# taz.de -- Englands Fußballchef muss Posten aufgeben: Verloren in Vorurteilen | |
> Nach rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Bemerkungen tritt | |
> Greg Clarke als Chef des englischen Fußballverbands zurück. | |
Bild: Raus: Greg Clarke wird nicht mehr mit den drei Löwen auf der Brust posie… | |
Greg Clarke, bis Dienstag Chef der Football Association (FA), des | |
englischen Fußballverbands, hatte sich für den Videocall mit dem | |
Sportausschuss des britischen Parlaments vor sein Bücherregal platziert. | |
Die oberen Bretter waren leer. Genug Platz also für ein paar neue Werke | |
über Gleichberechtigung. Clarkes Nachholbedarf bei diesem Thema kostete ihn | |
am Dienstag nach vier Jahren im Amt den Posten. Beim Versuch, [1][die | |
Entwicklungen in Sachen Gleichberechtigung im Fußball in den schillerndsten | |
Farben zu zeichnen], verhedderte sich der 62-Jährige derart, dass er wenige | |
Stunden nach der Sitzung von seinem Amt zurückgetreten ist. | |
Binnen weniger Minuten war Clarke, der auch Vizepräsident des | |
Internationalen Fußballverbands Fifa ist, gleich viermal ins Fettnäpfchen | |
getreten. Zunächst benutze er den Begriff „coloured people“ (farbige | |
Menschen) zur Bezeichnung schwarzer Spieler*innen. Die Terminologie ist im | |
Englischen stark mit dem Apartheidsystem Südafrikas verbunden und sollte | |
deshalb nicht mehr verwendet werden. Nachdem man ihn darauf hingewiesen | |
hatte, entschuldigte sich Clarke umgehend. Er habe sich in der Wortwahl | |
vertan, weil er viel in den USA gearbeitet und an den dort gebräuchlichen | |
Begriff „People of Color“ gedacht habe, der sich als die korrekte | |
Bezeichnung für alle Menschen, die eine dunklere Hautfarbe haben, | |
eingebürgert hat. | |
Das war indes nicht die einzige Entgleisung. „Wir haben heute kein Problem | |
mit afrokaribischen Spielern“, versicherte Clarke den Abgeordneten und zog | |
einen merkwürdigen Vergleich zu Menschen aus Südasien. „Wenn Sie in die | |
IT-Abteilung der FA gehen, gibt es dort viel mehr Südasiaten als Menschen | |
afrokaribischer Abstammung. Sie haben unterschiedliche berufliche | |
Interessen.“ Dann bezeichnete er Homosexualität als „Wahl eines | |
Lebensstils“. Danach waren auch noch die Frauen dran. Auf die niedrige Zahl | |
von Mädchen im Fußball angesprochen, antwortete er mit dem Zitat einer | |
Betreuerin, die einmal gesagt habe: „Mädchen mögen es nicht, wenn sie hart | |
geschossene Bälle annehmen sollen.“ | |
Schnell stießen die Worte des erfolgreichen Geschäftsmanns, der immer noch | |
mehrere private Unternehmen leitet und vor seiner Zeit im Fußball | |
Geschäftsführer des früheren Telekommunikationsriesen Cable and Wireless | |
sowie der australischen Baufirma Land Lease war, auf Empörung. Der | |
Vorsitzende der britischen Antirassismusorganisation Kick it Out, Sanjay | |
Bhandari, meint, der Sprachgebrauch Clarkes gehöre „in den Mülleimer der | |
Geschichte“. „Mich beunruhigt vor allem die unachtsame, rassistische und | |
vorurteilsbehaftete Bemerkung über Südasiaten und ihre angeblichen | |
Jobpräferenzen. Sie erinnert an Bemerkungen, die ich im | |
Fußballjugendbereich gehört habe.“ | |
## Eigenwillige Wortwahl | |
Der ehemalige Premier-League-Profi Anton Ferdinand bezeichnete Clarkes | |
Worte als nicht hinnehmbar. Obwohl die FA gute Arbeit in Sachen | |
Gleichberechtigung leiste, sei hier klar geworden, dass Aufklärung in allen | |
Bereichen notwendig sei, sagte Ferdinand. | |
Clarke war bereits vor drei Jahren für seine eigenwillige Wortwahl | |
aufgefallen, als er institutionellen Rassismus als bloße Bagatelle | |
bezeichnet hatte. Die Bemerkungen und der Rücktritt Clarkes kommen zu einem | |
für die FA ungelegenen Zeitpunkt. Zum einen kämpft auch der englische | |
Fußball darum, sich in der Coronapandemie über Wasser zu halten. Zum | |
anderen hatte die FA erst vor zwei Wochen ein neues Programm zur | |
Gleichberechtigung im Sport gestartet, dessen Ziel die Beendigung der | |
Benachteiligung schwarzer Spieler sein soll. Clarkes Rücktritt wird in | |
diesem Zusammenhang von einigen alles andere als negativ gesehen, sondern | |
eher als Chance. | |
Tyrone Mings, englischer Nationalspieler von Aston Villa, meinte am | |
Dienstag, dass [2][der Weg zur Gleichberechtigung trotz aller Debatten] in | |
diesem Jahr noch lang sei – besonders in den oberen Etagen des Sports. | |
Seine Idee: „Ein schwarzer Geschäftsführer oder eine schwarze | |
Geschäftsführerin wäre ein Riesenschritt nach vorn.“ | |
11 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rassismus-im-britischen-Sport/!5454595 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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