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# taz.de -- Wahlplakate im taz-Check: Berlin hat Hangover
> Mehr als 100.000 Plakate wollen die Parteien an Laternenmasten und auf
> Stellwände kleben. Und was steht da drauf? Wir gucken hin.
Bild: Der (Wahl-)Kampf um die besten Plätze hat begonnen
Berlin taz | Seit Sonntag um 0 Uhr dürfen die [1][Parteien ihre Wahlplakate
kleben]. Fast 105.000 Plakate, das Gros sind mit 102.500 Exemplaren die
kleineren Formate an Laternenmasten, wollen alleine die sechs im
Landesparlament vertretenen Parteien anbringen. Weil das Anbringen als
„Straßensondernutzung“ gilt, ist Plakatieren erst sieben Wochen vor einer
Wahl erlaubt.
Am 26. September wählt Berlin ein neues Abgeordnetenhaus sowie die
Bezirksverordnetenversammlungen. Außerdem ist Bundestagswahl. Schließlich
können die BerlinerInnen auch noch über das Volksbegehren „Deutsche Wohnen
und Co enteignen“ abstimmen, das Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen
vergesellschaften will.
Insgesamt 34 Parteien hat die Landeswahlleitung mit Landes- bzw.
Bezirkslisten zugelassen. Bei der letzten Wahl 2016 waren es 21. Wegen der
Pandemie sind die Zulassungshürden deutlich gesenkt worden, die Parteien
mussten deutlich weniger Unterstützer-Unterschriften sammeln.
Und wer wirbt da nun für wen und verspricht was?
## Vorwärts, Pioniere!
Es gibt ein Plakat der Berliner SPD, das nicht die [2][Spitzenkandidatin
Franziska Giffey] zeigt; darauf steht: „Wer Giffey will, muss SPD wählen.“
Die Partei hat sich der ehemaligen Familienministerin ausgeliefert, was
angesichts des ramponierten Images der Sozialdemokraten keine schlechte
Idee sein muss. Ein ehrlicher Slogan hätte daher auch heißen können:
„Giffey statt SPD“. Vom Markenkern der Partei, deren Herz nicht mehr weich,
sondern kantig ist, ist wenig zu sehen – sieht man vom
Thälmann-Pionier-Halstuch des Hundes ab.
Die Kandidatin selbst setzt auf knalliges AfD-Blau, akkuraten Scheitel und
das Thema Sicherheit. Ob sie vor Kampfkötern und Tätowierten schützen oder
die Wurstversorgung garantieren will, bleibt ungewiss. Immerhin der
Ausdruck ist sympathisch. Doch statt „Alle im Blick“ hat Giffey nur Augen
für den Hund. Womöglich mag sie Tiere einfach lieber als Mieter*innen. Erik
Peter
## Das Du geht in Ordnung!
Man achte auf den Riemen der Umhängetasche über Klaus Lederers Schulter.
Der Spitzenkandidat ist auf dem Sprung, klar, hat viel zu tun, aber er
kümmert sich auch, nimmt sich Zeit. Im Vordergrund sein Gegenüber, dem er
sich zuwendet, im Hintergrund ein Stück Stadt. „Eure Stadt. Klaus Lederer“,
steht darunter, und das kumpelige Du geht wegen der Schultertasche knapp in
Ordnung.
Tatsächlich verzeiht man der Linken die Emomasche beim Wohnthema noch am
ehesten: Immerhin sind sie die Einzigen, die das
[3][Enteignungsvolksbegehren klar unterstützen]. Anna Klöpper
## Ein echter Weggucker
So eine Farbe haben in Comics Figuren im Gesicht, denen sehr übel ist.
Wieso die Grünen ihre Kampagne mit einem solchen Farbton unter- oder
überlegt haben, der allem Frohsinn abschwört, der ihrem Namen innewohnt,
und warum sie ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und alle auf weiteren
Plakaten abgebildeten Personen in ein so morbides Grün tauchen, das aus
Parteisicht lindgrün ist, bleibt unerklärlich.
Auf so ein Plakat mag man (und frau mutmaßlich ebenso) nicht lange schauen
– was die Idee eines Plakats als möglichst lange währender Blickfang
konterkariert. Kurzum: der Tiefpunkt im Berliner Plakatewahlkampf. Stefan
Alberti
## Immerhin intelligent
Das soll wohl heißen: Stimmt am 26. September bloß nicht für irgendeine
nicht näher bezeichnete linke Partei, denn die will euch das Autofahren
verbieten. Immerhin zeigt sich die FDP damit anspruchsvoll. Denn das
Wortspiel mit dem Abbiegen aus dem Verkehrsvokabular ins Wählen zu
übersetzen, erfordert eine gewisse Transferleistung, gerade beim kurzen
Blick aus dem Autofenster im Vorbeifahren.
Inhaltlich stimmt es natürlich nicht, weil noch nicht mal die Grünen das
Autofahren an sich verbieten, sondern nur [4][Autos mit Verbrennungsmotor
aus der Stadt verbannen] wollen. Aber Zuspitzung gehört eben zum Geschäft.
Stefan Alberti
## Chance für sich selbst
Da sitzt er, der zukunftsgewandte Kai Wegner, und redet im hippen Mauerpark
mit Berlins Jugend über Chancen. Meinen wird Wegner aber wohl nur eine ganz
bestimmte Form von Chancen, weshalb auch keine Punks oder etwa Menschen aus
der Rummelsburger Bucht neben Wegner sitzen, sondern eine Gruppe young
professionals. Vielleicht reden sie über Möglichkeiten, in der Wirtschaft
sehr viel Geld zu verdienen.
Nicht mit ihnen reden wird Wegner wohl über ihre Chancen, proaktiv etwas
gegen die Macht der Wohnungskonzerne zu unternehmen, was ihnen wohl
tatsächlich Chancen eröffnen würde – solche auf bezahlbaren Wohnraum etwa.
Die CDU übt sich im Spagat, große Veränderungen anzukündigen, sich aber
vehement gegen jede Form von tatsächlicher Veränderung zu wehren. Die
größte Chance auf Aufstieg aller Menschen auf dem Bild hat jedenfalls
Wegner selbst. Timm Kühn
## Auf Stimmenfang rechts
Es ist der kleinste gemeinsame Nenner: keine Attacken gegen die politischen
Gegner, nicht einmal ein eigenes Argument schmückt das Plakat der
[5][Enteignungskampagne]. Artikuliert werden stattdessen die Ängste vieler
Berliner:innen; dass es nämlich angesichts steigender Mieten und
Verdrängung tatsächlich fraglich ist, ob Berlin für alle ein Zuhause
bleiben kann.
Das massentaugliche Appellieren an Heimatgefühle ist deshalb vermutlich
Programm; schließlich sollen auch Stimmen jenseits des linken Spektrums
eingefangen werden – und dort lehnt man radikale Veränderung ja bekanntlich
besonders ab. Timm Kühn
11 Aug 2021
## LINKS
[1] /Plakate-der-Parteien-zur-Wahl/!5786720
[2] /Wahlkampagne-der-SPD-in-Berlin/!5789367
[3] /Volksentscheid-Enteignung-in-Berlin/!5781807
[4] /Wahlkampf-an-der-A100/!5788094
[5] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694
## AUTOREN
Stefan Alberti
Anna Klöpper
Timm Kühn
Erik Peter
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