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# taz.de -- Sensation im DFB-Pokal: Auferstanden von den Toten
> Zweitligist Holstein Kiel schmeißt den FC Bayern München aus dem Pokal.
> Der Fußball hat gezeigt, weshalb er so unwiderstehlich sein kann.
Bild: Unbändige Freude: Holstein Kiels distanzloser Jubel nach dem Sieg gegen …
Der Fußball war tot. Die Kicker spielten in leeren Stadien. Der Deutsche
Fußball-Bund betrieb eine Marketingabteilung namens Nationalmannschaft, für
die sich das ganze Land schämte. Der Klubfußball hatte jede Spannung
verloren, weil der FC Bayern München sowieso jeden Wettbewerb gewann, in
dem er antrat. Das emotionale Grundgesetz des Fußballs, nachdem der Sport
deshalb so spannend ist, weil man vor dem Abpfiff nicht wissen kann, wer am
Ende gewinnt, war in den nationalen Wettbewerben [1][längst außer Kraft
gesetzt] worden. Bis zu jenem Elfmeter von Fin Bartels im Shootout der
zweiten Runde im DFB-Pokal, mit dem er den Achtelfinaleinzug eines
zweitklassigen Klubs mit dem Namen Holstein Kiel sichergestellt hat. Der
Fußball lebt wieder. Es ist ein Wunder.
Die Auferstehung des deutschen Fußballs sorgte schnell dafür, dass auf
Twitter der Hashtag #ksvfcb im ganzen Fußballland über Stunden ganz
besonders häufig verwendet wurde. Was ist schon das Impeachment eines
US-Präsidenten im Vergleich zu einer Niederlage des FC Bayern gegen den
[2][Zweitligisten Holstein Kiel]? Der Klub, den sie die Störche nennen, hat
schier Unmögliches möglich gemacht.
Das Drehbuch des Spiels war nicht minder mirakulös als das Ergebnis selbst.
Ein Abseitstor der Bayern durch Serge Gnabry hatte das 0:1 bedeutet.
Niemand konnte es zurücknehmen, weil es in frühen Runden des Pokals noch
keine Videoschiedsrichterei gibt. War das wieder einmal der berühmte
Bayerndusel, der den Münchnern die Titel beschert hat, als das Team noch
nicht so entrückt war wie in den vergangenen neun Jahren, in denen der
deutsche Meister stets FC Bayern hieß?
Und dann dieser Jubel des Torschützen! Es war kein Jubel. Es sah so aus,
als wäre ihm selbst das Heben der Arme zu mühselig für diesen Kick in einem
elenden Zweitligastadion. Selbst Bayernfans dürfte das peinlich gewesen
sein. Und vielleicht hat ja das 1:1 durch Fin Bartels, nach einem Konter,
selbst denen gefallen, die in Bayernunterwäsche schlafen.
## Die Krönung des Spiels
Als in der zweiten Hälfte ein eisiger Wind riesige Schneeflocken durch das
Stadion trieb, war die Kulisse für einen großen Pokalabend endgültig
perfekt. Ein Freistoß von Leroy Sané war es, der die Bayern wieder in
Führung brachte. Dem wieder arg arroganten Torjubel folgte ein ebenso
arroganter Spielvortrag der Münchner auf dem Platz. Als dann genau in dem
Moment, in dem das Spiel eigentlich schon vorbei war, in der 5. Minute der
Nachspielzeit, noch einmal ein Ball in den Münchner Strafraum flog, den ein
gewisser Hauke Wahl mit Teilen seines Kopfes, seines Halses und seiner
Schulter irgendwie ins Tor bugsiert hat, da war zu spüren, wie es sich
anfühlt, wenn der Fußball lebt.
Die Verlängerung, in der alle Beteiligten trotz aufsteigender Müdigkeit in
den Muskeln, trotz tiefer werdendem Platz, trotz Schnee und Wind so zu
spielen versuchten, dass es nach Fußball aussah, war auch ohne Tore derart
faszinierend, dass es kaum zu begreifen war. Dann kam das Elfmeterschießen,
bei dem zehn Spieler trafen und zeigten, wie einfach es doch sein kann,
einen Elfmeter zu verwandeln. Es war dies ein weiteres Juwel in der Krone
dieses Spiels. Als dann Bayerns Marc Roca am Kieler Keeper Ioannis Gelios
scheiterte und Fin Bartels daraufhin traf, war der Fußball endgültig wieder
auferstanden.
Er wird sich bald wieder ins Grab legen. Der FC Bayern wird vielleicht
einmal nicht Pokalsieger oder Meister, die Stammgäste in der Champions
League werden sich weiter entfernen vom Plebs des deutschen Fußballs und
eine deutsche Meisterschaft wird dann erst wieder spannend, wenn sich der
FC Bayern, Limo Leipzig und Borussia Dortmund in eine planetare Superliga
verabschiedet haben. Bis dahin bleibt den Fans des Sports dieser eine Abend
von Kiel.
Es war ein Tag, so wunderschön…
14 Jan 2021
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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