| # taz.de -- US-Medien und Donald Trump: Ohne dich ist alles anders | |
| > Seit Trump die Medienbühne verlassen hat, sinkt die Reichweite der großen | |
| > Sender und Zeitungen in den USA. Gibt es einen Zusammenhang? | |
| Bild: Jahrelang lief ihm alles hinterher, was ein Mikro hatte (Aufnahme vom ver… | |
| So zäh wie die Zeit manchen gerade vergeht, mag es erscheinen, als wäre es | |
| Ewigkeiten her, dass die Vereinigten Staaten einen Präsidenten hatten, dem | |
| die Journalist*innen des Landes für ein paar selbstgefällige Zitate auf | |
| seinem Golfplatz hinterherrannten. Ist es aber nicht. Es sind am Montag | |
| gerade mal drei Monate. | |
| Für eine Medienbranche im Umbruch ist das eine Zigarettenpause. Trotzdem | |
| gibt es längst jede Menge Analysen, wie die Medienära nach dem | |
| Medienpräsidenten aussehen könnte. Polarisierter Meinungsjournalismus, | |
| Echokammern, rechte Fake News – für die Klickzahlen war das teilweise sehr | |
| gut, für die Qualität des Journalismus nicht unbedingt. Nun ist Trump weg. | |
| Und jetzt? | |
| Eine viel beachtete Nachricht der letzten Tage ist das Einbrechen der | |
| Nutzungszahlen bei vielen großen US-Nachrichtenmedien. Beim Sender CNN, | |
| gegen den Donald Trump regelmäßig austeilte, gingen die Zuschauerzahlen in | |
| der Hauptsendezeit im März 2021 im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 Prozent | |
| zurück, gibt das Marktforschungsunternehmen Nielsen durch. Was Trumps | |
| Lieblingsfeindinnen in der Presse angeht: Für die New York Times | |
| verzeichnet das Forschungsunternehmen ComScore 30 Prozent weniger | |
| Onlinebesuche seit November, bei der Washington Post 27 Prozent. | |
| Das bestätigt erst einmal alle, die überzeugt sind, [1][dass der | |
| Journalismus von Trump profitiert habe]. Darunter Trump selbst. Womit wir | |
| wieder auf dem Golfplatz wären. In Florida genauer, und zwar im Dezember | |
| 2017. Damals sagte Trump der New York Times, die ihm bei einer Partie auf | |
| den Fersen war: „Ohne mich gehen die Medien unter.“ Ein Satz, den jetzt | |
| gerade viele wieder ausgraben. | |
| ## Es gibt schlechtere Werbung | |
| Nach der Wahl Trumps zum Präsidenten im Jahr 2016 verzeichnete die New York | |
| Times massive Zugewinne bei den digitalen Abos. Und noch in den letzten | |
| Tagen von Trumps Amtszeit verzeichnete die Zeitung [2][800 Millionen | |
| US-Dollar jährliche Einnahmen mit digitalen Angeboten] – doppelt so viele | |
| wie 2015 vor Trumps Kandidatur. | |
| Das Ganze heißt im US-Mediensprech „Trump Bump“, also Trumps Hügelchen. D… | |
| Trump-Ära, so die These, zeichnete sich aus durch drei Dinge, die | |
| Journalismus guttun: eine permanente Nachrichten-Großlage, meist ausgelöst | |
| durch morgendliche Trump-Tweets: ein ständiges Wir-gegen-die zwischen den | |
| politischen Lagern, was eine Nachfrage nach Bestätigung der eigenen Haltung | |
| erzeugt; und schließlich waren die Medien selbst ständig im Gespräch, oft | |
| genug durch den Präsidenten selbst. Es gibt schlechtere Werbung. | |
| Ohne Trump, so nun die Idee, fallen die Newsmedien zurück in den | |
| Abwärtstrend, dem sie vorher ausgesetzt waren. „Trump Slump“ heißt der | |
| Effekt jetzt schon. Von Trumps Hügelchen also in Trumps Senke. | |
| Trump. Trump. Trump. | |
| ## Vielleicht eine Erholungspause | |
| Doch es gibt eine gute Handvoll weiterer Faktoren, mit denen sich der akute | |
| Rückgang beim Interesse an Nachrichten erklären ließe. Zahlen über Audience | |
| Engagement von einem Monat zum nächsten sind begrenzt aussagekräftig. | |
| November bis inklusive Januar markierte eine Zeit besonders hohen | |
| Nachrichtenkonsums. Von den zehn meistgeklickten Online-Artikeln bei CNN | |
| handeln sieben von der Wahl. | |
| Und vom Wahltag bis zur Amtseinführung Joe Bidens am 20. Januar blieb das | |
| Land monatelang in einem Zustand der Unklarheit. Würde Trump das Weiße Haus | |
| anstandslos räumen? Würden seine Anhänger*innen im gewaltbereiten | |
| rechten Milieu die Niederlage hinnehmen? Trumps Äußerungen und der Sturm | |
| auf das Kapitol am 6. Januar warfen diese Fragen immer wieder auf. Weniger | |
| Zugriffe auf Nachrichten im Februar und März könnten deshalb auch einfach | |
| für eine Erholungsphase stehen. | |
| Dasselbe könnte man für die Vergleichszahlen vor einem Jahr argumentieren. | |
| In den USA sind mittlerweile über 35 Prozent einmal gegen Sars-Cov2 | |
| geimpft, über 20 Prozent zweimal. Das Leben normalisiert sich vielerlorts, | |
| in großen Teilen der USA ist bereits warmes Wetter, nicht jede*r ist mehr | |
| gezwungen, vor den Fernsehern zu sitzen oder im Internet zu doomscrollen. | |
| Corona bleibt natürlich ein wichtiges Thema, aber eher auf individueller | |
| Ebene. Der Sender CBS gibt an, dass seine aktuell bestgeklickten News aus | |
| dem Bereich Corona-Service kommen. Wie komme ich an eine Impfung? Wo bleibt | |
| mein Scheck von der Regierung? | |
| Aber auch wenn die aktuellen Zahlen nicht überinterpretiert werden sollten: | |
| Dass sich Medien nach Trump umstrukturieren müssen, ist klar. Am | |
| deutlichsten kann man das am rechtskonservativen Sender Fox News erkennen. | |
| Dem wird seit dem Regierungswechsel eine „Identitätskrise“ nachgesagt. In | |
| der Wahlnacht rief Fox News als erstes Medium den Bundesstaat Arizona für | |
| Joe Biden aus, was Donald Trump verärgerte. Vielfach wurde dies als eine | |
| Loslösung vom scheidenden Präsidenten begriffen. Dazu kamen seit Januar | |
| sinkende Zuschauerzahlen und der Rauswurf des Trump-Fans Lou Dobbs, nachdem | |
| dieser mit wiederholten Falschbehauptungen über Wahlbetrug dem Sender eine | |
| Milliardenklage eingebrockt hatte. | |
| ## Offene Hetze | |
| Aber [3][Fox News abzuschreiben wäre zu früh]. Zuletzt haben sich die | |
| Zuschauerzahlen des Senders stabilisiert, er ist wieder der meistgesehene | |
| Kabelsender während die Konkurrenz von MSNBC und CNN an ihm vorbei nach | |
| unten rauscht. Beliebteste Sendung ist dabei „Tucker Carlson Tonight“. | |
| Tucker Carlson hat sich längst zum Bindeglied zwischen dem Neuen Fox News | |
| und der alten rechts-alternativen Trump-Gefolgschaft entwickelt. | |
| Carlson hetzt offen gegen die neue Regierung und verbreitet rechtsextreme | |
| Ideologien, allerdings so formuliert, dass sie im liberalen Diskurs der | |
| Staaten anschlussfähig sind. Zuletzt verbreitetet er den neurechten | |
| Gedanken der „Umvolkung“, als er der Biden-Regierung wiederholt eine | |
| „Demografie-Politik“ zum Nachteil von „hier geborenen Amerikanern“ | |
| unterstellte. Carlson fügte dabei hinzu, dass er sich auf „hier geborene | |
| Amerikaner jeder race“ beziehe. | |
| Für die rassistische Trump-Klientel aber, die schon auf die Idee einer | |
| „Mauer zu Mexiko“ erfreut reagierte, während niemand je Grenzsicherung gen | |
| Kanada gefordert hat, dürfte die Chiffre verständlich sein. Und | |
| rechtsgerichtete Unternehmen, die für Sendungen wie Tucker Carlson die | |
| teuren Werbespots schalten, gibt es auch genug. Das prominenteste Beispiel | |
| ist Trump-Anhänger Mike Lyndellʼs Kissenversand MyPillow. | |
| Fox News wird also hervorragend ohne Trump klarkommen. Solange eine | |
| Handvoll Gesichter in den Morgen- und Abendsendungen verlässlich extrem | |
| rechte Positionen von sich geben oder Cancel-Culture-Debatten aufpumpen, | |
| werden sich Trumpists dort wiederfinden. Es ist schließlich der | |
| Meinungsjournalismus, der einem Medium seinen Flavor gibt. | |
| ## Extreme Schwankungen | |
| Damit wiederum werden alle anderen Medien zu kämpfen haben, die auf | |
| Reichweite angewiesen sind. CNN und MSNBC ebenso wie die New York Times und | |
| die Washington Post. Trump oder nicht, das Newsgeschäft ist extremen | |
| Schwankungen unterworfen, und nach einer langen Phase der steigenden | |
| Reichweiten gilt es nun aus Medienökonomischer Sicht, das Publikum zu | |
| halten. | |
| Themen gibt es genug, vom unveränderten Problem der Polizeigewalt gegen | |
| Schwarze Amerikaner*innen, die andauernde Pandemie und deren Folgen und die | |
| Infrastrukturpolitik der gegenwärtigen Regierung. Diese Themen sind | |
| allerdings komplex und schmerzhaft und die Haltungen keineswegs so | |
| säuberlich in Lager aufgeteilt wie die Haltungen zum Ex-Präsidenten. | |
| Womöglich werden sich die liberalen Medien wegentwickeln vom Meinungskampf | |
| hin zu etwas scheinbar Langweiligerem: berichten, erklären, einordnen. Für | |
| den Journalismus wäre es nicht das Schlechteste. | |
| 18 Apr 2021 | |
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| [2] https://www.sueddeutsche.de/medien/digitales-wachstum-new-york-times-mit-ab… | |
| [3] /Medien-bei-US-Wahlen/!5726865 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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