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# taz.de -- Hamburg lässt wieder Wohnungen räumen: Hygienisch in die Obdachlo…
> Im Frühjahr hatte Hamburg auf Zwangsräumungen verzichtet. Aber im dritten
> Quartal 2020 wurden trotz Pandemie mehr Wohnungen geräumt als 2019.
Bild: Protest gegen Zwangsräumungen regt sich immer wieder
Hamburg taz | Während der Coronapandemie ihre Wohnung zu verlieren, trifft
Menschen besonders hart. Im Frühjahr [1][hat der Senat Zwangsräumungen
reduziert] – um das Infektionsgeschehen zu verringern, vor allem aber um
die eigenen Gerichtsvollzieher*innen zu schützen. Die Pause, von der
natürlich auch die Mieter*innen profitierten, ist jedoch beendet. Im
dritten Quartal 2020 gab es sogar mehr Zwangsräumungen als im Vorjahr.
Das geht aus der [2][Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der
Linken-Fraktion] hervor. In Hamburg wurden von Anfang Juli bis Ende
September 326 Haushalte zwangsgeräumt, 18 mehr als im gleichen Zeitraum
2019. Insgesamt waren es 2020 bisher 767 Räumungen. Seit dem zehnten Juni
diesen Jahres haben die Gerichtsvollzieher*innen ihre Arbeit wieder
vollständig aufgenommen.
Für viele Menschen ist die Zwangsräumung der Beginn der Obdachlosigkeit.
Aus einer Befragung der [3][Gesellschaft für Organisation und Entscheidung
Bielefeld] aus dem Jahr 2018 geht hervor, dass 26,5 Prozent der befragten
Obdachlosen ihre Situation mit dem Wohnungsverlust oder einem damit in
Zusammenhang stehenden Verlust der Arbeit begründen.
Einen Antrag der Linken, die Zwangsräumungen für das Jahr 2020 wegen der
Coronapandemie und deren wirtschaftlichen und sozialen Folgen auszusetzen,
haben alle anderen Fraktionen abgelehnt. Die Linken-Politikerin Stefanie
Rose kritisiert, dass der Grund für die Reduzierung der Zwangsräumungen
nicht der Schutz der Mieter*innen vor drohender Obdachlosigkeit gewesen
sei, sondern es „primär um den Schutz der Gerichtsvollzieher*innen im
Außendienst“ gegangen sei.
## Räumungen nur verschoben
Auch das [4][städtische Wohnungsbauunternehmen Saga] ließ mehr Wohnungen
räumen als im gleichen Quartal 2019. Laut Saga-Sprecher Gunnar Gläser liegt
das an der zeitlichen Verschiebung von Räumungen ins dritte Quartal und
nicht an einer generellen Zunahme von Räumungen. Außerdem liege die
Gesamtzahl trotzdem noch auf dem Niveau des Vorjahres. Eine Verschiebung
von Räumungen hält auch Kai Wantzen, Sprecher der Hamburger Gerichte, für
die wahrscheinlichste Erklärung.
In der Antwort des Senats auf die Anfrage der Linken bleiben allerdings
viele Fragen offen, da nach einer IT-Umstellung schlicht die Daten fehlen.
So ist beispielsweise unklar, wie viele Menschen zu Beginn der Pandemie
durch Hilfs- und Beratungsangebote der Fachstellen für Wohnungsnotfälle
langfristig vor der Räumung gerettet werden konnten.
Der Verantwortung gegenüber den Mieter*innen zeigt sich die Saga bewusst:
Das Unternehmen verzichte „weiterhin auf fristlose Kündigungen oder
Räumungen in Fällen nachweislich durch die Coronakrise bedingter
Zahlungsausfälle oder Mietrückstände“, sagt Saga-Sprecher Gläser.
Außerdem würde das Tochterunternehmen der SAGA, der Wohnservice Hamburg
(WSH), bei Mietrückständen „eine frühzeitige Beratung mit dem Ziel der
Reduzierung von Mietrückständen durchführen“. Trotzdem werde weiterhin
geräumt, wenn der Hausfrieden massiv gestört sei.
## Stadt lehnt Räumungs-Stopp ab
Die Linken-Abgeordnete Rose fordert einen kompletten Stopp von
Zwangsräumungen. Sie begründet dies mit den andauernden Folgen der
Pandemie. Die derzeitige Lage sei mit der im Frühjahr vergleichbar.
Auch die Geschäftsführerin des [5][Vereins Mieter helfen Mietern] Sylvia
Sonnemann warnt davor, Menschen, vor allem zu dieser Jahreszeit, auf die
Straße zu setzen. Auch sie appelliert an die Behörden, den Stopp
durchzusetzen.
Bisher ist die Stadt nicht darauf eingegangen. Anders als im Frühjahr gebe
es ein erprobtes Hygienekonzept, sagt Gerichtssprecher Wantzen. „Aktuell
gibt es daher keine Empfehlung, Termine zur Wohnungsräumung und zur Abgabe
der Vermögensauskunft abzusagen.“
12 Nov 2020
## LINKS
[1] /Mietstreik-in-Hamburg/!5673132
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/73098/zwangsraeumungen_in_…
[3] https://www.goe-bielefeld.de/download/Auswertungsbericht_Obdach-,_Wohnungsl…
[4] https://www.saga.hamburg/
[5] https://www.mhmhamburg.de/
## AUTOREN
Lissy Malethan
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