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# taz.de -- Forscher über guten Journalismus: „Medien müssen Demokratie leb…
> Wie steht es um Vielfalt und Freiheit im Journalismus? Das untersucht der
> „Media for Democracy Monitor“. Defizite seien unbestreitbar, sagen die
> Forscher.
Bild: „Medien sollten intern einen demokratischen Diskurs pflegen“: Verlags…
taz: Weil gewaltsame Angriffe auf Journalist*innen 2020 zunahmen,
[1][hat Reporter ohne Grenzen in seiner „Rangliste der Pressefreiheit“]
Deutschland diese Woche von „gut“ auf „zufriedenstellend“ herabgestuft.
Herr Trappel, Herr Tomaz, Sie haben mit dem [2][„Media for Democracy
Monitor“] ebenfalls Bedingungen für guten Journalismus erforscht. Angriffe
spielen bei Ihnen aber kaum eine Rolle. Warum?
Josef Trappel: Reporter ohne Grenzen bewertet eine Medienlandschaft. Wenn
es also Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten gibt, dann wirkt
sich das nachteilig aus aufs Ranking. Wir hingegen fragen im „Media vor
Democracy Monitor“: Welche Leistungen bringen führende Nachrichtenmedien
für die Demokratie? Da spielt es genau genommen keine Rolle, ob es Angriffe
gibt, sondern wir schauen: Wie reagieren Leitmedien? Wie können
Journalistinnen und Journalisten geschützt werden, auch bei Bedrohungen aus
dem Netz? Wenn es bei Medien etwa Einrichtungen zur Betreuung gibt, wo man
juristisch beraten wird, dann bewerten wir das positiv.
Tales Tomaz: Da sind die deutschen Leitmedien relativ gut. Wir messen mit
einem Indikator, wie die Medien auf Bedrohungen reagieren. Hier sind die
meisten Leitmedien, die wir international erforscht haben, relativ gut.
Wir sprechen jetzt von unterschiedlichen Bedrohungen: Gewalt und Pöbeleien
unterwegs und Hetze und Bedrohung im Netz. Da müssten die Reaktionen doch
sicher unterschiedlich ausfallen.
Trappel: Natürlich. Bei Onlinebedrohungen geht es vor allem darum, Schaden
von der Psyche der betroffenen Personen abzuwenden und Belästigung vor
allem rechtlich zu verfolgen. Bei Angriffen während der Arbeit geht es dann
schon um physischen Schutz. Gegebenenfalls um Kooperation mit der Polizei.
Das fällt bei uns beides unter den genannten Indikator, bei dem Deutschland
recht gut abschneidet.
Weniger gut schneidet Deutschland ab bei zwei anderen Indikatoren:
Gleichstellung und „Demokratie innerhalb der Redaktionen“. Was bedeutet
das?
Trappel: Medien sollen demokratische Diskurse in der Öffentlichkeit
stützen. Wir gehen von der Annahme aus, dass Medien dafür auch intern einen
demokratischen Diskurs pflegen sollten. Wir finden es schwer vorstellbar,
dass Journalistinnen und Journalisten den Menschen die Demokratie erklären,
aber selbst keine Demokratie leben. Wenn sie in einer sehr hierarchischen
Organisation arbeiten, können sie kaum demokratische Institutionen
wirkungsvoll zur Verantwortung ziehen. Daher interessiert uns, wie in einer
Redaktion Entscheidungen zustande kommen. Wir haben festgestellt, dass es
in Deutschland sehr wenige institutionalisierte Formen redaktionsinterner
Demokratie gibt.
Sie meinen eine Chefredaktions-Urwahl?
Trappel: Durchaus üblich in manchen Ländern, etwa Portugal, wo es eine
demokratische Kultur im Journalismus gibt, wo Journalistinnen und
Journalisten etwa die Leitungsfunktionen mitbestimmen. Am anderen Ende des
Spektrums liegt etwa Großbritannien: Da setzt der Mehrheitseigentümer die
Chefredaktion ein, ohne dass die Betroffenen mitreden können.
Wo liegen deutsche Leitmedien demokratisch zwischen Portugal und
Großbritannien?
Tomaz: Näher an Großbritannien. In Deutschland werden Leitungsfunktionen
nur sehr selten von den Journalist*innen selbst bestimmt, sondern vom
Management. Da gibt es einige Länder, wo das besser läuft – etwa auch die
Niederlande, wo Redaktionsleitungen gewählt werden, ohne dass das
Management ein Veto hätte. Das war der entscheidende Faktor dafür, dass wir
diesen Indikator in Deutschland schlecht bewertet haben.
Und die Gleichstellung?
Trappel: Da haben wir uns zwei Fragen gestellt. Einerseits: Wie häufig sind
Frauen als Journalistinnen in den Redaktionen und Unternehmen vertreten –
auch in Leitungspositionen? Hier haben wir im Vergleich zum letzten
„Monitor“ vor zehn Jahren durchaus Fortschritte verzeichnet. Die zweite
Frage war: Wie und in welchen Rollen kommen Frauen in der Berichterstattung
vor? Das ist vielleicht die wichtigere Frage. Hier sehen wir keinen
Fortschritt. Frauen sind erstens nach wie vor unterrepräsentiert, zweitens
sind sie auf Rollen festgelegt, die von Geschlechterklischees geprägt sind
– auf sogenannte weiche Themen –, kaum als Expertinnen für Politik,
Ökonomie oder Technik. Da sehen wir durch alle 18 Länder großen
Nachholbedarf. Und das ist eine Entscheidung, die die Redaktionen treffen.
Sie wählen die Expertinnen und Experten aus.
Tomaz: In Deutschland haben wir zum Beispiel erhoben, dass nur 22 Prozent
der Expert*innen, die in der Coronakrise zu Wort kamen, Frauen waren. Es
fehlen in den Redaktionen also noch Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die
Berichterstattung die Gleichstellung widerspiegelt.
Haben Sie weitere Kategorien von Diskriminierung untersucht?
Tomaz: Ethnische Minderheiten haben wir ebenfalls recherchiert. Hier war
die Leistung interessanterweise besser als bei Gender. Das könnte man so
erklären, dass Gender inzwischen selbstverständlicher geworden ist, sodass
sich Redaktionen nicht mehr unbedingt mit expliziten Maßnahmen darum
kümmern. Diskussionen über ethnische Minderheiten gab es jedoch letzthin
verstärkt.
Nicht ganz so viel Punktabzug gibt es im Bereich Medienkonzentration.
Könnte man überraschend finden, denn immer mehr lokale Redaktionen
verschmelzen oder werden aus der Ferne mit Inhalten beliefert. Bald könnte
es zu einer Fusion des Verlagshauses Gruner + Jahr mit dem Privatsender RTL
kommen. Warum sehen Sie das Thema Medienkonzentration noch vergleichsweise
entspannt?
Trappel: Das ist der Punkt, vergleichsweise entspannt. Nicht
unproblematisch, aber unsere Messung ist relational. Deutschland steht
immer noch besser da als viele andere Länder. Wir messen lokale und
nationale Medienkonzentration, bei beidem erhält Deutschland zwei von drei
möglichen Punkten. Bundesweit sieht es in Deutschland bei der nationalen
Medienkonzentration relativ gut aus, es gibt eine hinreichende Anzahl von
landesweit sendenden Medien in Print, Fernsehen, Radio und online – da ist
Deutschland zum Teil auch wegen seiner Größe gegenüber kleineren Ländern
besser aufgestellt. Auf der regionalen Ebene, das ist richtig, gibt es auch
in Deutschland immer mehr Bereiche, die nur von einem Medium bespielt
werden. Da spielt dann aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine
entscheidende Rolle, der ergänzend regionale Berichterstattung anbietet.
Würde man die Printzeitungen alleine betrachten, wäre die Punktzahl wohl
niedriger.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk rettet die Note?
Trappel: Im regionalen Bereich, ja. Nehmen wir zum Vergleich Österreich.
Hier gibt es in sechs von neun Bundesländern nur noch je eine Tageszeitung.
Die zweite Stimme kommt dann vom öffentlichen Rundfunk. Gäbe es ihn nicht,
dann hätten wir eine Situation wie in der USA, wo in vielen Teilen des
Landes den Menschen keine zweite Quelle zur Verfügung steht.
Tomaz: Wir erforschen wie gesagt nur Leitmedien, kleinere Medien gehen in
unserer Studie leider verloren. Bei den großen Medien hingegen haben wir im
Vergleich zur letzten Studie 2011 eine Verbesserung festgestellt. Da hat
sich die Konzentration der Medien verringert. Dadurch und durch den
Vergleich zu anderen Ländern wirkt die Situation in Deutschland recht
positiv. Man muss aber dazusagen, dass auch dieser Indikator einer war, bei
dem alle Länder in der Studie eher schlecht abschnitten.
Es ist keine Medien-Gründerzeit, eher eine Zeit der Konsolidierung und des
Schrumpfens. Was müsste passieren, ökonomisch, politisch, gesellschaftlich,
damit Medienvielfalt zunimmt?
Trappel: Wir sehen immerhin, dass die Onlinedynamik zusätzliche Vielfalt
herstellt. Nicht in der Art, wie wir das von größeren Unternehmen gewohnt
sind – aber Online-only-Medien entfalten in vielen Ländern durchaus
politische Kraft. Etwa in den baltischen Ländern und in Osteuropa
beobachten wir das. In Ländern der alten Demokratien, wie Deutschland, ist
es eher so, dass diese Onlinedynamik bereits aufgesaugt worden ist von den
bestehenden Medienkonzernen. Zweitens sehen wir, dass die Nachfrage und das
Angebot an investigativem Journalismus steigt, was uns freut. Und
schließlich noch eins: Das Mediengeschäft mag kein hervorragendes Geschäft
mehr sein, wie früher, aber es ist immer noch ein gutes Geschäft.
25 Apr 2021
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-Deutschland/!5768012
[2] https://kowi.uni-salzburg.at/ergebnisse-des-media-for-democracy-monitor-202…
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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