| # taz.de -- Compilation zur Berlin-Zeit von Bowie und Pop: War es kosmische Mus… | |
| > Was hörten David Bowie und Iggy Pop während ihrer Berliner-Jahre? Die | |
| > Compilation „Café Exil“ sucht eine Antwort darauf. | |
| Bild: David Bowie in der Deutschland halle in Berlin 1978 | |
| Über [1][David Bowies] und [2][Iggy Pops] Jahre in Berlin von 1976 bis 1978 | |
| ist schon viel geschrieben worden, ganze Bücher gibt es dazu. Immerhin gilt | |
| deren kurze Zeit in der damaligen Mauerstadt bei beiden als jeweils | |
| produktivste Ära in ihren langen Karrieren. Hier entstand Bowies berühmte | |
| „Berlin-Trilogie“ mit den Alben „Low“, „Lodger“ und „Heroes“, P… | |
| seine Klassiker „The Idiot“ und „Lust For Life“ auf. | |
| Nun gibt es eine Compilation, deren Aufhänger die Frage ist: Welche Musik | |
| könnten Bowie und Pop damals während ihrer Zeit in Deutschland gehört | |
| haben? Wobei der Sampler mit dem Titel „Café Exil – New Adventures in | |
| European Music 1972–1980“ sein Thema noch ausdifferenzierter behandelt. | |
| Kompiliert wurde demnach Musik, die die beiden Popmusiker in der | |
| Kreuzberger Künstlerkneipe Exil gehört haben könnten. | |
| In dieser verkehrten diese öfters und spielten Billard. Der Laden des | |
| Schriftstellers und Kybernetikers Oswald Wiener zog damals Intellektuelle | |
| und schillernde Figuren an. Martin Kippenberger, Dieter Roth und [3][Rainer | |
| Werner Fassbinder] waren hier Stammgäste. Der Name Exil passte auch ganz | |
| gut zu Bowie und Pop in der Fremde. | |
| Kompiliert haben den Sampler der Musiker und Autor Bob Stanley und Jason | |
| Wood, der Verfasser mehrerer Filmbücher und nebenbei Musiknerd ist. Stanley | |
| hat bereits mehrere Compilations gemeinsam mit seinem Bandkollegen Pete | |
| Wiggs von der supereklektizistischen [4][britischen Combo Saint Etienne] | |
| herausgebracht. Und er hat sich dabei einen gewissen Ruf erarbeitet, Musik | |
| in besonders originellen Zusammenhängen zu präsentieren. | |
| ## Elektronische Musik und Krautrock | |
| In der Songsammlung „English Weather“ etwa werden obskure Stücke | |
| präsentiert, die kurz nach dem Ende der Beatles in Großbritannien | |
| entstanden sind. Als das Pfund im Keller und unklar war, was das nächste | |
| Jahrzent, die Siebziger, mit sich bringen wird. Und einem das typisch | |
| britische Wetter besonders mies vorkam. Musik wird in den Händen von | |
| Stanley gern zum Soundtrack einer vorgegebenen Erzählung. | |
| Stanley und sein Partner Wood gingen auch ihr „Café Exil“-Projekt als | |
| Musikhistoriker an, aber genauso als Gestalter eines imaginären Raums. Sie | |
| wissen nicht, was genau Bowie und Pop im Exil wirklich gehört haben. Ihnen | |
| lag keine Liste vor, und sie haben auch nicht Oswald Wiener befragt, was | |
| bei ihm damals für Musik lief. Es geht ihnen nur um das Bild: Was könnten | |
| die beiden Popstars, von denen besonders Bowie gerade begierig auf der | |
| Suche nach neuen Einflüssen war, dort gehört haben. | |
| Und sie kommen zu dem Schluss, auch hinsichtlich Bowies hörbaren | |
| Experimenten mit elektronischer Musik und Ambient auf der | |
| „Berlin-Trilogie“: Es könnte wohl die kosmische Musik von Krautrock-Acts | |
| wie Cluster, Popol Vuuh, Faust und Amon Düül II gewesen sein. Oder auch der | |
| feingliedrige Kunstpop von Annette Peacock, Jazzrock von Jan Hammer und | |
| Library Music von Rubba. | |
| In Wahrheit lief im Exil die ganze Zeit vielleicht nur Bluesrock, aber | |
| manchmal ist die Vorstellung halt einfach schöner als die Wirklichkeit. | |
| Zudem ist das Exil am Ende natürlich nur eine Metapher für Bowies und Pops | |
| Lebenssituationen in Berlin. | |
| ## Auszeit von Ziggy Stardust und Thin White Duke | |
| Immerhin, Bowies [5][Krautrock-Passion] ist hinlänglich belegt. Die gängige | |
| Erklärung, warum es ihn und Pop Mitte der Siebziger nach Berlin zog, ist | |
| die: Bowie war nach seinen Erfolgen mit seinen Kunstfiguren ausgebrannt. | |
| Die Glitzerstadt Los Angeles, in der er lebte, überforderte ihn, und er | |
| kokste zu viel. Er suchte im grauen Berlin neue Inspirationen und ein | |
| weniger hektisches Leben. Seinen Freund Iggy Pop nahm er dann mit, damit | |
| der hier von Alkohol und Heroin herunterkommen möge. | |
| Bowie-Historiker sind sich aber sicher, dass der britische Superstar auch | |
| wegen der Musik nach Deutschland kam. Wie andere angloamerikanische Hipster | |
| und Musikkenner von John Peel bis Brian Eno war auch er der Meinung, dass | |
| die aufregendste Musik damals aus Deutschland kam. | |
| Dass man das hierzulande nicht ganz so sah, lässt sich in einem lustigen | |
| Youtube-Ausschnitt aus einer „Wetten dass …?“-Show von 1997 nachverfolgen. | |
| [6][Showmaster Thomas Gottschalk] kündigt hier Bowie als eines der großen B | |
| der Popmusik an – neben den [7][Bee Gees] und den [8][Beatles]. Dann bittet | |
| er ihn, über Musik und seine Zeit in Berlin zu plaudern. | |
| Und der Star fängt an, [9][von Kraftwerk], Harmonia und Neu! zu erzählen, | |
| seinen deutschen Lieblingsbands in den Siebzigern. Harmonia? Neu!? | |
| Gottschalk hat keine Ahnung, von wem die Rede ist. Bowie fragt die | |
| Zuschauer, wer diese Gruppen kenne. Es meldet sich gerade mal eine Person. | |
| Falls sich die Musik-Auskenner und Krautrock-Spezialisten Bob Stanley und | |
| Jason Wood diese Szene bei der Vorbereitung für ihren Sampler ebenfalls | |
| angeschaut haben, werden sie sie schnell wieder verdrängt haben. Sie hätten | |
| sonst ihre Vorstellung von einer Kreuzberger Kneipe, in der in den | |
| mittleren Siebzigern tatsächlich sphärische Krautrock-Spinnereien liefen, | |
| vielleicht doch noch einmal überdacht. | |
| 18 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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