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# taz.de -- Berlinale-Chefs zum Pandemie-Festival: „Die Welt war wie abgerieg…
> Am 9. Juni startet Teil zwei der Berlinale, diesmal mit Publikum. Die
> Festival-Chefs sagen, was ihn wichtig macht, obwohl die Sieger schon
> feststehen.
Bild: Freiluftkino als die beste Option: die Berlinale-Leitung Mariette Rissenb…
taz am wochenende: Frau Rissenbeek, Herr Chatrian, nächste Woche beginnt
das Berlinale „Summer Special“. [1][Die Vergabe der Bären war schon im
März]. Wie sehen Sie diesem Publikumsteil des Festivals ohne
Überraschungsmoment entgegen?
Mariette Rissenbeek: Ich bin begeistert, dass wir endlich wieder Kino auf
der Leinwand anbieten und Publikum empfangen können. Der Gewinner des
Publikumspreises kommt als Überraschung am letzten Tag. Die Leute gehen elf
Tage zur Berlinale und schauen nicht nur Wettbewerbsfilme, sondern quer
durch die Sektionen. Sie wollen sich anregen lassen, interessieren sich
für bestimmte Themen, Filmemacher*innen oder bestimmte
Schauspieler*innen. Es geht ja nicht nur um die Bären-Preise.
Carlo Chatrian: Die Frage ist: Was ist ein Festival? Ein Festival ist das
Ergebnis eines Reflexionsprozesses, die Auswahl eines Ensembles von Filmen.
Einige haben einen Preis erhalten, andere nicht, für einige gab es gute
Kritiken, für andere nicht. Ein Festival ist aber auch das, was diese
Filmauswahl umgibt. Nicht allein das professionelle Feedback, sondern auch
die Zusammenkunft, die Verbindungen zwischen den Filmen als Objekten und
dem Publikum, den Leuten, die diese Filme sehen. Je nachdem, welchen Teil
man bevorzugt, hat sich das Festival daher entweder schon ereignet oder
muss sich erst noch ereignen. Für mich gilt Letzteres. Ich freue mich
darauf, Filme vorzustellen und zu sehen, wie das Publikum reagiert, mit was
für Gefühlen oder Gedanken.
Die Kinos öffnen langsam wieder. Wie groß ist Ihre Enttäuschung, sich auf
Open-Air-Vorführungen beschränken zu müssen?
Rissenbeek: Es ist zwar so, dass die Kinos ab nächster Woche öffnen dürfen,
aber ich bin ständig im Gespräch mit Kinobetreibern, und alle sagen, sie
werden ihre Kinos vor dem 1. Juli nicht aufmachen, weil sie den Kinobetrieb
nicht von heute auf morgen wieder starten können. Sie müssen die Leute aus
der Kurzarbeit holen, und sie brauchen einen bundesweiten Verleihstart von
Filmen, um funktionieren zu können. Das andere ist: Die Berlinale ist eine
große Veranstaltung, wir haben über 100 Filme, wir können nicht innerhalb
einer Woche ein Festival programmieren. Es hätte keinen Sinn gehabt, auf
Risiko zu gehen und zu denken, dass die Kinos schon werden öffnen dürfen.
Chatrian: Ich glaube, die Freiluftkino-Option ist auch als Symbol die beste
Option. In Berlin gab es einen langen Lockdown, und jetzt ein Dach über dem
Kopf zu haben, würde stark an diese Erfahrung erinnern. Die Möglichkeit,
Filme unter den Sternen zeigen zu können, weckt ein völlig anderes Gefühl.
Wir haben zudem ein Freiluftkino auf der Museumsinsel eingerichtet, das mit
seiner Lage im Stadtzentrum inmitten der Museen ebenfalls von symbolischer
Bedeutung ist. Wir geben damit zu verstehen, dass wir Teil eines größeren
kulturellen Ganzen sind, das stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Im vorigen Jahr hatten Sie die Möglichkeit einer in Teilen digitalen
Berlinale noch ausgeschlossen. Was hat Sie bewogen, im März neben der
Filmbranche auch der Presse ein Online-Festival zu präsentieren und auch
schon die Preise zu vergeben?
Chatrian: Wir hatten viele Bitten aus der Filmbranche erhalten, den
European Film Market nicht abzusagen. Und ein Markt ohne Festival mit
Sektionen hätte keinen Sinn gehabt. Da es einen Wettbewerb gab, war es
praktisch unvermeidlich, diesen von der Jury auszeichnen zu lassen. Wir
haben das Online-Angebot dann auf die Leute beschränkt, die von [2][Berufs
wegen daran gewöhnt sind, Filme online zu sehen]. Dem Publikum wollten wir
die Filme aber nicht online zeigen, weil wir glauben, dass die gemeinsame
Erfahrung genauso wichtig ist wie das Auswählen der Filme.
Die Entscheidung, das Festival zu teilen, wurde auch kritisiert. Droht dem
Publikumsteil ein Bedeutungsverlust?
Chatrian: Die Entscheidung, das Festival zu teilen, war Resultat des
Lockdowns. Uns ist bewusst, dass es für das Publikum nicht optimal ist,
drei Monate zu warten, bis sie die Filme sehen können, die schon besprochen
wurden. Andererseits haben wir den Ticketverkauf am Donnerstag gestartet,
und die Reaktionen waren überaus positiv. Die Leute wollen die Filme sehen,
und sie sind froh, sie gemeinsam anzusehen statt allein am Laptop.
Eine weitere Besonderheit ist das deutlich kleinere Programm: eine reine
Notlösung oder möglicher Präzedenzfall?
Rissenbeek: Wir mussten die Anzahl der Filme reduzieren, weil wir
ursprünglich wollten, dass möglichst viele Leute ein Ticket für den
jeweiligen Film kaufen können. Wir mussten schon im Dezember mit
Platzbeschränkungen rechnen. Im April mussten wir uns noch einmal vom Kino
innen aufs Kino außen umstellen, was eine weitere Beschränkung bedeutete,
denn im Freiluftkino können wir nur einen Film am Abend spielen. Für
nächstes Jahr wollen wir das nicht. Normalerweise verkauft die Berlinale
330.000 Tickets, mit 100 Filmen geht das aber nicht.
In diesem Jahr bilden einige Filme wie der Gewinner des Goldenen Bären von
Radu Jude die Pandemie ab. Erwarten Sie nächstes Jahr mehr Filme dieser
Art?
Chatrian: Die Filme wurden vor der Pandemie entwickelt, in einigen findet
sich aber ein Widerhall der Pandemie: Leute tragen Masken, sie sind allein
und so weiter. [3][Die Filme, die direkt von der Pandemie inspiriert waren,
erschienen mir hingegen zu flach.] Ich bin mir jedoch sicher, dass viele
Filme sich in Zukunft direkt oder indirekt mit dem befassen werden, was
geschehen ist. Es war ein Ereignis von großer Tragweite. Drei Monate lang
war die Welt wie abgeriegelt. Zwölf Monate danach erscheint die Welt
gespaltener als je zuvor. Ich bin daher neugierig, wie Filmemacher und
Künstler das in Kunstformen übertragen werden.
5 Jun 2021
## LINKS
[1] /Die-Berlinale-DirektorInnen-im-Interview/!5662707
[2] /Sofaberlinale--Kinofestival-digital/!5749437
[3] /Kinofilme-ueber-die-Pandemie/!5765819
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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