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# taz.de -- Homeoffice für Bürotätigkeiten: Oft längst eingeführt
> Nach den neuen Coronaregeln müssen Arbeitgeber das Arbeiten zu Hause
> ermöglichen. Einige tun das sowieso schon, aber die Verbände wehren sich.
Bild: Ist mit viel Ablenkung verbunden: Homeoffice
Hamburg taz | Vom goldenen Zeitalter des Homeoffice und mobilen Arbeitens
ist die Rede, seit es Personal Computer (PCs) gibt. Mit den neuen
[1][Coronabeschlüssen der Kanzlerin und der Regierungschefs der Länder] ist
es jetzt Pflicht – und die Unternehmerverbände rasten aus. Auch der
öffentliche Dienst tut sich teilweise noch schwer, seine Leute entsprechend
auszustatten, obwohl für viele Firmen Homeoffice-Regelungen längst zum
Alltag gehören.
Den neuen Corona-Eindämmungsregeln zufolge sind Arbeitgeber „verpflichtet,
Homeoffice anzubieten“, wie das [2][Bundesministerium für Arbeit
mitteilt]. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten das Angebot
annehmen, soweit sie können.“ Das Ministerium stellt klar, dass ohnehin in
der Regel nur Bürotätigkeiten fürs Arbeiten zu Hause infrage kommen und
dann auch nur, wenn dem keine „zwingenden betriebsbedingten Gründe“
entgegen stehen.
Das hat die Unternehmerverbände aber nicht daran gehindert, mit Breitseite
gegen die Regierung zu schießen. „Pauschale Vorgaben für mehr Arbeit von zu
Hause gehen an der Planungsrealität vieler Betriebe vorbei“, kritisiert
Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen.
Es handele sich dabei um „bürokratischen Aktionismus“ ohne hinreichende
Datengrundlage. „Außerdem hat es der Staat verpasst, die
Breitband-Kapazitäten flächendeckend auszubauen, damit mobiles Arbeiten und
Homeschooling parallel überall möglich sind“, sagt Müller.
Auch der [3][Arbeitgeberverband Nordmetall] lehnt eine Verschärfung ab.
„Trotz niedriger Infektionszahlen Mitarbeiter, bei denen dies theoretisch
möglich wäre, ins Homeoffice zu schicken, ist eine völlig
unverhältnismäßige Maßnahme“, warnte Hauptgeschäftsführer Nico Fickinger
vor der Sitzung der Regierungschefs.
Während die Verbände mit Tamtam versuchen, ihrer Klientel einen maximalen
Handlungsspielraum zu erhalten, sieht die Realität in großen Unternehmen
längst anders aus. „Bei Otto ist mobiles Arbeiten bereits seit Mitte März
2020 der Regelbetrieb“, sagt Ingo Bertram, Pressesprecher des Hamburger
Versandhauses. Über 90 Prozent der Mitarbeitenden arbeiteten „remote“. Das
klappe mehrheitlich gut, auch weil mobiles Arbeiten schon seit 2017 möglich
gewesen sei und rege genutzt werde.
Auch bei der Hamburger Firma Beiersdorf (Nivea, Tesa) gilt seit Anfang
Januar eine „Maximum Homeoffice“-Regelung. „Alle Mitarbeitenden, die von …
Hause arbeiten können, müssen dies auch tun“, sagt eine
Unternehmenssprecherin. Das seien in der Konzernzentrale rund 2.500
Beschäftigte und damit rund 75 Prozent der Gesamtbelegschaft in Hamburg.
Ausnahmen gebe es in Bereiche wie der Produktion oder den Laboren.
„Wir haben Versicherungen, da sind sei März 80 Prozent der Beschäftigten im
Homeoffice“, sagt Berthold Bose, Hamburger Landeschef der [4][Gewerkschaft
Ver.di]. Der Gewerkschaft seien bisher keine Fälle von Leuten zugetragen
worden, die gern zu Hause arbeiten würden, aber nicht dürfen. Boses
Perspektive ist eine andere: „Es braucht Regeln, bevor man die Leute ins
Homeoffice schickt“, fordert er.
Arbeitgeber müssten dafür sorgen, dass ihre Angestellten auch die nötige
Ausrüstung wie Kameras und Headsets haben. Auch könne unter den zum Teil
provisorischen Arbeitsbedingungen am Küchentisch nicht die gleiche Leistung
erwartet werden.
Eine [5][Befragung des Münchener Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts] unter
fast 1.200 Geschäftsführern, Managern und Personalverantwortlichen
deutscher Unternehmen stützt das. 38 Prozent sagte, ihre Mitarbeiter seien
im Homeoffice weniger produktiv, 44 Prozent gleichbleibend und 18 Prozent
produktiver als im Betrieb. Während vor der Pandemie in 51 Prozent der
Unternehmen Beschäftigte regelmäßig im Homeoffice arbeiteten, stieg die
Zahl im Verlauf der Krise auf 76 Prozent. Bereits vor der Krise war in 74
Prozent der großen Unternehmen Homeoffice üblich und nur in 42 Prozent der
kleinen Firmen.
Etwas schwerer scheint sich der öffentliche Dienst zu tun. Eine
kurzfristige, kleine Umfrage der Gewerkschaft Ver.di unter den
Beschäftigten der Stadt Bremen und deren Interessenvertretern ergab zwar
positive Rückmeldungen, es zeige sich jedoch auch ein hoher Nachholbedarf.
„In einigen Bereichen hat man es innerhalb eines Jahres nicht geschafft,
flächendeckend für die Kolleg:innen die nötige Technik zu beschaffen
oder es fehlten die finanziellen Mittel zur Bereitstellung“, kritisiert die
stellvertretende Geschäftsführerin Kornelia Knieper. Auch der Hamburger
Landeschef Bose weiß von Problemen mit geeigneter Ausstattung.
Während in Niedersachsen die Antwort auf eine entsprechende
parlamentarische Anfrage noch aussteht, hat der Hamburger Senat auf Anfrage
des CDU-Abgeordneten Sandro Kappe Auskunft zum Stand des Zu-Hause-Arbeitens
gegeben. Demnach hätten im Dezember 2020 80 Prozent der Hamburger
Verwaltungsmitarbeiter gleichzeitig im Homeoffice arbeiten können –
allerdings nur 36 Prozent mit einem externen Zugang zum IT-System der
Stadt. Hamburg hat im vergangenen Jahr knapp 7.500 mobile IT-Arbeitsplätze
neu eingerichtet. Ende Dezember arbeiteten 60 Prozent der Beschäftigten im
Homeoffice. Allerdings sei die Zahl zu niedrig, denn sie basiere auf einer
Stichtagserhebung. „Bei einer Zeitraumbetrachtung wäre der Wert aufgrund
rollierender Präsenzdienste deutlich höher“, teilte der Senat mit.
Bei einer Befragung unter den Beschäftigten im Sommer 2020 hätten rund zwei
Drittel angegeben, mehrfach die Woche oder ausschließlich im Homeoffice
gearbeitet zu haben.
22 Jan 2021
## LINKS
[1] /Lockdown-in-Deutschland-verlaengert/!5745564
[2] https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/Fragen-und-Antwort…
[3] https://meinarbeitgeberverband.de/ueber-nordmetall
[4] https://hamburg.verdi.de/presse
[5] https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/homeoffice-vor-un…
## AUTOREN
Gernot Knödler
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