| # taz.de -- Taskforce Zukunft Profifußball: Suche nach dem guten Kick | |
| > Für Fans ist Fußball ein sozialer Ort, für Manager und Sponsoren ein | |
| > Geschäft. Die Bundesliga ruft nun zum Dialog über die Zukunft der | |
| > Branche. | |
| Bild: Echte Liebe? Pierre-Emerick Aubameyang fährt 2017 an Dortmunder Fans vor… | |
| Berlin taz | Da war dieses Steak. Franck Ribéry, damals noch in Diensten | |
| des FC Bayern München, hat es zum Jahresbeginn 2019 in Dubai gegessen. | |
| [1][Es war mit Blattgold überzogen]. Wie es geschmeckt hat, weiß nur | |
| Ribéry. Dass es etliche Fans geschmacklos fanden, Gold zu essen, hat ihm | |
| gar nicht geschmeckt. Er beschimpfte die Fans auf Instagram. „F*ckt eure | |
| Mütter, eure Großmütter und euren gesamten Stammbaum“, postete er. Sein | |
| Klub verdonnerte ihn zu einer Geldstrafe, und Ribéry gab im anstehenden | |
| Trainingslager der Bayern in Katar den Reuigen. | |
| Katar. Auch so ein Fall. So richtig genau weiß man es nicht, wie die | |
| Katarer am 2. Dezember 2010 [2][den Zuschlag der Fifa-Exekutive] für die | |
| Ausrichtung der WM 2022 bekommen haben, aber es gibt wohl kaum einen, der | |
| normal findet, dass das Turnier in diesem Kleinstaat stattfinden wird. | |
| Viel ist berichtet worden über das Sklavenhalterregime, das sich von | |
| entrechteten Arbeitsmigranten eine Megaarena nach der anderen | |
| errichten lässt, und doch wird das Gasgeld immer wichtiger für den | |
| Weltfußball. Champions-League-Sieger 2020 durfte sich Katar schon | |
| nennen, bevor das Finale angepfiffen war. Die von Katar gesponserten Bayern | |
| spielten da gegen den anderen Katar-Klub Paris Saint-Germain (PSG). | |
| Genau, PSG. Da spielt ein gewisser Neymar da Silva Santos Júnior. Bis 2017 | |
| hat der Brasilianer beim FC Barcelona gespielt. In seinem Vertrag war eine | |
| Ablösesumme von 222 Millionen Euro festgeschrieben. Neymar hat sich selbst | |
| aus dem Vertrag herausgekauft. Das Geld dafür kam aus Katar. Wie ein | |
| Heiliger wurde Neymar in Paris empfangen. Der Eiffelturm wurde in den | |
| brasilianischen Farben angestrahlt. Der Transfer ist zum Symbol für die | |
| Maßlosigkeit des Geschäfts geworden. | |
| ## Liebe für Millionen | |
| Maßlosigkeit wird auch David Alaba vorgeworfen. Der defensive Allrounder | |
| verhandelt gerade über einen neuen Vertrag bei den Bayern. 20 Millionen | |
| Euro Jahresgehalt soll er verlangen. Union Berlin hat in der vergangenen | |
| Saison an alle Spieler zusammen 26 Millionen Euro ausgezahlt. Dass so ein | |
| Klub Liebe erfährt, wenn er aufsteigt, gehört zu den schönen Geschichten | |
| des modernen Profifußballs, auch wenn alle wissen, dass an der Alten | |
| Försterei niemals eine deutsche Meisterschaft gefeiert werden kann. Meister | |
| wird sowieso nur der FC Bayern München. Ein echter Wettbewerb um den Titel | |
| findet nicht mehr statt. | |
| Noch geht es in der Bundesliga ums Dabeisein. Dafür ruinieren sich Zweit- | |
| und Drittligisten, die ihren Platz weiter oben in der Fußballhierarchie | |
| wähnen. Und wer oben ist und glaubt, sein guter Name verpflichtet ihn, auch | |
| mal an den europäischen Wettbewerben teilnehmen zu müssen, der hangelt sich | |
| nicht selten an einer Insolvenz entlang. Welche Blase der Fußball ist, das | |
| hat die Coronapandemie gezeigt. | |
| Der Kampf um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Frühjahr, zu einer | |
| Zeit, in der noch Kontaktbeschränkungen galten, war für viele Klubs der | |
| Kampf ums schiere Überleben. 13 Klubs aus den ersten beiden Bundesligen | |
| wären wohl pleitegegangen, wenn die letzte Rate aus den Rechtepaketen mit | |
| den übertragenden Fernsehsendern nicht überwiesen worden wäre. Die | |
| Bundesliga, die jedes Jahr neue Umsatzrekorde vermeldet hat, musste | |
| feststellen, dass ihr Geschäftsmodell alles andere als nachhaltig ist. | |
| ## Beginn eines Dialogs | |
| Es ist etwas faul am Fußball dieser Tage, so faul, dass man nachdenklich zu | |
| werden beginnt in der Bundesliga. „Zukunft Profifußball“ heißt eine Task | |
| Force, die von der Deutschen Fußballliga ins Leben gerufen worden ist. | |
| Vertreter der Deutschen Fußball-Bunds, der Klubs, der Sponsoren sollen dort | |
| [3][zusammen mit Fanvertreter:innen] diskutieren, wie man geraderücken | |
| kann, was da offensichtlich in Schieflage geraten ist. Drei Termine gibt es | |
| für die Treffen. Ob dann schon wieder alles gut ist? | |
| Helen Breit, die für den [4][Verein Unsere Kurve], in der sich | |
| Fanvereinigungen etlicher Profiklubs vernetzen, in die Task Force | |
| eingeladen wurde, hat da so ihre Zweifel. In der Task Force werden | |
| Ansichten und Einsichten mitgeteilt. Möglichkeiten, echte Konflikte | |
| auszutragen, seien in dem Format so gut wie nicht möglich, sagt sie. Eines | |
| hat sie immerhin schon vorher gelernt. „Wir sind jetzt Stakeholder“, sagt | |
| sie, die beim SC Freiburg fußballerisch sozialisiert wurde. Mit diesem Wort | |
| werden nun also auch die Fans bedacht. Auch wenn man ihnen also zugesteht, | |
| berechtigte Interessen am Fortbestand des Fußball zu haben, zeigt die | |
| Wortwahl, dass für die Liga ein Business ist, was für die Fans ein | |
| Kulturgut darstellt. | |
| Dass das Kulturgut Fußball von großer gesellschaftlicher Bedeutung ist, | |
| davon gehen die organisierten Fanvertreter:innen aus. Die wegen der | |
| Coronapandemie von den Spielen ausgeschlossenen Fans haben den [5][Sommer | |
| des Geisterfußballs] genutzt, um ihre Anliegen zu formulieren. [6][Eine | |
| Erklärung mit dem Titel „Unser Fußball“] haben über 2.600 Fanklubs und f… | |
| 14.000 einzelne Fans unterzeichnet. | |
| Im August überreichten die Initiator:innen die Unterschriften dem DFB. Der | |
| kann seitdem die Forderungen nach wirtschaftlicher Nachhaltigkeit, einem | |
| fairen und offenen Wettbewerb, nach gesellschaftlicher Verantwortung im | |
| Kampf für Vielfalt und Menschenrechte und einen demokratischen Fußball | |
| studieren. | |
| In einem basisdemokratischen Prozess sind die Erwartungen an den Fußball | |
| von morgen [7][mittlerweile formuliert worden]. Da geht es um die | |
| gerechtere Verteilung der Fernsehgelder, um die Demokratisierung von | |
| Entscheidungsprozessen im Fußball oder um die Rolle des Fußballs bei der | |
| Ausbildung einer offenen Gesellschaft. Die Fanvertreter:innen sind also | |
| bestens vorbereitet in die erste Runde der Task Force am vergangenen | |
| Dienstag gegangen. | |
| ## Fans als soziales Gewissen des Fußballs | |
| Warum sie auch immer das Große und Ganze in der Gesellschaft mitdenken, ist | |
| für Helen Breit ganz einfach zu erklären. „Weil wir Fans sind“, sagt sie. | |
| „Wir haben ja kein wirtschaftliches Interesse am Fußball. Wir sind auch | |
| keine Profis. Wir sind diejenigen, die Fußball als etwas Soziales erleben.“ | |
| Weil der Fußball für die Fans vor allem mit dem Stadionerlebnis verbunden | |
| sei, vom zwischenmenschlichen Kontakt lebe, sei es nur logisch, dass | |
| ebendiese Fans immer auch an den gesellschaftlichen Zusammenhalt denken, | |
| wenn sie sich um die Zukunft des Sports sorgen. Schon lange sind es | |
| Fanvertreter:innen, die den organisierten Fußball regelrecht vor sich | |
| hertreiben. Der Kampf gegen Rassismus im Stadion oder gegen Homophobie ist | |
| von engagierten Anhänger:innen in die Stadien getragen worden. | |
| „Fußball soll inklusiv bleiben“, meint Helen Breit und erinnert an die | |
| Aktion „Kein Zwanni“, mit der die Fanaktivist:innen auf überteuerte | |
| Stehplatzkarten aufmerksam gemacht haben, die das Stadionerlebnis zu | |
| einem exklusiven Privileg werden ließen. | |
| In der Task Force treffen die engagierten Stadionbesucher:innen nun | |
| etwa auf Oliver Bierhoff, den Manager der Nationalmannschaft, der mit | |
| der Vermarktung dessen, was der „die Mannschaft“ genannt hat, zur | |
| Symbolfigur der Entfremdung des Fußballbusiness von den Fans geworden ist. | |
| Sie treffen aber auch auf diejenigen, die mit immer höher werdenden | |
| Sponsorengeldern dazu beigetragen haben, dass immer mehr Geld in die großen | |
| Mannschaften gepumpt wird. | |
| ## Imagepflege durch die Sponsoren | |
| S20 nennt sich eine Interessenvertretung von Großsponsoren wie der Telekom, | |
| SAP oder Coca-Cola, die sich nun auch Gedanken über die Zukunft der | |
| Bundesliga machen. Die haben im vergangenen Jahr einen „Trendradar“ für | |
| 2020 entwickelt, in dem für so manchen Fan gruselige Dinge stehen. Ein | |
| Trend ist natürlich die Digitalisierung. „Face Recognition“ ist so ein | |
| Schlagwort. Gesichtserkennung kann „einen schnelleren, kontaktlosen | |
| Einlass ermöglichen und so lange Wartezeiten an Eingängen drastisch | |
| verkürzen. Auch Zufriedenheits-, Stimmungs- und Emotionsmessungen von | |
| Zuschauern können einfach während der Veranstaltung durchgeführt werden“, | |
| heißt es in der Studie. | |
| Doch auch die Sponsoren haben die Zukunft der Gesellschaft im Blick. Neben | |
| „Influencer Marketing“ oder Strategien für die junge Social-Media-Plattform | |
| Tiktok ist auch „Sustainability“ für die Sponsoren ein ganz großes Ding. | |
| „Nicht zuletzt auf Wunsch der Fans berücksichtigen viele Klubs, | |
| Veranstalter und Sponsoren Nachhaltigkeitsaspekte immer stärker bei der | |
| Planung ihrer Aktivitäten.“ Und so laufen Teams in Trikots aus recyceltem | |
| Plastikmüll aus den Meeren auf, und die Fans trinken ihr Bier aus | |
| Mehrwegbechern. Helen Breit weiß, dass es da oft mehr um Imagepflege als um | |
| echtes Engagement geht. | |
| Aber selbst wenn Vereine nachhaltiges Wirtschaften nur deshalb installieren | |
| würden, um eine bestimmte Fangruppe nicht zu verlieren, dann sei der Sache | |
| schon gedient, auch wenn es vielleicht nicht aus innerster Überzeugung | |
| gemacht werde, meint sie. Und was die Besetzung von Leitungspositionen | |
| angehe, seien Konzerne wie die Telekom viel weiter als die Fußballverbände | |
| und -klubs. Vielleicht gelingt es den Fans ja, zusammen mit den Sponsoren, | |
| zumindest in dieser Hinsicht den organisierten Fußball zu einer diversen | |
| Zukunft zu drängen. Der zeigt sich zumindest gesprächsbereit. Ob’s was | |
| bringt? „Es ist eine historische Chance“, sagt Helen Breit jedenfalls. „I… | |
| hoffe sehr, dass wir in zehn Jahren zurückschauen und sagen, da wurden die | |
| Weichen gestellt.“ | |
| 16 Oct 2020 | |
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| [4] https://www.unserekurve.de/blog/ | |
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| [6] https://unserfussball.jetzt/ | |
| [7] https://zukunft-profifussball.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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