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# taz.de -- Zwangsräumung in Hamburg: Trotz Corona vor die Tür gesetzt
> Zwar ist 2020 die Zahl der Zwangsräumungen im Vergleich zum Vorjahr
> gesunken, doch angesichts der Pandemie nur wenig – auch bei der
> städtischen Saga.
Bild: Trotz Pandemie stehen Zwangsvollzieher:innen vor vielen Türen
Hamburg taz | Die Wohnung weg inmitten der Pandemie: [1][In Hamburg liegen
nun die Zahlen der Zwangsräumungen] für das vergangene Jahr vor. So gab es
insgesamt 977 Räumungen, wovon etwas mehr als 600 Fälle in die Zeit der
Pandemie fallen. Im Jahr zuvor waren es 1.239 Räumungen.
Das ist zwar ein Minus von rund 21 Prozent, die Linksfraktion ist dennoch
empört: „Menschen verlieren mitten in der Pandemie ihre Wohnung und niemand
tut etwas dagegen“, sagt Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der
Bürgerschaftsfraktion.
Die Linke beklagt, dass sich die Stadt [2][angesichts steigender
Erwerbslosigkeit und gleich hoch bleibender Mieten] kaum für die Sicherung
von Wohnraum einsetze – das würden die Räumungszahlen zeigen. Dabei hatten
sich die Hamburger Justizbehörde und das Amtsgericht Mitte vergangenen März
darauf geeinigt, Zwangsräumungen bis nach der Krise aufzuschieben und auch
niemandem den Strom abzustellen, der coronabedingt nicht zahlt.
Vordergründig wurde bei der Entscheidung nicht [3][die möglicherweise
problematische Situation von Mieter:innen] angeführt, sondern die
Ansteckungsgefahr für Gerichtsvollzieher:innen bei diesen
Außendiensten. Anfang Juli jedoch hatten Gerichtsvollzieher:innen
wieder vollumfänglich ihre Arbeit aufgenommen.
## Hamburg im allgemeinen Trend
Hamburg ist das erste Bundesland im Norden, über das Zahlen von
Zwangsräumungen im Pandemiejahr 2020 bekannt sind. Zahlen anderer Kommunen
im Norden, etwa aus Hannover, lassen aber darauf deuten, dass die Hamburger
Zahl im allgemeinen Trend liegt. In Hannover wurden in den sieben Monaten
zwischen März und September vergangenen Jahres 141 Zwangsräumungen
durchgeführt.
Im gesamten Vorjahr waren es 314. Somit dürfte es aufs Jahr gerechnet auch
dort einen nur moderaten Rückgang gegeben haben.
Besonders empört ist die Linke, dass ein relevanter Teil der Räumungen seit
Pandemiebeginn bei der städtischen Saga stattgefunden hat. 109
Zwangsräumungen aus dem Mietbestand des städtischen Wohnungsunternehmens
gab es dort. Während die Saga in den ersten Monaten der Pandemie darauf
fast vollständig verzichtete, sprangen die Zahlen Mitte vergangenen Jahres
wieder in die Höhe.
## Zwangsräumung als „letztes Mittel“
Unsoziales Handeln sieht die Saga darin nicht. „Die Durchführung einer
Räumung ist immer das letzte mögliche Mittel“, sagt Saga-Sprecher Gunnar
Gläser. Gründe für die Durchsetzung einer Räumung können wiederholte
Verstöße gegen die Hausordnung sowie insbesondere massives und wiederholtes
Fehlverhalten des Mieters und eine damit einhergehende unzumutbare
Belastung der Nachbarschaft sein.
Es habe sich nicht um Mieter:innen gehandelt, die wegen der Pandemie
kein Geld mehr zum Zahlen der Miete haben. „Weiterhin gilt unsere Zusage,
dass wir auf fristlose Kündigungen oder Räumungen in Fällen nachweislich
durch die Coronakrise bedingter Zahlungsausfälle oder Mietrückstände
verzichten“, sagt Gläser.
Die Zahlen gehen aus der Antwort einer Anfrage der Linksfraktion hervor.
Darin betont der Senat allerdings auch, dass die Fachstellen für
Wohnungsnotfälle mit ihrer Präventionsarbeit einen großen Beitrag leisten,
um Wohnungslosigkeit zu vermeiden.
Bei Hinweisen auf eine ungesicherte Wohnsituation würden sie umgehend
Kontakt mit den betroffenen Personen aufnehmen, um eine Räumung abzuwenden
oder für eine neue Unterbringung zu sorgen. Allein zwischen Oktober und
Dezember suchten dort mehr als 1.300 Haushalte Hilfe.
Die Hamburger Linksfraktion fordert in der am Mittwoch anstehenden
Bürgerschaftssitzung mit einem Antrag die vorläufige Aussetzung aller
Zwangsräumungen.
9 Feb 2021
## LINKS
[1] /Hamburg-laesst-wieder-Wohnungen-raeumen/!5723759
[2] /Mietstreik-in-Hamburg/!5673132
[3] /Dekret-waehrend-Corona-in-Spanien/!5740253
## AUTOREN
André Zuschlag
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Mieten Hamburg
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