gegen die Impfpflicht
> In Österreich haben Zehntausende gegen den kommenden Lockdown und die
> Impfpflicht demonstriert. Mit dabei: Rechtsextreme, die FPÖ und Xavier
> Naidoo.
Bild: Randale in Wien: Am Wochenende sind Rechte und Impfgegner auf die Straße…
Wien taz | Mit gelben Judensternen auf der Brust und der Aufschrift
„Ungeimpft“ [1][protestierten am Samstag] manche Demonstranten gegen den
bevorstehenden Lockdown und die kommende Impfpflicht in Österreich. Rund
40.000 aufgebrachte Menschen zogen am Nachmittag um die Wiener Innenstadt
und trafen sich zu einer Schlusskundgebung auf dem Ballhausplatz vor dem
Kanzleramt.
Rufe wie „Österreich ist jetzt eine Diktatur“ und „Die Türkis-grüne
Regierung muss weg“ schallten aus der aufgebrachten Menge. Die Polizei
meldete am Abend zehn Festnahmen und gleich viele Anzeigen nach dem
NS-Verbotsgesetz oder wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Vereinzelt
kam es zu Scharmützeln, wo Polizisten auf fliegende Flaschen und Bierdosen
mit Pfefferspray und Nebelwerfern reagierten. Trotz randalierender
Hooligans, brüllender Betrunkener und dem Auftritt schwarz vermummter
Männer mit Fackeln hielten sich die Ausschreitungen aber in Grenzen.
Was manche für Satire hielten, nahmen offenbar viele Demonstrierende für
bare Münze. Etwa den Aufruf über die sozialen Medien, sich mit Stiefeln
gegen Zwangsimpfungen durch unter Kanaldeckeln lauernde Polizisten zu
schützen oder für Impfregen aus Polizeihubschraubern gerüstet zu sein:
„Körperöffnungen dicht halten!“.
Neben eindeutig als rechtsextrem identifizierbaren Gruppen marschierten
viele Leute, deren Erscheinung die profil-Journalistin und Expertin für
Hass im Netz, Ingrid Brodnig, als „wie die Nachbarin oder die nette Tante“
beschreibt – allerdings ausgerüstet mit problematischen Transparenten und
ohne Berührungsängste gegenüber den rechtsextremen Organisatoren. Besonders
erschüttert habe sie eine Frau, die ihr ins Mikrophon sagte, sie würde
lieber sterben, als sich impfen zu lassen.
## Krude Theorien und blockierte Notaufnahmen
Falschmeldungen wie vertuschtes Massensterben durch Impfungen, oder dass
das Virus eigentlich harmlos sei, machten die Runde, obwohl täglich über
das Leiden und Sterben in den überlasteten Krankenhäusern berichtet wird.
Auf der FPÖ-Bühne trat die Ärztin Maria Hubmer-Mogg auf, die das von
Parteichef Herbert Kickl empfohlene [2][Pferdeentwurmungsmittel] als
Covid-Therapie pries.
Kickl selbst konnte nur per Videoschaltung teilnehmen und die jetzt
endgültig ausgebrochene „Diktatur“ geißeln: Er befindet sich mit einer
Corona-Infektion in Quarantäne. Einen Auftritt hatte auch der Sänger Xavier
Naidoo, der mit einer Verschwörungs-Fangemeinde aus Deutschland angereist
war.
Das Gesundheitsministerium meldete am Samstag zum dritten Mal in Folge über
15.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die Bundesregierung hat daher ab
Montag einen [3][zwanzigtägigen Lockdown] verhängt und will am 1. Februar
2022 eine allgemeine Covid-Impfpflicht einführen. Damit hat sie das
Versprechen, eine solche sei weder geplant noch notwendig, gebrochen.
[4][Ex-Kanzler Sebastian Kurz], der im Sommer mit der Frohbotschaft, die
Pandemie sei für Geimpfte vorbei, Popularitätspunkte gemacht hatte, wird
immer mehr mit dem nackten Kaiser aus dem Märchen verglichen.
In Österreich waren zuletzt magere 64 Prozent vollimmunisiert und 69
Prozent unvollständig geimpft. Die Impfpflicht, so waren sich
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Diskussionsrunden am Wochenende
weitgehend einig, habe die bereits bestehende Polarisierung der
Gesellschaft weiter angeheizt. Bundeskanzler Alexander Schallenberg hatte
das unsolidarische Verhalten der Impfverweigerer für die drastischen
Maßnahmen verantwortlich gemacht. Die Opposition hält der Regierung aber
auch vor, sie habe zu lange geschlafen und zu halbherzig zum Impfen
aufgerufen.
Über soziale Medien ergingen zuletzt Aufrufe, vor Kliniken zu
demonstrieren. Schon am Donnerstag hatten Gegner von Coronamaßnahmen in
Oberösterreich die Notaufnahme eines Krankenhauses blockiert. „Sogar in den
schlimmsten Kriegen waren Gesundheitseinrichtungen immer neutrale Zonen“,
zeigt Reinhard Waldhör von der Gewerkschaft für Gesundheitsberufe in der
Kronen Zeitung vom Sonntag kein Verständnis für diese Aktionen: „Wir haben
Land unter und saufen gerade regelrecht ab. Und dann kommt ernsthaft der
Aufruf zu diesen Superspreader-Veranstaltungen!?“
21 Nov 2021
## LINKS
[1] /Corona-Proteste-in-Wien/!5816765
[2] /US-Comedian-Joe-Rogan-hat-Corona/!5793056
[3] /Lockdown-in-Oesterreich/!5816678
[4] /Oesterreichs-Ex-Bundeskanzler-Kurz/!5816203
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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