| # taz.de -- Militär in Deutschland: „Mein Vater kommt mit dem Panzer!“ | |
| > Zwei taz-Journalisten sind unter Soldaten aufgewachsen, einer im Osten, | |
| > der andere im Westen. Ein Gespräch über Erinnerungen, unheimliche Gefühle | |
| > und den Sinn der Armee. | |
| Ambros Waibel: Lieber Daniel, wenn wir den Titel von Sönke Neitzels | |
| Militärgeschichte ernst nehmen, dann waren es „Deutsche Krieger“, unter | |
| denen wir aufgewachsen sind: Dein Vater war bei der NVA, mein Vater bei der | |
| Bundeswehr. Neitzels Buch erscheint zu einem Zeitpunkt, in dem die | |
| militärische Auseinandersetzung wieder als „Kernauftrag“ deutscher | |
| Streitkräfte bezeichnet wird; also nicht die Friedenssicherung, die | |
| Abschreckung oder der viel zitierte Brunnenbau, sondern das Kämpfen, das | |
| Töten und das Sterben. Neitzel kommt dem entgegen, indem er die „archaische | |
| Seite des Soldatenberufs“ betont, „dessen raison d’etre der Krieg ist“. | |
| Gleichzeitig wird in dem Buch die Frage aufgeworfen: Braucht die | |
| Bundesrepublik eigentlich eine Armee? Wenn wir also jetzt darüber reden | |
| wollen, was „Deutsche Krieger“ in uns ausgelöst hat, dann nicht nur auf der | |
| Ebene: Wir erinnern uns mal, wie das früher so war, für uns als Kinder; | |
| sondern wir sind Teil eines aktuellen Diskurses. Oder wie siehst du das? | |
| Daniel Schulz: Ich merke bei solchen Fragen, dass ich immer noch nicht | |
| richtig integriert bin. In der DDR war das Militärische im Alltag sehr | |
| präsent. Das hat mich geprägt, bundesdeutsche Brunnenbau-Debatten fühlen | |
| sich für mich verschoben an: Wozu soll eine Armee denn sonst da sein als | |
| für den Kampf? Von daher muss ich dich fragen: Gibt es etwas spezifisch | |
| Westdeutsches, was du bei Neitzel erkennst? | |
| Waibel: Den Begriff der „Tribal Culture“, also eine Art Stammeskultur. | |
| Neitzel beschreibt einen Deal, den die Politik 1955 bei der Gründung der | |
| Bundeswehr mit dem Militär geschlossen hat. Man verspricht: Wir integrieren | |
| alte Wehrmachtssoldaten, auch höhere Ränge. Die müssen sich zumindest | |
| formal zu den Werten des 20. Juli 1944 bekennen, des Versuchs von | |
| Militärangehörigen, das Hitler-Regime zu stürzen. Im Gegenzug mischt | |
| sich die Politik nicht in die internen Angelegenheiten der Bundeswehr ein, | |
| solange es keine Skandale gibt. Politisch hat die Bundeswehr aber nichts zu | |
| melden. Dieses Verborgene erinnert mich an mein Aufwachsen. Mein Vater war | |
| zwar nie Soldat; er war schon zu alt, als die Wehrpflicht in der | |
| Bundesrepublik eingeführt wurde. Er hat aber sein ganzes Berufsleben als | |
| Jurist bei der Bundeswehr verbracht, zunächst als Rechtslehrer in einem | |
| Fliegerhorst … | |
| Schulz: Bei der Elite. | |
| Waibel: So sagt Sönke Neitzel das jedenfalls in seinem Buch. Mein Vater hat | |
| auf einem Fliegerhorst, also einem Luftwaffenstützpunkt gearbeitet und | |
| später als Wehrdisziplinaranwalt. Allein der Begriff „Fliegerhorst“ – da… | |
| ich dieses Wort so selbstverständlich gebrauche, das ist wahrscheinlich | |
| schon strange für viele Leute. Ich weiß nicht, ob du auch solche Worte | |
| hast, wo du denkst, die kennen nur Leute, die in einem ähnlichen Kontext | |
| aufgewachsen sind? | |
| Schulz: Ich habe „Mein Bruder ist Soldat“ in der Schule gesungen. Die Väter | |
| meiner Freunde waren bei Übungen der Kampfgruppe. Meine Mutter war Melderin | |
| in der Zivilverteidigung, das sind beides Organisationen zum Heimat- und | |
| Katastrophenschutz, die eine paramilitärisch, die andere zivil. Die Großen | |
| haben in der Schule Weitwurf mit Metallhandgranaten geübt. Politisch stehe | |
| ich klar auf der Seite: Militär und Polizei stark einhegen und so | |
| transparent wie möglich kontrollieren. Aber unter meinen politischen | |
| Ansichten merke ich noch etwas Gefühltes oder Triebhaftes, das kommt | |
| wahrscheinlich von meinen Prägungen. Da kann ich dieses kollektive | |
| Entsetzen, weil hier mal die Bundeswehr ein Video für Schüler dreht oder | |
| weil Menschen von Waffen fasziniert sind, nicht nachvollziehen. Dass das | |
| gefährlich ist und eine Grenzüberschreitung, weiß ich intellektuell. Mein | |
| Gefühl zuckt aber mit den Achseln. Du merkst schon ein Befremden beim | |
| Begriff „Fliegerhorst“, ich komme mir bei solchen Debatten manchmal aus dem | |
| Land gefallen vor. | |
| Waibel: Deine gefühlsmäßige Nähe zum Militärischen – hat das mehr [1][mit | |
| deiner DDR-Sozialisation] zu tun oder mit deiner familiären Konstellation? | |
| Schulz: Kampfgruppe, Zivilverteidigung, das Erlernen von Hierarchien bei | |
| den Pionieren, paramilitärisches Training, das kannte die Mehrheit der | |
| Gesellschaft. Offizierssohn zu sein, war trotzdem nichts Alltägliches, ich | |
| kannte keine anderen Kinder, deren Eltern bei der Armee waren. Ich habe die | |
| Armeerundschau gelesen, das war eine Zeitschrift der NVA, ich habe ständig | |
| Bilder gemalt: Soldaten auf Lkws, Flugzeuge, Panzer. Warst du auch so | |
| fixiert auf deinen Vater und dieses Soldatische? | |
| Waibel: Mein Vater war ja kein Soldat. Der hatte zwar auch eine Gasmaske, | |
| hatte ein Kleinkalibergewehr, aber das war nicht präsent im Alltag. Mein | |
| Vater war Rechtslehrer, und er hat für Prüfungen Multiple-Choice-Tests | |
| ausgegeben, die die Piloten ankreuzen mussten: Wann darf ich die Bomben | |
| abwerfen, solche Sachen. Und ich als Kind durfte die Lösungsschablone | |
| auflegen und diese Arbeiten korrigieren. Das hat Spaß gemacht. Ich war aber | |
| nie auf diesem Fliegerhorst. Mein Vater hat mir eingeschärft, wenn gefragt | |
| wird, was er für einen Beruf hat, soll ich sagen: Beamter. Von mir aus, | |
| habe ich gedacht. Gleichzeitig habe ich schon mitbekommen, dass das soziale | |
| Leben meiner Eltern sich in einem Reigen von Bundeswehrveranstaltungen | |
| abgespielt hat: Bälle, Empfänge, private Treffen. | |
| Schulz: Und da trafen sich dann alle Waffengattungen? | |
| Waibel: Bei uns daheim waren fast nie Soldaten, sondern Juristen, aus | |
| dieser Wehrrechts-Ecke. Der Wohnblock, in dem ich aufgewachsen bin, war | |
| allerdings eine reine Bundeswehrsiedlung. Ich sehe noch diese pensionierten | |
| Soldaten vor mir, wie sie die Straße fegen und dabei rauchen, weil sie das | |
| in ihren Schließfachwohnungen wahrscheinlich nicht durften. | |
| Schulz: Im Neubau haben wir auch gewohnt, aber schön gemischt: Arbeiter, | |
| Bauern und ein Offizier. | |
| Waibel: Es gab auch ehemalige Wehrmachtssoldaten bei uns, die waren sehr | |
| entspannt, auf so eine gruselige Öffentliche-Dienst-Art. Was mein Vater von | |
| seinen Fällen als Disziplinaranwalt erzählt hat, beschränkte sich auf | |
| Anekdoten: Zwei Gefreite reinigen die Gully-Öffnung auf dem Kasernenhof, | |
| die Sirene ruft zum Mittagessen; sie lassen die Gully-Öffnung auf, ein | |
| Offizier fällt rein und tut sich weh. Das einzig Ernsthafte, woran ich mich | |
| erinnere, war eine Verhandlung zur Frage: Was passiert, wenn ein Soldat | |
| nachträglich den Wehrdienst verweigert und das Tucholsky-Zitat verwendet: | |
| „Soldaten sind Mörder.“ Der wurde nämlich angeklagt. Und das hat mein Vat… | |
| übernommen. | |
| Schulz: Du hast mit deinem Vater also nie angegeben? Wenn die anderen im | |
| Kindergarten geprahlt haben, welcher Vati den größten Trecker fährt, dann | |
| hab ich gesagt: Meiner kommt mit dem T-72 und schießt die alle um. | |
| Waibel: Der Vater kommt mit dem Panzer! | |
| Schulz: Genau. Meiner Mutter passte das überhaupt nicht, die ist christlich | |
| erzogen, wir waren jeden Sonntag in der Kirche. Für ihre ganze Familie war | |
| die NVA der Endgegner. | |
| Waibel: Welcher Jahrgang ist dein Vater? Und was war seine Aufgabe? | |
| Schulz: Mein Vater ist Jahrgang 1947. Er hat bei den Panzertruppen gedient. | |
| Später wurde er dann stellvertretender Leiter eines Wehrkreiskommandos. Wie | |
| hieß das in der Bundeswehr? | |
| Waibel: Wehrbereichskommando, glaube ich. Das Wort klingt auf jeden Fall | |
| vertraut. | |
| Schulz: De facto war mein Vater der Leiter von dem Ding und für die | |
| Heimatverteidigung eines Kreises im heutigen Brandenburg zuständig. Er | |
| hätte im Krieg die Kampfgruppen kommandiert: dickbäuchige Onkel Ottos, die | |
| bei den Übungen vor allem schnell zur Gulaschkanone wollten. | |
| Waibel: Gab es einen Wehrersatzdienst in der DDR? | |
| Schulz: Einen zivilen Dienst nicht, es gab die Bausoldaten. Die arbeiteten | |
| als Pfleger oder Küchenhelfer in militärischen Einrichtungen. Gegen Ende | |
| der DDR auch in Tagebauen und Großbetrieben, um den Mangel an | |
| Arbeitskräften auszugleichen. | |
| Waibel: Ich frage, weil das auch in der aktuellen Diskussion wieder | |
| mitschwingt; dass nämlich – so ein FAZ-Kommentar kürzlich – [2][die Debat… | |
| ums Militär in Deutschland immer noch von „pazifistischen und moralischen | |
| Grundtönen“ geprägt sei.] Diese nicht töten müssenden Bausoldaten – sie… | |
| du die als Symbol dafür, dass auch im Osten zumindest ein Gefühl bestand, | |
| dass man deutsches Militär nicht völlig von der preußischen und erst recht | |
| nicht von der nazistischen Tradition trennen kann? | |
| Schulz: Die Bausoldaten sind erkämpft worden, durch Verweigerer, von den | |
| Kirchen. Die wurden teilweise für Scheißjobs eingesetzt, viele durften | |
| nicht studieren. Nur 150.000 Männer haben sich das angetan, im Vergleich zu | |
| etwa 2,5 Millionen Wehrpflichtigen bis zum Ende der DDR. Es ist aber die | |
| Frage, inwieweit die NVA überhaupt eine Rolle spielen kann für eine | |
| bundesdeutsche Militärdebatte, weil auch Neitzel sie nur als Sonderfall auf | |
| 29 von über 600 Textseiten in seinem Buch passieren lässt: Passieren im | |
| Sinne von geschehen, aber auch im Sinne von an sich vorbeiziehen lassen. | |
| Waibel: Was siehst du als Erbe der NVA? | |
| Schulz: Die große Mehrheit der Männer in der DDR ist durch den | |
| NVA-Wehrdienst gegangen. Der war härter als in der Bundeswehr. Es gab | |
| teilweise eine grausame Herrschaft älterer Soldaten über jüngere. Diese | |
| Rauheit der NVA taucht in zahlreichen Erlebnisberichten auf. Mich | |
| interessiert, ob das Folgen hat bis heute und welche. Wie nimmt man | |
| Autoritäten wahr, welche Verletzungen, welche Arten von Männlichkeit auch | |
| in toxischen Varianten tradieren sich ins Heute? | |
| Waibel: Und zu welchem Schluss bist du gekommen? | |
| Schulz: So wie ich die „Tribal Culture“ der NVA erlebt habe, wurde die | |
| Härte im Nachhinein verklärt. Mein Vater und seine Offizierskollegen haben | |
| sich über die Softies von der Bundeswehr lustig gemacht, das sei doch keine | |
| richtige Armee. Die Verächtlichmachung des Westmannes als Weichwurst, die | |
| ist mir dann in den Baseballschlägerjahren nach 1989 oft begegnet, ich habe | |
| selbst so geredet. | |
| Waibel: Hat sich dein Vater in einer militärischen Tradition gesehen? Hatte | |
| der einen Bezug zur Wehrmacht? | |
| Schulz: Nein, mein Vater ist genauso so ein NVA-Offizier gewesen, wie | |
| Neitzel ihn beschreibt: Weder sein Vater, noch der ihm bekannte Großvater | |
| hatten hohe Ränge beim Militär. Die DDR hat in diesem Sinne mit der | |
| Wehrmacht gebrochen. Wie war das bei euch? | |
| Waibel: Mein Vater hat sich seinem Vater verpflichtet gefühlt, der | |
| Berufssoldat war, Hauptmann in der Wehrmacht. Es gibt Fotos aus diesem | |
| Kontext, wo er stolz auf dem Pferd seines Vaters sitzt, wo er kindlich | |
| salutiert. Mein Vater ist Jahrgang 1933, auch seine Kollegen waren aus | |
| dieser Generation, viele von ihnen, wie mein Vater, Halb-Kriegswaisen, | |
| meine Mutter übrigens auch. Die lebten als demokratische, grundgesetztreue | |
| deutsche Beamte. Gleichzeitig standen die aber gefühlsmäßig in der | |
| Tradition ihrer Väter – deswegen waren sie ja zur Bundeswehr gegangen. Ihre | |
| Erfahrung als Halbwüchsige war die des Besiegtseins. Und sie fragten sich: | |
| Warum ist mein Vater gestorben – und noch dazu für die verbrecherischste | |
| Sache überhaupt? Und das wurde dann wieder überdeckt von diesem, ‚aber | |
| jetzt sind wir bei den Guten‘: Das waren die Amerikaner, die ihre Väter | |
| besiegt hatten. Dieser Widerspruch wurde nie aufgelöst. Die sahen ihre | |
| Väter als Opfer eines verbrecherischen Systems, die Verbrechen der | |
| Wehrmacht und der Vernichtungskrieg im Osten wurden, wenn überhaupt, dann | |
| nur relativierend thematisiert. In der Bundeswehr kam man offensichtlich | |
| gut damit klar. | |
| Schulz: Was hast du noch als Kind mitbekommen? | |
| Waibel: Eine Frontstellung, ein ‚Wir müssen zusammenhalten‘. Es gab die | |
| Kommunisten, die RAF und dann auch noch diese böse SPD-Regierung in Bonn. | |
| Man fühlte sich belagert. Ich denke, dass mein Vater zunehmend das Gefühl | |
| hatte, über das, was ihn wirklich bewegt, kann er außerhalb des | |
| Bundeswehrkontextes nicht sprechen. | |
| Schulz: Ihr habt in Bayern gelebt, dein Vater war CSU-Mitglied, und dann | |
| auch noch bei der Armee. Ich stelle mir deine Kindheit viel autoritärer vor | |
| als meine. Stimmt daran etwas? | |
| Waibel: Das Glück meiner Generation war 1968. Das Leben liberalisierte sich | |
| in kurzer Zeit enorm. Ich erinnere die 1970er Jahre als sehr schönes | |
| Jahrzehnt, wo man zwar immer noch auf alte Arschlöcher traf, die aber immer | |
| lächerlicher wurden. | |
| Schulz: Und deine Eltern waren nicht bei den Arschlöchern? | |
| Waibel: Meine Eltern waren auf eine bayrische Art lebensfroh und eher | |
| freizeitorientiert. Die haben sich von dieser großen Liberalisierungswelle | |
| mitreißen lassen. Und wenn man sich die Bundeswehrsoldaten der 1970er Jahre | |
| anschaut, die „German Hair Force“, wie der Spiegel schrieb, mit ihren | |
| langen Haaren, da stellt sich einem doch eh die Frage: Ist das noch eine | |
| Armee oder schon eine Band? | |
| Schulz: Was ist noch geblieben von deinem Aufwachsen? | |
| Waibel: Bei der Debatte um Ausrüstung schlägt bei mir etwas an, etwas | |
| Triebhaftes, wie du vorhin sagtest. Wenn ich sehe, die Politik schickt | |
| Soldat:innen in den Krieg [3][und die Ausrüstung ist nicht adäquat], | |
| dann denke ich: So etwas macht man nicht. Dann lasst es mit der Armee. Da | |
| habe ich ein starkes, mir unheimliches Kameradschaftsgefühl. | |
| Schulz: Gefühle, die mir unheimlich waren, habe ich registriert, als wir im | |
| Team zu rechtsextremen Netzwerken bei Reservisten, Polizisten und Soldaten | |
| recherchiert haben. Zentrale Figuren sind da nämlich Ostdeutsche oder in | |
| Ostdeutschland Aufgewachsene, teilweise gehören sie zu meiner Generation. | |
| Ich habe mich gefragt, ob die auch mal mit dem Gefühl angefangen haben, in | |
| dieser zivilen Gesellschaft manchmal fehl am Platz zu sein. Die klassische | |
| Frage: Hätte ich auch so werden können? Hat das was mit der DDR zu tun? Mit | |
| der NVA? Hast du dich so etwas jemals gefragt? | |
| Waibel: Ich hoffe, ich bin nicht so geworden, weil der Zeitgeist | |
| attraktiver war als väterliche Prägungen. Und das hat sich bei mir so | |
| ausgewirkt, dass ich all das wissen wollte, worüber bei uns nicht geredet | |
| wurde: Was haben die Großeltern im Krieg und der Nazizeit gemacht? Später | |
| hatte ich mit alten italienischen Partisanen zu tun. Die sind mit 15 in die | |
| Berge, es war grauenhaft, haben sie gesagt, aber manchmal muss man etwas | |
| Grauenhaftes tun, um das größere Grauen zu stoppen. Das sehe ich auch so. | |
| Wenn Neitzel sagt, wer Soldaten will, muss sie auch töten lassen, dann | |
| fordert er sozusagen eine gesellschaftlich anerkannte Tötungskultur; und | |
| dann bleibt die Frage, wie man die gewünschten Teilzeitkiller in ein | |
| demokratisches Staatswesen integriert. Und die Antwort darauf umgeht er. | |
| Schulz: Er macht das, was alle machen, wir könnten das auch nicht | |
| beantworten. | |
| Waibel: Er macht das, was alle machen, weil das Problem zu groß ist, um es | |
| zu lösen. | |
| Schulz: Theoretisch ist es zu groß, praktisch merken wahrscheinlich wenige | |
| was davon. Wer hat denn 2015 dieses Buch „Armee im Aufbruch – Zur | |
| Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr“ gelesen, | |
| in der Offiziersschüler beschreiben, wie sie diese Gesellschaft sehen: | |
| dekadent, hedonistisch, egoistisch, irgendwie verachtenswert? | |
| Waibel: Und sie selbst sehen sich wiederum von dieser Gesellschaft | |
| missachtet. | |
| Schulz: Warum machen wir das eigentlich für die? Diese Frage stellen sich | |
| manche, die im Staatsauftrag Waffen tragen. Da setzen Rechtsextreme an, es | |
| gab einige Aufrufe, sich an deren Seite zu stellen. Einen Aufstand gibt es | |
| bisher nicht, rechtsextreme Netzwerke durchaus. | |
| Waibel: Das Militär ist etwas, was die wenigsten wirklich ganz weg haben | |
| möchten. Aber es herrscht wahrscheinlich immer noch dieser | |
| altbundesrepublikanische Konsens: Macht mal, motzt wenig und glaubt ja | |
| nicht, dass ihr hier gesellschaftlich eine Rolle spielen könnt. Und | |
| vielleicht ist das pragmatisch ja auch das Beste. | |
| 23 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Jugendliche-in-Ostdeutschland/!5536453 | |
| [2] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-bundeswehr-muss-sich-fuer-ne… | |
| [3] /SPD-Waffen-und-Haushaltsausschuss/!5734120 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Schulz | |
| Ambros Waibel | |
| ## TAGS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Bundeswehr | |
| Militär | |
| Armee | |
| DDR | |
| GNS | |
| Aufrüstung | |
| Veteranen | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Wehrpflicht | |
| Generationen | |
| Die Linke | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Militärhistoriker über Kriegstüchtigkeit: „Wir brauchen als Republik einen… | |
| Die BRD ist wehrunfähig – und in Gefahr. Der Militärhistoriker Sönke | |
| Neitzel fordert einen Wehrdienst und weiß: Frieden gibt’s nicht zum | |
| Nulltarif. | |
| Kriegsdienstverweigerer als Veteran: Der Unveteran | |
| Sind auch nachträgliche Kriegsdienstverweigerer ohne ihr Wissen Veteranen | |
| der Bundeswehr? Das wollte unser Autor genau wissen – und bekam Post. | |
| Tiefgefrorene Ukrainedebatte: Im Westen nichts Neues | |
| Mützenich und Strack-Zimmermann sind Putins stärkste Verbündete: Der eine | |
| will ihm nicht die Stirn bieten, die andere Politik nicht sozial abfedern. | |
| Debatte um Wehrpflicht: Antreten zum Widerspruch | |
| Unser Autor hat Soldaten aus der Nähe erlebt, sein Vater war Sanitäter. | |
| Gedanken zur Diskussion um die Wehrpflicht aus dem Innersten der Armee. | |
| Trotz der Generation X: Als die Zukunft noch egal war | |
| Die Generation X wuchs in einer Gegenwart auf, in der viel konsumiert und | |
| wenig protestiert wurde. Eine Selbstkritik. | |
| Wahl der Linken-Vizechef:innen: Pflugscharen statt Schwerter | |
| Verteidigungsexperte Matthias Höhn unterliegt gegen den Friedenspolitiker | |
| Tobias Pflüger. Eine Niederlage auch für die Regierungsfans in der Linken. | |
| Pandemie und Bundeswehreinsätze: Billig weggekommen | |
| Weil Corona die Auslandseinsätze einschränkt, spart die Bundeswehr | |
| Personalkosten. Die Linke würde das Geld gerne in Krankenhausbetten | |
| stecken. | |
| Jugendliche in Ostdeutschland: Wir waren wie Brüder | |
| Unser Autor ist vor Neonazis weggelaufen und er war mit Rechten befreundet. | |
| In den Neunzigern in Ostdeutschland ging das zusammen. Und heute? |