| # taz.de -- Vermieter kassiert für Schrottzimmer: „Menschenverachtende Haltu… | |
| > Ein Flensburger Spediteur vermietet Räume mit Mängeln bevorzugt an | |
| > Wohnungslose. Auf Proteste reagiert er mit Kündigungen. | |
| Bild: Ehemaliges Firmengebäude in der Flensburger Bismarckstraße: vermietet z… | |
| Neumünster taz | Ein gelber Container, von außen rissig und schmutzig, | |
| drinnen dunkel. Kaputte Fensterscheiben, Löcher in den Wänden, eine | |
| schmutzige Dusche, die sich, wie Küchenzeile und Waschmaschine, mehrere | |
| Personen teilen müssen. Ein Video der [1][Initiative „Helferherz“] zeigt | |
| die Räume eines ehemaligen Firmengebäudes in der Flensburger | |
| Bismarckstraße, in dem zwölf Personen leben. Ähnliche Zimmer gibt es | |
| offenbar auch in einem Gebäude in der Glücksburger Straße. Rund 400 Euro | |
| Miete pro Raum verlangt der Besitzer der Häuser, der Flensburger Spediteur | |
| Johannes Staats. | |
| Wer hier einzieht, glaubt, keine große Wahl zu haben, sagt Loretta Barclay | |
| Parz, Mitbegründerin der Obdachlosen-Initiative: „Die Leute wollen einen | |
| neuen Start, aber sie haben schlechte Schufa-Einträge.“ So ging es auch A. | |
| M. (Name der Redaktion bekannt), zurzeit Mieter und von Kündigung | |
| bedroht. A. M. hatte von anderen von einer freien Unterkunft gehört und war | |
| trotz des schlechten Zustands eingezogen: „Die Alternative war, auf der | |
| Straße zu bleiben. Es soll ja nur für den Übergang sein.“ | |
| Bewohner*innen und Barclay Parz schildern am Telefon die kaputten | |
| Fenster, den Siff in der Dusche und die Angst beim Toilettengang, weil sich | |
| oft Fremde in den Waschräumen aufhalten. Zwar seien getrennte Klos für | |
| Männer und Frauen vorgesehen, aber „die Duschen sind im Frauenwaschraum, | |
| und die Männer gehen eh, wo es ihnen grade passt“, sagt A. M. Beschwert | |
| hatte sich niemand der Bewohner*innen. Barclay Parz, die seit vergangenem | |
| Jahr ehrenamtlich bei „Helferherz“ tätig ist, versteht das: „Wer auf der | |
| Straße war, hat oft den Glauben daran verloren, dass irgendwo geholfen | |
| wird.“ | |
| Durch das Video wurden Medien auf den Fall aufmerksam, Lokalzeitungen | |
| fragten beim Vermieter nach. Der 80-jährige Johannes Staats nannte die | |
| Zustände in der Flensborg Avis „paradiesisch für diese Leute“. Kaputte | |
| Scheiben, Dreck? Alles Sache der Mieter, die selbst sauber machen müssten, | |
| so Staats zu den Flensburger Nachrichten. Renovierungen seien nicht | |
| geplant: „Wenn die Bewohner ständig Scheiben einschlagen und Türen | |
| eintreten, sehe ich nicht ein, das zu renovieren.“ | |
| ## Fadenscheinige Gründe für Kündigungen | |
| Seine einzige Reaktion auf die Proteste waren Kündigungen, aus Gründen, die | |
| die Betroffenen jedoch als vorgeschoben empfinden. „Helferherz“ hat den | |
| Mieterbund eingeschaltet, „die Anwälte sind richtig heiß auf den Fall“, | |
| sagt A. M. | |
| Neben Hilfe für die aktuell von Kündigung bedrohten Mieter*innen fordert | |
| Loretta Barclay Parz eine Dauerlösung: „Der Vermieter ist nicht bereit, | |
| etwas zu ändern. Wenn das nicht gestoppt wird, wird er die nächsten Leute | |
| rein holen.“ Rund 61.000 Euro Warmmiete jährlich – bezahlt vom Jobcenter | |
| oder der Stadt – brächten die zwölf Zimmer, hat die Linken-Ratsfrau Gabi | |
| Ritter berechnet: „Die Zustände und die menschenverachtende Haltung des | |
| Herrn Staats haben den Finger in die offene Wunde des privaten | |
| Wohnungsmarktes gelegt.“ | |
| Die Linken fordern mehr Sozialarbeit und mehr genossenschaftliche | |
| Wohnungen. Auch die SPD und die Grünen wollen mehr Projekte und Unterkünfte | |
| für Finanzschwache. Die CDU will generell mehr Wohnraum schaffen, findet | |
| aber – laut einer Stellungnahme aus dem vergangenen Jahr – den Anteil | |
| genossenschaftlicher Modelle in Flensburg bereits sehr hoch. | |
| Für die Unterbringung von Wohnungslosen ist die Kommune zuständig, | |
| kurzfristig in einem Wohnheim, langfristig mit Hilfsangeboten durch die | |
| „Fachstelle für Wohnungshilfe“, sagt Rathaussprecher Clemens Teschendorf. | |
| „Wir sind breit aufgestellt, bieten auch Schuldnerberatung an, damit die | |
| Wohnung möglichst gar nicht erst verloren geht.“ Wer ohne Dach überm Kopf | |
| sei, erhalte Tipps. Allerdings könne auch die Stadt nur auf den üblichen | |
| Wegen suchen, freie Wohnungen halte die Verwaltung nicht vor. | |
| Eines schließt Teschendorf aus: „Wir vermitteln nicht in Staats-Wohnungen, | |
| weil wir finden, das geht gar nicht.“ Wolle aber jemand dort einziehen, | |
| übernehme die Stadt die Miete: „Das hat mit Selbstbestimmung zu tun.“ | |
| Das bestätigt Sabine Jostmeier, Sprecherin des Flensburger Jobcenters, das | |
| die meisten der Mieten bezahlt: „Wir sind nicht Vertragspartner, sondern | |
| übernehmen nur die Kosten.“ Einflussnahme oder Verbote, in eine bestimmte | |
| Wohnung zu ziehen, gebe es nicht: „Wir führen keine Listen, wir möchten, | |
| dass unsere Kund*innen möglichst eigenständig sind.“ Höchstens bei Fällen | |
| von klarem Wucher könne die Kostenübernahme verweigert werden. Im Fall der | |
| Staats-Zimmer sei das „tricky“: Zwar sei die Summe mit rund 400 Euro recht | |
| hoch, allerdings gelten die Räume als „möbliert“, was die rechtliche | |
| Bewertung erschwert. | |
| Stadt und Jobcenter bieten Projekte und Hilfen an, darunter Gutscheine für | |
| eine Beratung im Mieterschutzbund. Das Rathaus schafft zudem zwei Stellen | |
| für Berater*innen, die Wohnräume besichtigen. Eingreifen könnten die | |
| Behörden aber erst, wenn Gebäude brand- oder einsturzgefährdet seien, | |
| bedauert Teschendorf. | |
| Loretta Barclay Parz hofft, dass das Thema nicht wieder in Vergessenheit | |
| gerät. Bis genug angemessene Unterkünfte zur Verfügung stehen, „ist es ein | |
| langer Weg“, befürchtet sie. | |
| 9 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.helferherz-flensburg.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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