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# taz.de -- Rechter US-Sender OAN: Donald TV
> One America News ist der Lieblingssender von Donald Trump. Seine
> Reichweite ist noch überschaubar. Das könnte sich nach der Wahl 2020 aber
> ändern.
Bild: Donald Trump in seinem Element: als Hauptfigur im Fernsehen
Der Präsident sagt „O-A-N“, als er einer brasilianischen Korrespondentin
das Wort abschneidet: [1][„OAN, bitte!“] Donald Trumps Finger kreist
[2][über dem briefing room im Erdgeschoss] des Weißen Hauses, wo die
Pressekonferenzen abgehalten werden. Man kann die Szene live im Fernsehen
mitverfolgen. Trump macht bei einer jungen Frau Halt: Chanel Rion ist eine
seiner FavoritInnen.
Wie schon oft serviert sie ihm auch an diesem Montag wieder ein Thema nach
seinem Geschmack. Kurz bevor Joe Biden seine Vizepräsidentin vorstellt,
will Rion etwas über die „Verbrechen“ von Obamas Regierung hören. Der
Präsident strahlt. Behauptet, er sei von seinem Amtsvorgänger
„ausspioniert“ worden, sagt, es sei „vermutlich Verrat“ gewesen. Und
etikettiert den imaginären Vorgang als „das politische Verbrechen des
Jahrhunderts“. Die JournalistInnen im Raum gucken sich peinlich berührt an.
Der Sender One America News überträgt live. Und der Präsident schreitet
stolz aus dem Raum.
OAN, oder vollständig OANN (One America News Network), ist älter als Trumps
Präsidentschaft. Seit seiner Gründung im Jahr 2013 bemüht sich der Sender
aus dem kalifornischen San Diego, [3][Fox News rechts zu überholen]. In
den ersten Jahren seiner Existenz verbreitet der Sender zwar schwere – und
stets unbewiesene – Vorwürfe gegen die Demokratin Hillary Clinton: Sie soll
unter anderem Menschenhandel organisiert und den Mord an einem ihrer
Mitarbeiter bestellt haben. Aber erst 2015, als Trump davorsteht, seine
Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen zu erklären, schafft OAN den
Sprung in eine etwas größere Öffentlichkeit.
In jenem Wahlkampf gibt Robert Herring, der Eigentümer von OAN, die Parole
aus, dass nur Umfragen veröffentlicht werden dürfen, nach denen Trump
siegen wird. Herring ist mit Elektronikersatzteilen reich geworden. 2003
gründet er Herring Networks und eröffnet als Erstes den Lifestylesender
Wealth TV. Sein Sohn Charles übernimmt die Leitung. Ein Jahrzehnt später
kommt mit OAN der Themenbereich Politik dazu.
## Weißes, christliches, ländliches Amerika
Die beiden Herrings sind auf Trump-Linie: Unter anderem strahlen sie seine
Massenveranstaltungen in Sportstadien quer durch das Land live und gratis
aus. Nachdem Trump gewählt ist, revanchiert er sich für die Gefälligkeiten.
Als die Korrespondentenvereinigung ein Rotationsprinzip im briefing room
einführt, um wegen Covid-19 freie Plätze zwischen den JournalistInnen und
somit notwendigen Abstand zu ermöglichen, kommt [4][OAN-Korrespondentin
Rion] auch an jenen Tagen, an denen sie draußen bleiben müsste. Sie sagt
dann, sie sei Gast des Weißen Hauses.
Trump veröffentlicht Tweets, in denen er unter seinen über 80 Millionen
Followern für OAN wirbt. „Fox News ist besser als CNN“, schreibt er, „ab…
wann immer es möglich ist, schaue ich OAN.“ Bei anderer Gelegenheit
twittert er Falschmeldungen von OAN in die Welt. So etwa im Juni, als er
OAN zitiert, wo ohne Beweis behauptet wird, ein 75-jähriger friedlicher
Demonstrant, den ein Polizist in Buffalo so brutal auf den Boden geschubst
hat, dass sein Schädel gebrochen ist, sei ein „Agent Provocateur der
Antifa“.
Wer OAN einschaltet, hat die Garantie, Propaganda zu bekommen. Der Sender
wirbt zwar mit Slogans wie „Keine Spekulation, keine Meinung, nur Fakten
und Quellen für glaubwürdige Nachrichten“. Aber in seiner
Berichterstattung ist nicht einmal der Versuch von Neutralität zu
erkennen. OAN liefert ein Bild der USA, wie es Trump-Fans unter ihren roten
Schirmmützchen mit der Aufschrift „Make America Great Again“ schätzen.
Es ist das Bild eines Landes, das weiß, christlich, mehrheitlich
kleinstädtisch oder ländlich ist und geschlossen hinter Trump steht. Statt
Nachrichten zu liefern, schürt OAN Empörung. Die Interviewten sind
Trump-Getreue. Schwarze Menschen kommen, wenn überhaupt, in der
Sportberichterstattung vor oder dann, wenn es um Plünderungen geht. Black
Lives Matter ist bei OAN eine „kriminelle Organisation“, die
„Naziterror-Taktiken“ benutzt. Die Furcht vor dem Coronavirus, mit dem bis
zu Anfang dieser Woche fünf Millionen Menschen in den USA infiziert sind,
und vor Covid-19, woran hier alle 80 Sekunden jemand stirbt, ist laut OAN
völlig übertrieben. Schulen könnten wieder geöffnet werden. Und Masken
seien Freiheitsberaubung. OAN vergleicht die Zahl der Virusopfer mit der
abgetriebener „Kinder“.
## Nachahmer von Fox News
Eine Aufsicht darüber, was Medien tun dürfen und wo Journalismus aufhört
und Propaganda anfängt, gibt es in den USA nicht. Das würde mit dem ersten
Verfassungszusatz kollidieren, der die Meinungsfreiheit garantiert. Und
gerade konservative Sender sind ohnehin davon überzeugt, dass der Markt am
besten reguliert. Flüche sind verboten (und werden weggepiepst), aber
Inhalte – selbst wenn sie frei erfunden sind – dürfen nicht reglementiert
werden. Unter Trump, der Printmedien und TV-Sender als [5][„Fake News“
beschimpft], ist das Misstrauen gegen die Medien weiter gestiegen. Die
Kabelsender sind geschlossene Anstalten geworden. Ihr Ton ist parteiischer
denn je.
Fox News lädt zu seinen Diskussionsrunden zwar weiterhin einzelne Liberale
ein. Aber die haben die Rolle des Punchingballs, auf den alle anderen
verbal einschlagen. Bei OAN sind die Rechten ganz unter sich. Wenn doch
einmal ein Zwischenton vorkommt, korrigieren die ZuschauerInnen den
„Fehler“ so, wie sie es bei Trump gelernt haben. Als ein Notfallarzt Anfang
August auf OAN sagt, es gebe „gewisse Daten, wonach Masken schützen
können“, reagieren ZuschauerInnen wutschnaubend mit den Worten: „Fake
News!“
Für den Medienhistoriker Brian Rosenwald ist OAN die Fortschreibung dessen,
was in den 80er Jahren mit den rechten sogenannten talk radios begonnen und
was seit den 90er Jahren mit dem rechten Fernsehsender Fox News groß
geworden ist. „Der Erfolg von Fox News hat Nachahmer angespornt“, sagt er,
„in den letzten zehn Jahren ist die Zahl der rechten Medien in die Höhe
geschnellt, und sie sind extremistischer geworden.“
Anders als 2016, als OAN geholfen hat, unschlüssige WählerInnen von den
Vorteilen des Außenseiters Trump zu überzeugen, geht der Präsident in die
Wahl 2020 als Markenzeichen. Damit kommt OAN dieses Mal eine andere Rolle
zu, sagt Rosenwald, nämlich „die Wähler zu überzeugen, dass der Präsident
unfair behandelt wird, und sie zurückzuhalten, wenn sie Zweifel haben“. Um
die moderaten RepublikanerInnen kümmert OAN sich nicht. „Sie sind eine vom
Aussterben bedrohte Art in der politischen Landschaft geworden“, sagt der
Medienhistoriker und Autor des Buches „Talk Radio’s America“.
## Der Zenit ist noch nicht erreicht
Trotz Trumps Hilfe ist OAN noch relativ klein. Nur 35 Millionen Haushalte
haben den Sender in ihrem Kabelangebot. 767.000 Personen haben ihn
kostenpflichtig im Internet abonniert. Die einzigen Ereignisse, die OAN
grundsätzlich gratis überträgt, sind Trump-Meetings. Da diese jedoch wegen
des Virus ausfallen, gibt es derzeit keinen verlässlichen Livestream. Laut
dem Marktforschungsunternehmen Nielsen Media Research hatte OAN im April
und Mai vergangenen Jahres in den großen Metropolen des Landes
durchschnittlich nur rund 14.000 ZuschauerInnen, während Fox News 631.000
anzog (CNN 341.000, MSNBC 558.000).
Der politische Kabarettist John Oliver warnt dennoch davor, OAN zu
unterschätzen. „Ignorieren wäre gefährlich“, sagt er, „giftige kleine …
können schnell wachsen.“ Auch Medienhistoriker Rosenwald glaubt nicht, dass
OAN seinen Höhepunkt erreicht hat. Zwar hat der Sender sein Schicksal
komplett mit Trump verbunden. Dessen Wahlniederlage im November könnte ihn
dennoch stärken. Der rechte Talk-radio-Pionier Rush Limbaugh hat in den
90er Jahren gesagt, dass es für Außenseiter einfacher sei, Steine zu werfen
und Rebell zu sein.
„Wenn wir Joe Biden im Weißen Haus bekommen, wird die Nachfrage nach
konservativen Medien steigen“, prognostiziert Rosenwald, „Leute in Iowa
werden ihre Werte bedroht sehen. Ihnen kann OAN eine Stimme geben“.
14 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=EKGlqD5C-Wk
[2] /Live-Uebertragung-von-Trump-Briefings/!5675497
[3] /James-Murdoch-verlaesst-News-Corp/!5699957
[4] https://www.youtube.com/watch?v=8l4T7w3M-V8
[5] /Facebook-und-Trump/!5705681
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
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Stephen Bannon
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Rupert Murdoch
Kolumne Flimmern und Rauschen
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