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# taz.de -- Nobelpreis für Literatur: Interessant erwischt
> Man hätte Abdulrazak Gurnah auch kennen können. Denn der Autor verhandelt
> postkoloniale Fragen, die derzeit auch hier vehement diskutiert werden.
Bild: Ausstellung seiner Bücher bei der Verkündung des Nobelpreises für Lite…
Überraschung also. Schon wieder. Jetzt hat die Schwedische Akademie in
Stockholm, die die [1][Nobelpreise für Literatur] vergibt, zum zweiten Mal
in Folge auch viele eingefleischte Literaturexpert*innen in
Deutschland auf dem falschen Fuß erwischt. Im vergangenen Jahr hat sie in
Louise Glück eine Lyrikerin ausgezeichnet, die hierzulande wenig gelesen
wird – die in den USA allerdings eine sehr wichtige Rolle in den
literarischen Debatten spielt. Dieses Jahr sind im Vorfeld Namen wie Annie
Ernaux, Margaret Atwood oder Ngũgĩ wa Thiong’o erwartet worden. Doch die
Akademie hat [2][Abdulrazak Gurnah] ausgezeichnet, einen Autor also, den –
es fällt einem kein Zacken aus der Krone, wenn man das zugibt – auch
Literaturredakteure wie ich bislang nicht kannten.
Doch sobald man sich nur ein bisschen informiert, stellt man fest, dass das
Nichtkennen tatsächlich ein Defizit ist, ein selbstverschuldetes noch dazu.
Denn man hätte Abdulrazak Gurnah kennen können. Man braucht nur zu googeln
und herumzutelefonieren, sich über soziale Medien Hinweise zuspielen zu
lassen, wo Aufschlussreiches über diesen Autor steht, und erkennt, dass es
hier einen interessanten Autor zu entdecken gibt – zumal im Bereich des
Postkolonialen, der in Deutschland derzeit breit diskutiert wird, Stichwort
[3][Humboldt-Forum]. Es brauchte erst die Schwedische Akademie und den
Nobelpreis, um einen darauf zu stoßen.
Was sagt einem das, über die Tatsache hinaus, dass es nun ein paar Romane
nachzuholen gibt, seien es die bislang ins Deutsche übersetzten, seien es
die noch nicht übersetzten englischsprachigen Bücher, die nun sicherlich
bald auch einen deutschen Verlag finden werden? Es sagt einem zum Beispiel,
dass der deutschsprachige Literaturbetrieb keineswegs der Nabel der Welt
ist. Man weiß das natürlich irgendwie. Man vergisst es aber auch immer
wieder, etwa dann, wenn man den Nobelpreis daran messen würde, inwieweit er
einem die Autorinnen und Autoren, die man sowieso schon kennt, nur
zurückspiegelt.
Und die Entscheidung ist auch ein starkes Indiz dafür, dass die Zeiten, in
denen die Nobelpreisträger immer auch als nationale Repräsentanten gelesen
wurden, endgültig vorbei sind. Anerkennung für die jeweilige nationale
Literatur mag ganz schön sein – und die deutschsprachige Literaturwelt hat
in der Geschichte des Nobelpreises einige Anerkennung erfahren. Aber viel
interessanter und herausfordernder ist es doch, darauf hingewiesen zu
werden, wie breit und themenstark die internationale Debatte über Literatur
ist. So, wie es das Nobelpreiskomitee mit dem Preisträger dieses Jahres
tut.
Vom Literaturnobelpreis hieß es in den vergangenen Jahren, er sei in der
Krise. Die aktuellen Entscheidungen deuten allerdings eher darauf hin, dass
er sich interessant neu aufstellt.
7 Oct 2021
## LINKS
[1] /Neue-Buecher-ueber-Bob-Dylan/!5769688
[2] /Nobelpreis-fuer-Literatur/!5806766
[3] /Raubkunst-im-Humboldt-Forum/!5796998
## AUTOREN
Dirk Knipphals
## TAGS
Deutscher Kolonialismus
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