| # taz.de -- Preußen-Historiker Clark rudert zurück: Kampf um das Tafelsilber | |
| > Das notorisch klamme Haus Hohenzollern fordert trotz brauner | |
| > Vergangenheit weiter Geld vom Staat. Jetzt gehen auch die letzten | |
| > Gutachter von Bord. | |
| Bild: Durchaus wertvoll: Edelsteinbesetzte goldene Krawattennadel von Kaiser Wi… | |
| Mehrfach zitierte der Historiker Christopher Clark zuletzt zustimmend den | |
| Historiker Stephan Malinowski. Nichts Ungewöhnliches, möchte man meinen. | |
| Historiker zitieren Historiker, so ist das halt. Doch vor Kurzem war | |
| Malinowski für Clark noch der ärgste Widersacher. | |
| Malinowski ist der Autor des Buchs „Vom König zum Führer“. Für das Land | |
| Brandenburg war er als Gutachter tätig, als es um Forderungen der heutigen | |
| Hohenzollern auf Entschädigung ging. Er kam zu dem Ergebnis, dass die | |
| Hohenzollern in erheblichem Maße zum Fall der Weimarer Republik und | |
| Aufstieg der Nazis beitrugen. | |
| Clark, seines Zeichens der berühmte Autor des Werks „Die Schlafwandler“, | |
| schrieb im Auftrag der Hohenzollern ein entgegengesetztes Gutachten. Es | |
| entlastete die frühere Kaiserfamilie. Ein Gutachten mit weitreichenden | |
| Folgen. Denn die Repräsentanten des heutigen „Hauses Hohenzollern“ streiten | |
| mit Bund und Ländern seit Jahren um Rückgabe und Ausgleichszahlungen für | |
| ihre im Osten Deutschlands nach 1945 eingezogenen Vermögen. | |
| 1994 war nämlich gesetzlich festgelegt worden, dass, wer dem Faschismus | |
| „erheblichen Vorschub“ geleistet hatte, auch nach der Wiedervereinigung | |
| keine Restitutionen zu erwarten habe. | |
| ## Clark – früher und heute | |
| „Auf dem Spektrum fürstlicher Kollaboration mit dem Dritten Reich kann man | |
| den Kronprinzen daher mit guten Gründen als eine der politisch | |
| zurückhaltendsten und am wenigsten kompromittierten Personen bezeichnen.“ | |
| So lautet der abschließende Satz von Clarks Gutachten 2011. Heute sagt | |
| Clark, er wäre sich der Tragweite der Auseinandersetzung nicht bewusst | |
| gewesen. | |
| Lange blieben die Verhandlungen zwischen Staat und Hohenzollern geheim, | |
| auch Clarks Gutachten. Erst 2019 wurde es geleakt. Fast alle namhaften | |
| Historiker widersprachen in der Folge Clark. Etwa der britische Historiker | |
| Richard Evans. Er führte in einem Essay aus, wie die 1918 gestürzte | |
| Kaiserfamilie alles daransetzte, um mit der Nazibewegung 1933 zurück auf | |
| den Thron zu gelangen. | |
| Als Vorbild diente Italien, wo der Faschist Mussolini in den 1920er Jahren | |
| ein Arrangement mit dem König getroffen hatte. Doch Hitler war nicht der | |
| Duce. Einmal an der Macht, wollte er sie mit niemandem teilen. Im Bündnis | |
| mit den Nazis hatten sich andere einzuordnen, auch die rechtsextremen | |
| monarchistischen Kräfte. Und viele taten das auch. | |
| Historiker Clark leugnet in seinem Gutachten von 2011 nicht die | |
| rechtsextreme Gesinnung des Kronprinzen Wilhelm von Preußen, dem Sohn des | |
| 1918 gestürzten Kaisers Wilhelm II. Der Kronprinz plädierte vor 1933 für | |
| den Zusammenschluss der paramilitärischen Verbände von Stahlhelm und SA. Er | |
| agitierte 1932 gegen das kurzzeitig erlassene Verbot von SA und SS. Er | |
| gehörte selber der SA an. Und während sein Vater, der Ex-Kaiser, verbittert | |
| im holländischen Exil in Doorn antisemitischen Verschwörungstheorien | |
| nachhing, verstand sich sein Sohn der Kronprinz als ein Mann der Tat. | |
| ## Der Tag von Potsdam | |
| Seine Familie stiefelte mit Hakenkreuzbinden auf Schloss Cecilienhof in | |
| Potsdam herum und posierte für die Kameras. [1][Die taz veröffentlichte | |
| Aufnahmen aus der dänischen Illustrierten Berlingske illustreret Tidende | |
| von 1934, die dies eindrücklich dokumentieren.] Er prahlte damit, Hitler | |
| zwei Millionen Stimmen verschafft zu haben. Am berüchtigten Tag von Potsdam | |
| im März 1933 zelebrierte er symbolisch wirkmächtig den Schulterschluss mit | |
| Adolf Hitler, von „alter“ und neuer Rechter. | |
| Alles das beschreibt auch der Gutachter Clark 2011. Und kam dennoch zu dem | |
| überraschenden Schluss: Die damaligen Vertreter des „Hauses Hohenzollern“ | |
| seien zwar braun eingefärbt, aber historisch zu unbedeutend gewesen, um | |
| eine größere Rolle gespielt zu haben. Eine interessante Interpretation für | |
| eine der mächtigsten Familien der deutschen Geschichte, die ihr ganzes | |
| Gewicht in die Zerstörung der Republik legte. [2][Nur Vertreter des | |
| neurechten Historikerspektrums vertreten solch relativierende Thesen.] Und | |
| Wolfram Pyta, der im Auftrag der Hohenzollern ein weiteres Gutachten | |
| schrieb. | |
| Im Frühjahr ruderte Clark im Schriftwechsel mit David Motadel in der New | |
| York Review of Books zurück. Historiker Motadel hatte Clark in seinem | |
| Beitrag „What Do the Hohenzollerns Deserve“ scharf kritisiert. Clark | |
| liefere den heutigen Hohenzollern nicht nur die Stichworte, um an | |
| zusätzliche – ihnen nicht zustehende – staatliche Vermögenswerte zu | |
| gelangen. | |
| Er helfe auch ein glorifizierendes Preußenbild zu restaurieren, an das | |
| rechts-nationalistische Kräfte seit der Wiedervereinigung verstärkt suchten | |
| anzuknüpfen. Für dieses steht stellvertretend die AfD mit Alexander Gauland | |
| im Bundestag, der die zwölf Jahre Nazi-Terrorherrschaft als „Vogelschiss“ | |
| bezeichnet und bagatellisiert. Clark erwiderte Motadel, ebenfalls in der | |
| New York Review, solch reaktionäre Motive lägen ihm fern. Er fühle sich | |
| instrumentalisiert. Er betrachte den Kronprinzen sehr wohl als einen | |
| „gewalttätigen, ultrarechten Charakter“, der mit Hitler sympathisierte und | |
| zur „finalen Abrechnung mit der deutschen Linken drängte“. | |
| ## Zu dumm, um Einfluss zu nehmen? | |
| Doch hatte er den Kronprinzen schlicht für zu unintelligent und auch | |
| isoliert gehalten, als dass dieser eine größere politische Rolle hätte | |
| einnehmen können. Inzwischen, so Clark weiter, habe sich jedoch die | |
| Quellenlage verändert und er sähe es anders. Die in Princeton forschende | |
| Historikerin Karina Urbach hatte bereits letztes Jahr neues Material | |
| ausgewertet. Es zeigt, wie systematisch und skrupellos die kaiserliche | |
| Familie den Aufstieg der Nazis zum eigenen Nutzen beförderte | |
| ([3][„Nützliche Idioten, Die Hohenzollern und Hitler“]). | |
| Von Stephan Malinowski erscheint bei Oxford University Press gerade [4][das | |
| Buch „Nazis and Nobles“]. Es ist die überarbeitete englische Fassung seines | |
| früheren Buchs „Vom König zum Führer“. Und er forscht weiter. Doch allein | |
| was bereits vorliegt, sollte die erhebliche verbrecherische Energie, den | |
| notorischen Antisemitismus und die absolute Demokratiefeindlichkeit der | |
| Hohenzollern bis 1945 ausreichend belegen. Die Nachfahren der Hohenzollern | |
| wären gut beraten, dies zur Kenntnis zu nehmen und mit der historischen | |
| Schuld angemessen umzugehen. | |
| Dazu gehörte auch, ihre vielen gegen kritische Journalisten und Historiker | |
| wie Malinowski, Urbach oder Winfried Süß gerichteten juristischen | |
| Winkelzüge einzustellen. Wie sagt Clark, der ehemalige Kronzeuge der | |
| Hohenzollern, jetzt in einem FAZ-Interview deutlich: „Stephan Malinowski | |
| hat gezeigt, wie energisch der Kronprinz gearbeitet hat, auch nach der | |
| Machtergreifung, um die Berührungsängste der Konservativen gegenüber den | |
| Nationalsozialisten zu überwinden.“ | |
| In seinem jetzt erschienenen Essayband „Gefangene der Zeit“ (DVA) stimmt | |
| Clark demonstrativ Malinowski zu. Er zitiert ihn ausführlich, so es um die | |
| Braunfärbung von Kaiserfamilie und altem deutschen (Hoch-)Adel geht. Der | |
| Kronprinz, so Clark in der FAZ, war „kontinuierlich an den Versuchen | |
| beteiligt, die Demokratie zugrunde zu richten. Und die Zerstörung der | |
| Demokratie ist wiederum eine unverzichtbare Voraussetzung für die | |
| Machtergreifung der Nationalsozialisten.“ | |
| ## Abgründe der Geschichte | |
| Der Ururenkel von Kaiser Wilhelm II., Georg Friedrich Prinz von Preußen, | |
| der als heutiger Wortführer des „Hauses Hohenzollern“ auftritt, hat sich in | |
| die Abgründe der Geschichte gestürzt. Er würde gerne mehr vom Tafelsilber | |
| seiner Ahnen abbekommen, ohne auf die fragwürdige Provenienz zu schauen. | |
| Sogar den holländischen Staat hat er versucht zu verklagen. | |
| Dies berichtet Klaus Wiegrefe Ende November im Spiegel. Man sähe sich | |
| „leider gezwungen,“ so die Anwälte des heutigen Preußen-Wortführers 2014, | |
| „einen formellen Anspruch auf den Besitz von Haus Doorn, das dazugehörige | |
| Inventar und das umliegende Gut sowie zwei dazugehörende Bauernhöfe zu | |
| erheben“. | |
| Nach Doorn war der 1918 gestürzte Kaiser Wilhelm II. geflüchtet, samt | |
| seiner sagenumwobenen 59 Waggons mit Werten aller Art. Vom Exil aus | |
| wünschte er „Presse‚ Juden und Mücken“ den Tod („,das Beste wäre Gas… | |
| forderte seine Angehörigen auf, aktiv am Nationalsozialismus teilzuhaben. | |
| Hitler beglückwünschte er 1940 zu seinen Feldzügen. Nach der Befreiung von | |
| den Deutschen wurde Haus Doorn vom holländischen Staat konfisziert. Das | |
| kleine Schloss dient als Museum. | |
| Nur das Mausoleum des 1941 hier beigesetzten letzten deutschen Kaisers | |
| befindet sich im Privatbesitz der Familie. Nichts Ungewöhnliches, möchte | |
| man meinen. Die deutsche Politik könnte sich an den Holländern ein Beispiel | |
| nehmen. | |
| 12 Dec 2020 | |
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| [1] /Hohenzollern-und-Nationalsozialismus/!5628218 | |
| [2] /Die-Causa-Hohenzollern-im-Bundestag/!5657283 | |
| [3] https://perspectivia.net/receive/pnet_mods_00001543 | |
| [4] https://global.oup.com/academic/product/nazis-and-nobles-9780198842552?cc=g… | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
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