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# taz.de -- Abgebrochenes Spiel Paris gegen Istanbul: Let’s go, Menschheit!
> In der Champions League wurde Geschichte geschrieben. Spieler verließen
> den Platz, weil ein Schiedsrichter sich rassistisch äußerte.
Bild: Demba Ba (r.) von Istanbul Başakşehir gestikuliert neben Neymar (l.) un…
Dieser Champions-League-Fußballabend hat viele Geschichten geschrieben.
Größere und kleinere Helden kommen darin vor. Cristiano Ronaldo hat beim
3:0 von Juventus Turin in Barcelona zwei Mal getroffen. Und ein gewisser
Klub aus Leipzig hat in einem irren Spiel das ruhmreiche Manchester United
eliminiert.
Doch der Held dieses Abends in der Champions League war ein anderer, einer,
der gar nicht auf dem Feld stand: Demba Ba. Der Stürmer aus dem Senegal hat
von der Ersatzbank aus den europäischen Fußball einmal kräftig
durchgeschüttelt. Sein Einsatz führte zum Abbruch des Spiels zwischen
seinem Klub Başakşehir Istanbul und Paris Saint-Germain. Es war ein Einsatz
im Kampf gegen den Rassismus im Fußball. Es war ein kleines Wortgefecht,
und es war ein großer Schritt für die Menschlichkeit.
Das Spiel war noch keine 15 Minuten alt, als geschah, was seinesgleichen
sucht in der Fußballgeschichte. Nach einem Foulpfiff protestierte Pierre
Webó, der kamerunische Co-Trainer des türkischen Meisters, lautstark. Dem
vierten Offiziellen, der in seiner Nähe stand, missfiel das. Er wies den
Schiedsrichter der Partie darauf hin. „Negru“ hat er dabei gesagt.
Demba Ba ist nun außer sich und stellt den Mann zur Rede, gibt ihm trotz
aller Aufregung einen Schnellkurs in antirassistischer Sprache und ruft
seine Mitspieler dazu auf, das Feld zu verlassen. Alle Spieler folgen ihm,
auch die Pariser verlassen das Feld. Deren Weltstars [1][Kylian Mbappé] und
[2][Neymar] gaben später auf ihren Social-Media-Accounts
Solidaritätsadressen für Webó ab. Es ist das größte Zeichen, das Spieler in
einem Wettbewerbsspiel gegen Rassismus je abgegeben haben.
Das Schiedsrichterteam aus Rumänien kann dem Spektakel nur ratlos zusehen.
„Negru“ heiße doch nur schwarz auf Rumänisch, hatten sie sich versucht zu
verteidigen. Demba Ba ließ sich auf eine Diskussion gar nicht erst ein.
„‚Dieser weiße Typ da‘, das würden Sie doch nie sagen. Also hören Sie …
zu: Warum sagen Sie zu einem Schwarzen Mann ‚dieser schwarze Typ?‘“
Mit diesem Satz, der als [3][Videoschnipsel] längst millionenfach geteilt
wurde, hat der Stürmer das Problem so klar benannt, dass für die
Beteiligten keine Fragen mehr offenblieben. Sie verließen den Platz. Das
Spiel musste abgebrochen werden. Ein Termin für die Fortsetzung des Spiels
wurde von der veranstaltenden Europäischen Fußballunion Uefa angesetzt.
Der Verband, der Stadien so gern mit dem Banner „No to racism – Respect“
schmückt, Trikots damit beflockt und Wimpel mit dem Slogan verteilt, will
den Fall untersuchen. Die Uefa tut sich schon schwer, Rassismus zu ahnden,
der von den Rängen kommt. Nun steht sie mit den von ihr eingesetzten
Schiedsrichtern selbst im Zentrum eines veritablen Rassismusskandals.
Sie kann nicht mehr mit dem Finger auf einzelne Bösewichte zeigen, sie muss
sich damit beschäftigen, wie verletzend der alltägliche Rassismus ist, der
von Menschen, die das Uefa-Logo auf der Brust tragen, in die Stadien
getragen wird. Der Schaufenster-Antirassismus, der bis dato so fleißig
gepflegt wurde, ist jedenfalls nichts wert. Das haben die Spieler dem
Verband vorgeführt.
## Falsche Freunde hin oder her
Der Proteststreik mag falsche Freunde wie den türkischen Präsidenten Recep
Tayyip Erdoğan angelockt haben, der sich in [4][Solidarität mit dem
Co-Trainer] des von ihm verhätschelten Retortenklubs via Twitter als
Antirassist inszeniert. Doch das macht ihn nicht weniger wegweisend. Die
Spieler dürften gemerkt haben, wie mächtig sie sind. Wenn sie zeigen, dass
sie sich nicht mehr alles gefallen lassen wollen, könnten ganze Ligen
anders aussehen.
Demba Ba, der Held vom Dienstag, hat 2019, nachdem der belgische Strümer
Romelu Lukau von Fans bei einem Spiel der Serie A rassistisch beleidigt
worden war, [5][gesagt]: „Das ist der Grund, warum ich dort nicht spielen
wollte, als ich die Möglichkeit dazu hatte. Ich wünsche mir, dass alle
Schwarzen Spieler aus dieser Liga aussteigen.“
9 Dec 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/KMbappe/status/1336432779236679680
[2] https://twitter.com/neymarjr/status/1336451974531870721
[3] https://twitter.com/DAZN_DE/status/1336433219273625601
[4] https://twitter.com/RTErdogan/status/1336421579438350338
[5] https://twitter.com/dembabafoot/status/1169137694871564289
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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