Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abgeordnetenhauswahlen in Berlin: Giffey entdeckt Berlin
> Bislang äußert sich SPD-Spitzenkandidatin Giffey selten zu
> landespolitischen Themen. Doch ihre Strategie der „Kleine-Leute-Politik“
> findet Anhänger.
Bild: Sie steht im Stoff und will das zeigen: Franziska Giffey, SPD-Spitzenkand…
Berlin taz | Man musste auf der Facebookseite von Franziska Giffey lange
suchen, um von ihr etwas zur Berliner Landespolitik zu finden. Das einzige
Thema, zu dem sich die Bundesfamilienministerin und Spitzenkandidatin der
SPD für die Wahl im September bis vor Kurzem äußerte, war der Spreepark in
Treptow. Dieser, so freute sie sich, solle nun mit Mitteln des Bundes
„wieder aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden“.
In so einen Dornröschenschlaf war auch die SPD gefallen. Umfragen sahen sie
bis in die jüngste Zeit bei 15 bis 18 Prozent, weit hinter den Grünen und
der CDU, die das Rennen um Platz eins unter sich auszumachen schienen. Als
Giffey am 28. November erst zur Landesvorsitzenden der Berliner SPD und
einen Tag später zur Spitzenkandidatin für das Amt der Regierenden
Bürgermeisterin gekürt wurde, war damit auch die Hoffnung verbunden, dass
die 42-Jährige ihre Partei wieder wachküssen könnte.
Und tatsächlich ist seit Ende Februar von einem „Giffey-Effekt“ die Rede.
Beim „Berlin Trend“ des RBB und der Morgenpost vom 24. Februar kam die SPD
zwar nicht über 18 Prozent hinaus. Die persönlichen Werte für Giffey aber
gelten in der Partei seitdem als Mutmacher. Von den Spitzenkandidatinnen
und -kandidaten der Berliner Parteien steht Giffey mit einem
Zustimmungswert von 47 Prozent ganz oben. Ihre [1][grüne Mitbewerberin
Bettina Jarasch] kommt nur auf 10 Prozent, 14 Prozent sind mit Jaraschs
Arbeit sogar eher unzufrieden.
Eine Momentaufnahme ist das, aber eine, an der sich Giffey in den kommenden
Monaten messen lassen wird. Denn je näher der Wahltermin rückt, desto
größer wird auch der Druck, sich zu landespolitischen Fragen äußern zu
müssen. Solche Auftritte aber sind, nicht nur auf ihrer Facebook-Seite,
rar. Zuletzt ließ sie sich Ende Dezember bei einem „Metropolengespräch“ d…
Architekten- und Ingenieurvereins (AIV) zur Landespolitik befragen. Viel
redete die Familienministerin dabei über ihre 16 Jahre als Stadträtin und
Bürgermeisterin in Neukölln. Aber Neukölln ist eben nicht, wie Giffeys
Bürgermeistervorgänger Heinz Buschkowsky behauptete, überall, noch nicht
mal in Berlin.
## Das Künast-Problem
In der Partei heißt es, Giffey müsse sich mit den landespolitischen Themen
erst noch vertraut machen. Ein ähnliches Problem hatte vor zehn Jahren
Renate Künast, die bei der Wahl 2011 Klaus Wowereit herausfordern wollte.
Künast verhedderte sich bei einigen Themen, damals hieß es, die
Kommunikation zwischen Partei und Kandidatin sei nicht gut gelaufen. Man
darf gespannt sein, wie es in der SPD sein wird, wenn sich Giffey
detailliert zu Fragen der Umweltpolitik oder zur Berliner Kultur äußern
soll.
Bislang blieb sie auf diesen Feldern eher vage. Nach ihrer Wahl mit
Fraktionschef Raed Saleh zur Landesvorsitzenden der Berliner SPD trat sie
lediglich mit ihrer Forderung nach den „fünf B“ vor die Presse. Zu denen
gehören für Giffey „Bauen, Bildung, Bürgernähe, beste Wirtschaft und Berl…
in Sicherheit“. Berlin mit B, witzelte damals die FAZ in Anspielung auf
ihre Doktorarbeit, da müsse selbst Giffey nicht abschreiben.
Das B wie Bauen spricht Giffey gleich drei Mal aus: bauen, bauen, bauen.
Auch beim Metropolengespräch des AIV setzt sie auf das Thema – und versucht
einen Spagat. Einerseits sagt sie: „Wohnen ist die große soziale Frage der
Stadt. Es darf nicht sein, dass die City nur für die Reichen ist, während
alle anderen am Stadtrand sind.“ Andererseits legt sie Wert darauf, dass
der [2][Mietendeckel „eine befristete Sache] ist“. Vielleicht ist es diese
Strategie, mit der Giffey im Wahlkampf noch mehr punkten will: eine
Kümmerin, vor der niemand Angst haben muss – auch nicht die
Immobilienwirtschaft.
Ihre Partei jedenfalls trägt erst mal alles mit. Auch die neue Strategie,
nicht in den Innenstadtbezirken punkten zu wollen, die Giffey und Saleh
ohnehin bei den Grünen sehen, sondern vor allem außerhalb des S-Bahn-Rings.
Wieder autofreundlicher soll die SPD deshalb werden oder zumindest weniger
autofeindlich. Auch mit der Sicherheit, der sozialen, wie auch der inneren,
will Giffey bei den „kleinen Leuten“ punkten. Der Streit zwischen
Bundeschefin Saskia Esken und Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse über
Identitätspolitik kommt da zur Unzeit.
Oder doch nicht? Inzwischen mehren sich auch innerhalb der SPD die Stimmen,
die sagen, nicht die Union, sondern die Grünen seien der wichtigste Gegner
im Wahlkampf. Ausgesprochen hat das der Parteikenner Ed Koch in seinem
Newsletter paperpress. Dort schreibt er: „Ich gebe zu, skeptisch zu sein,
ob es schlau ist, dass die SPD ihren Wahlkampf vor allem gegen die Grünen
führt. Inzwischen glaube ich, dass die SPD damit punkten könnte.“ Zur
Begründung führt Koch an: „Viele Menschen in Berlin haben genug von der
grünen Verkehrspolitik, die vor allem Autofahrende verteufelt.“
## SPD will ein Super-Ressort
Zumindest in dieser Sache zeigen sich die Lager von Noch-Regierungschef
Michael Müller, zu dem Koch zählt, und die neue Parteiführung einig. Im
Metropolengespräch betonte Giffey jedenfalls, es sei wichtig für die SPD,
dass Stadtentwicklung und Verkehrspolitik wieder zusammenkämen. Natürlich
heißt das auch unausgesprochen, dass die SPD darauf drängt, ein
Super-Ressort von Bauen, Stadtentwicklung und Verkehr zu bekommen. Das
wäre, wie auch das Innenressort, ein Posten, auf den sich Giffey einlassen
könnte, sollte die SPD es nicht schaffen, stärkste Partei zu werden, und
Michael Müller nach der Wahl auch im Roten Rathaus zu beerben.
Denn eines hat sich Giffey zu Herzen genommen. War der Wahlkampf von Renate
Künast am Ende auch an der Frage gescheitert, ob sie im Falle einer
Niederlage in der Landespolitik bleibe oder wieder in die Bundespolitik
zurückgehe, hat sich Giffey in dieser Sache früh entschieden: Ein „Hin- und
Hergewechsel“ nach dem Motto „das eine klappt nicht, dann gehe ich doch
wieder“ lehne sie ab, sagte sie Ende Februar dem SWR. „Ich habe mich ganz
klar bekannt.“ Mit ihrer Spitzenkandidatur habe sie sich verpflichtet, für
das Berliner Abgeordnetenhaus und für ihren Wahlkreis Rudow in Neukölln
einzutreten.
Inzwischen gibt es auf Giffeys Facebookseite ein weiteres landespolitisches
Posting. „Heute habe ich gemeinsam mit der Berliner Gesundheitssenatorin
Dilek Kalayci das sechste Berliner Impfzentrum auf dem ehemaligen Flughafen
Tempelhof eröffnet“, schreibt sie. Die sozialdemokratische Macherin gegen
die Pannenimpfer der CDU. Der Wahlkampf, so scheint es, hat begonnen. Auch
in Berlin.
11 Mar 2021
## LINKS
[1] /Was-bringt-das-neue-Jahr-III/!5740044
[2] /Entwurf-des-Berliner-SPD-Wahlprogramms/!5748414
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Wahlkampf
Berlin
Bettina Jarasch
Franziska Giffey
SPD Berlin
Franziska Giffey
SPD Berlin
Michael Müller
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Bettina Jarasch
Grüne Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Sandra Scheeres
Raed Saleh
Grüne Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berlins Müll und warum Glas mit Klas heißt: Giffey gewohnt alliterarisch
Die Wirtschaftssenatorin kleidet sich orange und legt Hand an einen
Müllcontainer. Dass es mehr Geld für die BSR gibt, begründet sie mit den
vier „K“.
Berliner SPD krönt Spitzenkandidatin: Gärtnern mit Giffey
Eine Krönungsmesse in der Gartenlaube. Beim Parteitag der Berliner SPD wird
Franziska Giffey mit 86 Prozent zur Spitzenkandidatin gewählt.
SPD-Liste für den Bundestag: Michael Müller in der Poleposition
Die Berliner SPD einigt sich nach langem Tauziehen auf die ersten drei
Listenplätze für die Bundestagswahl. Kevin Kühnert kandidiert auf Platz
drei.
Kandidaten fürs Rote Rathaus: Ein Wahlkampf mit der Doppelspitze
Da gibt es schon nach andere, die gern ganz oben stehen würden. Zum
Wahltermin hin heißt es aber vor allem Jarasch gegen Giffey.
Parteitag der Grünen: Aufsteigende Formkurve
Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stand unter Druck, ihrer viel
präsenten SPD-Konkurrentin Franziska Giffey Paroli zu bieten. Das hat
geklappt.
Grüne starten in dreitägige Konferenz: „Wir sind die neue Berlin-Partei“
Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nimmt in ihrer Rede Kurs auf
das Rote Rathaus und stellt den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Politik.
Berlins grüne Spitzenkandidatin Jarasch: Ihre Konterchance
Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch ist viel weniger bekannt als
SPD-Konkurrentin Giffey. Nach dem Parteitag am Wochenende könnte sich das
ändern.
SPD-Abgeordnete zu Wahlkampf 2021: „Der neutrale Staat ist zentral“
Was will die Berliner SPD bildungspolitisch im Wahlkampf? SPD-Abgeordnete
Maja Lasić über neoliberale Ideen und Identitätspolitik in der
Kopftuchfrage.
SPD-Fraktionsschef und seine Kritiker: Spiel mir das Lied von Raed Saleh
Vor drei Jahren kritisierten 14 Mitglieder der Berliner SPD-Fraktion ihren
Chef. Das bekommen jene zu spüren, die sich nicht mit ihm arrangiert haben.
Programm für Berliner Wahl 2021: Grüne wollen gerufen werden
Die Partei stellt den Entwurf eines Programms vor. Sie fordert mehr Busse
und U-Bahn(linien), den Umbau der Verwaltung und einen Ersatz für den
Mietendeckel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.