| # taz.de -- Expertin über Obdachlose und die Kälte: „Es ist eine üble Situ… | |
| > Monika Kelting hilft Obdachlosen in Hamburg. Sie erklärt, wie Corona die | |
| > Lage der Menschen verschlimmert und warum klassische Notunterkünfte oft | |
| > gemieden werden. | |
| Bild: Für Wohnungslose sind vor allem Nässe und kalter Wind im Winter lebensg… | |
| taz: Frau Kelting, Sie organisieren in Hamburg den sogenannten Kältebus, | |
| mit dem Freiwillige den Obdachlosen Hamburgs im Winter helfen. Was bedeuten | |
| die aktuellen Temperaturen für die Menschen auf der Straße? | |
| Monika Kelting: Für Obdachlose ist es [1][akut lebensgefährlich, wenn es so | |
| kalt wird]. Trockene Kälte ist auszuhalten, aber Nässe und kalter Wind sind | |
| schlimm. Die, denen wir auf der Straße begegnen, sind steifgefroren, können | |
| ihre Hände nicht mehr bewegen oder nicht mehr laufen, einfach, weil es so | |
| kalt ist. Wenn einmal die Socken nass geworden sind… Es ist eine üble | |
| Situation. | |
| Welche Rolle spielt die [2][Coronakrise]? | |
| Zusätzlich zur Kälte sind auch Hunger und Durst gerade ein großes Problem. | |
| Die Wassersäulen, an denen Obdachlose in Hamburg sonst trinken konnten, | |
| sind wegen der Coronakrise abgeschaltet. Und die Gastronomie ist auch zu. | |
| Vor der Pandemie konnten sich die Menschen in einem McDonalds kurz | |
| aufwärmen oder um ein Glas Wasser bitten. Die meisten kannten irgendwo | |
| jemanden, der ihnen ab und zu etwas zu essen gegeben hat. | |
| Betteln und Flaschensammeln ist auch sehr schwierig geworden. Vor der Krise | |
| konnten die Obdachlosen bei Menschenansammlungen vor Kinos oder Theatern | |
| gut ihre Straßenzeitungen verkaufen oder um eine Spende bitten. Das geht | |
| jetzt nicht mehr. | |
| Wie helfen Sie? | |
| Wir fahren mit dem Kältebus derzeit 40 bis 50 Liter heiße Suppe durch die | |
| Stadt. Vor allem nach Süßigkeiten wie Schokolade werden wir auch immer | |
| wieder gefragt. Man unterschätzt, wie viel Energie es kostet, bei diesen | |
| Temperaturen draußen zu leben. Schlafsäcke, Wolldecken und Isomatten | |
| verteilen wir auch. | |
| Sie sind nicht die einzigen, die organisiert helfen … | |
| Es gibt viele Anlaufstellen in Hamburg. Aber auch die sind durch die | |
| Coronakrise eingeschränkt. Suppenküchen haben zwar teils große Räume, aber | |
| um die Pandemie einzudämmen, dürfen nur noch wenige Obdachlose kommen. Wo | |
| vorher 400 Mahlzeiten verteilt werden konnten, sind jetzt nur noch 200 | |
| möglich. | |
| Können die Obdachlosen nicht in Notunterkünfte gehen, um zu essen, zu | |
| schlafen und sich aufzuwärmen? | |
| In Hamburg gibt es etwa 1.000 Betten über das sogenannte Winternotprogramm. | |
| Viele Obdachlose gehen aber nur sehr ungern in solche Unterkünfte, die | |
| Mehrbettzimmer bieten nur wenig Intimsphäre, außerdem ist es dort oft | |
| schmutzig und es kommt schnell zu Streit. Trotzdem: Bei diesen Temperaturen | |
| ist das besser als auf der Straße. Aber nicht alle Obdachlosen sehen das | |
| so. | |
| ## Haben die Obdachlosen Angst vor einer Corona-Infektion? | |
| Das glaube ich nicht, die meisten haben die Notunterkünfte auch vor der | |
| Pandemie schon gemieden. | |
| Linke und CDU fordern in Hamburg, Obdachlose in den gerade leerstehenden | |
| Hotels und Jugendherbergen unterzubringen. Würde das helfen? | |
| Einzelzimmer würden vieles ändern, so ein Angebot würde sofort angenommen. | |
| In geringem Umfang werden Obdachlose auch jetzt schon in Hotels | |
| untergebracht. Und diejenigen, die dort unterkommen, sind begeistert. Auch | |
| die Hotels nehmen die Obdachlosen meist gerne auf, die Stadt zahlt | |
| schließlich. Man könnte auch die Container-Unterkünfte aufmachen, in denen | |
| früher Flüchtlinge gewohnt haben und von denen im Moment viele leer stehen. | |
| Das würde helfen, ist aber wohl politisch nicht gewollt. | |
| Was meinen Sie? | |
| Die Stadt fürchtet, dass noch mehr Obdachlose kommen, wenn es denen zu gut | |
| geht, die schon hier sind. | |
| Kann man denn als Privatperson irgendwie helfen? | |
| Wir sehen schon unheimlich viele Leute, die mit Thermoskannen durch die | |
| Straßen laufen und heiße Getränke verteilen. Die Menschen tun schon eine | |
| ganze Menge, um zu helfen. Je mehr Privatpersonen helfen, desto weniger | |
| hilft die Stadt. Aber es gibt einfach Dinge, die nur die Stadt organisieren | |
| kann. | |
| Was könnte die Stadt tun, um langfristig zu helfen? | |
| Mir wäre vor allem eine Unterkunft für diejenigen wichtig, die auf der | |
| Straße leben und schwer oder todkrank sind. Diese Menschen sieht man | |
| tagsüber kaum, aber es gibt sie. Sie werden von den Krankenhäusern nach | |
| Operationen schnell wieder auf die Straße gesetzt, weil viele nicht | |
| krankenversichert sind. | |
| Wir haben außerdem zu wenige Sozialarbeiter. Denen gelingt es manchmal, den | |
| Obdachlosen tatsächlich wieder zu einer Wohnung zu verhelfen. | |
| 10 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Frederik Eikmanns | |
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