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# taz.de -- Sozialpolitik mit Fußballprofi Rashford: Solo gegen Johnson
> Die britische Regierung unterstützt das Engagement von ManU-Star Rashford
> für bedürftige Kinder nicht – und gerät unter Zugzwang.
Bild: Mann der Tat: Rashford hier im Einsatz am Wochenende gegen den FC Chelsea
Marcus Rashford von Manchester United ist in der Premier League nicht nur
vor dem Tor erfolgreich. In dieser Saison gelangen ihm in fünf Spielen
bislang zwei Treffer. Der Stürmer ist auch in der Lage politische Erfolge
zu erzielen. Das hat er bereits diesen Sommer unter Beweis gestellt. Da
initiierte der 22-jährige Kicker eine Kampagne, die dazu führte, dass die
britische Regierung inmitten der Pandemie, anders als sie es beabsichtigt
hatte, Kindern aus armen Verhältnissen weiterhin Coupons für Mahlzeiten
aushändigte.
Rashford stammt selber aus einer derartigen Familie. Seitdem der Fußballer
begonnen hatte, sich einen Namen als einer der gefürchtetsten Stürmer der
Premier League zu machen, sprach er offen über den Hunger in seiner
Kindheit und die wenigen Ressourcen, die seiner Mutter zur Verfügung
standen. [1][Für seinen Einsatz,] der damit begonnen hatte, dass er
persönlich Mahlzeiten für bedürftige Kinder mit der Hilfsorganisation
Foodshare verteilte und auch dafür in die eigene Tasche griff, erhielt er
vor drei Wochen sogar einen Verdienstorden der Queen.
Vor den englischen Herbstferien startete Rashford eine neue Initiative. In
England dienen viele staatliche Schulen nicht nur der Schulbildung, sondern
sie sind auch für die Ernährung der Kinder aus den ärmsten Verhältnissen
bedeutsam. Während der Ferienzeit allerdings fällt dieser Service aufgrund
der geschlossenen Schulen aus. Wegen der Coronapandemie haben nun Wales und
Schottland beschlossen, auch in den Ferien Mahlzeiten anzubieten. Rashford
will nun, dass sich England diesem Beispiel anschließt. Letzten Mittwoch
führte Labours Parteiführer Keir Starmer einen Antrag in Rashfords Namen
zur Weiterführung von speziellen Coupons für Kindermahlzeiten in den Ferien
vors Parlament. Doch bis auf fünf innerparteiliche Gegenstimmen aus den
eigenen Rängen, lehnte die konservative parlamentarische Mehrheit diesen
Antrag ab.
Nachdem Rashford dann sein Anliegen auf Twitter verbreitete, erklärten sich
spontan Hunderte von Restaurants, Cafés, bekannte Lebensmittelhersteller
und Supermarktketten sowie kleine Imbissstuben und Pubs aus jeder Ecke
Englands dazu bereit, für die abgelehnte Hilfe der Regierung einzustehen.
Selbst Stadtregierungen, darunter auch konservativ geführte, versprachen
ihre Unterstützung. Viele dieser Angebote werden von Rashford auf Twitter
geteilt. Vergangenes Wochenende stellten sich zudem konservative politische
Größen hinter Rashfords Aufruf, obendrein erklärten 2.000 britische
Kinderärzte ihre Solidarität.
## Johnson unter Zugzwang
Regierungschef Johnson gibt bis heute nicht klein bei, äußert sich jedoch
mittlerweile weniger abweisend. Minister seiner Regierung erklärten,
Mahlzeiten würden von jugendlichen Einrichtungen und öffentlichen
Ferienklubs angeboten. Die derzeitige Situation sei ohnehin mit dem
Lockdown nicht vergleichbar, da wegen der Pandemie die Sozialhilfe für
betroffene Familien um umgerechnet 1.100 Euro pro Jahr erhöht worden sei,
und den Kommunen umgerechnet knapp 70 Millionen Euro extra für
Hilfsmaßnahmen zur Verfügung stünden. Auch ein Programm, das durch die
Pandemie verarmten Familien freie Kindergartenplätze gewährt, wurde prompt
verlängert.
Als nun auch die englische Kinderkommissarin erklärte, dass England im
Vergleich zu Wales und Schottland in Fragen der Kinderernährung sozial
Benachteiligter aus der Reihe tanze, präsentierte sich Johnson endlich auch
[2][vor den Kameras der BBC]. Er lobte, Rashfords Initiative sei
„großartig“ und sagte: „Sie werden keine hungrigen Kinder diesen Winter …
in den Weihnachtsferien sehen, die auf Unaufmerksamkeiten dieser Regierung
zurückgehen!“ Er erkenne die Problematik. Es ginge lediglich um die Frage,
wie man dieses Problem löse. Er glaube, dass eine Erhöhung der
Sozialleistungen und Unterstützung der Lokalbehörden und
Hilfsorganisationen der bessere Weg seien.
Rashford twitterte, die „selbstlose und generöse Art“, die er gerade von
Seiten der Öffentlichkeit erlebe, mache ihn stolz auf Großbritannien.
26 Oct 2020
## LINKS
[1] /Beduerftige-Kinder-in-Grossbritannien/!5696137
[2] https://www.bbc.com/news/uk-54692880
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Premier League
Manchester United
Sozialpolitik
Fußball
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gewährleisten.
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