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# taz.de -- Sofaberlinale – Kinofestival digital: Tage des einsamen Streamens
> Am Montag beginnt die 71. Berlinale. Aber nicht richtig. Ohne Kinos,
> Publikum, roten Teppich oder Stars. Kritiker dürfen online schauen.
Bild: Lisa (Ani Karseladze) in „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?�…
Die gute Nachricht ist weiterhin: Die Berlinale muss nicht ausfallen. Viele
andere Filmfestivals sind seit vergangenem Jahr schlechter gefahren,
wurden, wie Cannes, weitestgehend gestrichen, oder liefen, wie Sundance im
Februar, gleich ganz online. Zwar blieben im Februar, als die Berlinale
hätte starten sollen, die Kinos in Berlin geschlossen, sie bleiben es auch
jetzt, doch zumindest für Juni steht eine Lösung an, bei der das
Berlinale-Publikum endlich wieder im größeren Stil im Kino und Open Air
gucken kann. Dafür ist die Berlinale diesmal zwei Festivals.
In dieser Woche, wenn der erste Teil der 71. Internationalen Filmfestspiele
Berlin beginnt, sitzen Journalisten und Branchenvertreter erst einmal zu
Hause und schauen die Filme an ihren Bildschirmen, mit täglich wechselndem
Programm. Statt „Filmfestival“ heißt dieser Abschnitt der Berlinale
„Industry Event“, auf den im Sommer das saisonal treffend betitelte „Summ…
Special“ folgt.
Die Presse hat während des „Industry Event“ die Möglichkeit, den Großteil
des offiziellen Programms online zu sehen. Abgesehen von der Retrospektive
sind alle Sektionen vertreten, auch die „Encounters“, die 2020, bei der
[1][ersten Berlinale unter der künstlerischen Leitung von Carlo Chatrian
und der Geschäftsführung von Mariette Rissenbeek], als Sektion neu
hinzugekommen ist.
Die Auswahl fällt bei dieser Berlinale im Verhältnis zu den sonst üblichen
rund 400 Filmen allerdings deutlich kleiner aus. Mit 166 Filmen bieten die
Internationalen Filmfestspiele Berlin etwa 40 Prozent der sonstigen Menge
an Programm. Für das Publikumsfestival, als das sich die Berlinale von den
exklusiveren beiden anderen großen Festivals in Cannes und Venedig stets
ausdrücklich unterschieden hat, bedeutet das einen kräftigen Einschnitt.
## Großes Rätselraten
Nun sind 166 Filme immer noch zu viele, um sie in fünf Tagen, so lange
dauert die März-Station der Berlinale, alle zu sehen. Und selbst wenn man
die 34 Kurzfilme darunter abzöge, blieben mit den verbliebenen 132 immer
noch eine stattliche Menge an Langfilmen. Bei der Presse gab es seit der
Bekanntgabe der Pandemie-Lösung für die Berlinale denn auch allenthalben
Rätselraten, wie sich sinnvoll darüber berichten lässt. Das schaulustige
Publikum jedenfalls hat aktuell wenig von einer umfangreichen Präsentation
eines Programms, das ihm bis zum Sommer vorenthalten bleibt, sofern keiner
der Filme bis dahin schon im Kino gestartet ist.
Da jetzt parallel zum „Branchentreff“ eine aus Berlinale-Preisträgern
zusammengesetzte sechsköpfige Jury ohne Vorsitz die Filme des Wettbewerbs
schauen und am Ende der Woche auszeichnen wird, wäre es andererseits
falsch, gar nicht davon zu berichten. Über den Wettbewerb und weitere
Programmhöhepunkte wird es daher täglich bei uns zu lesen geben. Im Sommer
muss man weitersehen.
Derweil fehlt all das, was die Berlinale sonst ausmacht: das Treiben am
Potsdamer Platz, die Hysterie, die sich beim gemeinsamen geballten
Dauergucken einstellt, die Begegnungen am Rande, selbst die üblichen Bären
und großflächig verteilten Plakate in der Stadt. Auch der spontane
Austausch untereinander fehlt.
## Schwierige Lösung
Die große Schwierigkeit dieser Lösung der Berlinale hat mit der Erfordernis
zu tun, im März die Geschäfte der Filmbranche beim European Film Market zu
erledigen. Für die hoffentlich irgendwann im Frühling wieder öffnenden
Kinos braucht es schließlich neue Angebote, die über die aus dem
vergangenen Jahr übriggebliebenen, da verschobenen Filmstarts hinausgehen.
So verzichtet man dieser Tage auf Dinge wie den Glamour der Stars auf dem
roten Teppich, um den Preis, dass es im Sommer nicht einmal mehr das
Fiebern um die Vergabe der Bären geben wird. Und wer weiß, wie stark das
Interesse dann an Filmen sein wird, die ohne Preis geblieben oder von der
Presse verrissen wurden?
Hinzu kommt, dass es im Juni anscheinend wenig bis keine Aktivität im
Berlinale-Palast am Potsdamer Platz geben wird.
Stattdessen ist eine dezentrale Lösung mit verschiedenen Berliner Kinos
angekündigt. Auch werden wohl nicht einmal alle der jetzt vorgestellten
Filme gezeigt. Wie da viel an Berlinale-Euphorie aufkommen soll, ist
fraglich. Man kann nur hoffen, dass dies eine einmalige Notlösung bleiben
wird.
## Deutsche Filme
Denn die Filme der 71. Berlinale lassen, ungeachtet ihrer übersichtlichen
Zahl, allemal aufmerken. Aus Deutschland sind nicht allein Spielfilme von
[2][Maria Schrader], Dominik Graf und, als Regiedebüt, von Daniel Brühl im
Wettbewerb vertreten, mit [3][Maria Speths] „Herr Bachmann und seine
Klasse“ ist zudem ein Dokumentarfilm darunter, der über dreieinhalb Stunden
am Beispiel einer hessischen Schulklasse höchst dringlichen Fragen wie
denen nach dem Lernen zu Hause und der gesellschaftlichen Aufgabe von
Bildung nachgeht.
Und der japanische Regisseur Ryusuke Hamaguchi nimmt in seinem
Wettbewerbsbeitrag „Wheel of Fortune and Fantasy“ die Rolle der Frauen in
seinem Land in den Blick.
Dazu gibt es mit „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ von
Alexandre Koberidze einen Spielfilm aus Georgien voller „Poesie der
Ziellosigkeit“ im Wettbewerb, und, als Berlinale Special, den
Dokumentarfilm „Courage“ von [4][Aliaksei Paluyan über die Proteste in
Belarus.] Die Reihen Encounters, Forum und Panorama machen ihrerseits
neugierig auf Entdeckungen.
Ob die Filme im Juni dann ihren nötigen Rahmen geboten bekommen, bleibt
abzuwarten. Tröstend ist immerhin, dass die Aussicht auf erneuten
Kinobesuch schon Grund genug zur Freude sein und für regen Zulauf sorgen
dürfte. Es wird ein Durchhaltefestival gewesen sein. Auf einer Reise ins
Ungewisse.
28 Feb 2021
## LINKS
[1] /Iranischer-Film-gewinnt-die-Berlinale/!5668002
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[4] /Literatur-und-Unterdrueckung/!5752265
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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