# taz.de -- Rechtsextremismus in der Polizei: Zu fünft gegen Extremismus | |
> Polizeipräsidentin präzisiert den Auftrag der Ermittlungsgruppe | |
> „Zentral“. Die vom Innensenator angekündigte Studie zum Racial Profling | |
> kommt nicht. | |
Bild: Polizeipräsidentin Barbara Slowik | |
Berlin taz | Die Bekanntmachung war mehr oder weniger en passant erfolgt. | |
Sie habe eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, um etwaige Verbindungen von | |
Polizisten zu rechtsextremistischen Netzwerken und Straftaten untersuchen | |
zu lassen, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik bei der letzten Sitzung | |
des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus. Auf der Tagesordnung hatte der | |
[1][Zwischenbericht der Sonderbeauftragten] gestanden, die die | |
rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln auf Ermittlungsversäumnisse | |
untersuchen sollen. | |
Gegenüber der taz hat die Polizeipräsidentin jetzt die Beweggründe für die | |
Einrichtung der Ermittlungsgruppe präzisiert. Wenn der Polizei vorgeworfen | |
werde, in den eigenen Reihen auf dem rechten Auge blind zu sein, sei das | |
„auch eine Gefahr für unsere Integrität und das Vertrauen in uns“. Den | |
Vorwürfen müsse deshalb „handfest“ nachgegangen werden, teilte Slowik | |
schriftlich mit. Die taz hatte die Fragen bei der Pressestelle eingereicht, | |
weil die Polizeipräsidentin für ein persönliches Gespräch nicht zur | |
Verfügung stand. Am 1. April soll die beim polizeilichen Staatsschutz | |
angesiedelte Ermittlungsgruppe namens „Zentral“ die Tätigkeit aufnehmen. | |
Fünf Beamtinnen und Beamten werden der „Zentral“ laut Slowik angehören. | |
„Zentral“ deshalb, weil die Ermittlungsgruppe alle Fälle von politischer | |
Kriminalität, bei denen Beschäftigte der Berliner Polizei tatverdächtige | |
sind, bündeln soll. Unbeantwortet ließ die Polizeipräsidentin die Frage, ob | |
sie sich von der „Zentral“ auch Erkenntnisse hinsichtlich eventueller | |
Verbindungen von Polizisten zu der Neuköllner Anschlagsserie verspreche. | |
Die Betroffenen äußern seit Jahren starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit | |
und Integrität der ermittelnden Polizisten. | |
Die Idee für „die Zentral“ habe der Leiter des Landeskriminalamts | |
aufgebracht, so Slowik. Einen aktuellen Anlass habe es nicht gegeben, „wir | |
machen bereits sehr viel“. Aufgabe der Ermittlungsgruppe sei es, | |
wiederkehrenden Fragen nach einem blinden Fleck, rechten Netzwerken und | |
einem etwaigen Dunkelfeld genau nachzugehen. „Kurzum: Gibt es | |
Verflechtungen, dienstrechtliche Beziehungen, die wir bisher nicht erkannt | |
haben?“ | |
## 24 Strafverfahren gegen Polizisten | |
Nach Angaben von Slowik sind zurzeit24 Strafverfahren gegen | |
Polizeiangehörige anhängig, bei denen der Verdacht einer rechtsextremen | |
Motivation im Raum stehe. Schwerpunkt sei der Tatbestand der Beleidigung | |
(zehn Verfahren), gefolgt von Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger | |
Organisationen (5), Volksverhetzung (5) und Körperverletzung im Amt (2). In | |
zwei Fällen gebe es noch Klärungsbedarf. Des Weiteren würden 54 | |
Disziplinarverfahren gegen Polizeiangehörige geführt, bei denen eine | |
politische Motivation zugrunde liege. 21 Verfahren seien dabei auf die | |
Entlassung aus dem Dienst gerichtet. | |
Seit 2018 sei ein Anstieg der Disziplinar- und Verwaltungsverfahren wegen | |
politisch motivierter Verstöße zu verzeichnen. 2018 seien 11 Verfahren | |
eingeleitet worden, 2020 bereits 28. Den Anstieg erklärte sich Slowik mit | |
einer größeren Anzeigebereitschaft der Bevölkerung. Vielleicht, so Slowiks | |
Hoffnung, liege das an einem „gesteigerten Vertrauen, dass dagegen deutlich | |
vorgegangen wird“. Eine Vielzahl der Anzeigen erfolge aber durch | |
Kolleginnen und Kollegen. Sie verstehe das als Indikator für eine | |
Sensibilisierung und Stärkung „der wehrhaften Haltung gegen extremistische | |
Tendenzen in der Behörde“. Fälle von zu Unrecht erhobenen Denunziationen | |
könne man bisher nicht erkennen. | |
Die Polizeipräsidentin betont allerdings noch einmal, dass es „bis dato“ | |
keine Hinweise gebe, dass innerhalb der Polizei Berlin rechtsextremistische | |
Netzwerke existierten. „Auch Berichte über angebliche Verbindungen in | |
andere Bundesländer mussten revidiert werden.“ Die Ermittlungsgruppe | |
„Zentral“ werde alles intensiv untersuchen. Ob entsprechende Strukturen | |
oder Netzwerke innerhalb der Polizei bestünden, soll auch fortlaufend | |
geprüft werden. Selbiges gelte auch für ideologische Tendenzen unterhalb | |
der Schwelle der Strafbarkeit, ohne sich dabei einer „Gesinnungschnüffelei“ | |
aussetzen zu wollen. | |
## Berlin beteiligt sich an Seehofer-Studie | |
Im August hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) ein | |
11-Punkte-Maßnahmenpaket gegen Extremismus bei der Polizei vorgestellt. | |
Angekündigt worden war auch eine repräsentative Umfrage über Werte und | |
Einstellungen bei der Polizei. Nach Angaben von Slowik wird sich Berlin nun | |
aber an der Studie des Bundes beteiligen und darüber hinaus eine eigene | |
qualitative Studie in Auftrag geben. Die Vergabe werde gerade von der | |
Innenverwaltung geprüft. | |
Bei der Bundesstudie handelt es sich um die umstrittene Seehofer-Studie. | |
„Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“ | |
lautet der Titel der Untersuchung, mit der der CSU-Bundesinnenminister die | |
Deutsche Hochschule der Polizei beauftragt hat. Im Zusammengehen mit | |
anderen Innenministern hatte [2][Innensenator Geisel] letzten Sommer eine | |
Studie über Rassimus und Racial Profling angekündigt, weil Seehofer „das ja | |
nicht macht“. | |
Nun beteiligt sich Berlin doch an der [3][Seehofer-Studie]. Gegenüber der | |
taz begründete der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen, dies so: | |
Der Untersuchungsauftrag sei bei der letzten Innenministerkonferenz so | |
modifiziert worden, dass man die Bundesstudie nun ausdrücklich begrüße. | |
Berlin werde zudem eine eigene Studie über den Alltag und die Belastung der | |
Polizei durchführen. Als „ein Teilaspekt“ so der Sprecher, sei auch „eine | |
diskriminierungskritische Organisationsuntersuchung geplant“. Es gehe | |
darum, wie von Rassismus und Diskriminierung betroffene Personen die | |
Polizei wahrnehmen. Die Studie zum Thema Racial Profling der Polizei kommt | |
demzufolge nicht. | |
Eine andere im [4][Maßnahmenpaket] angekündigte Neuerung ist inzwischen | |
umgesetzt worden: Seit Oktober hat die Berliner Polizei mit Svea Knöpnadel | |
erstmals eine Extremismusbeauftragte. Und auch das angekündigte anonyme | |
Whistleblowersystem für alle Delitkbereiche befindet sich im Aufbau. | |
18 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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