# taz.de -- Vorhang auf für Friedrich Merz: Machtmännertheater, letzter Akt | |
> Wer hätte das gedacht? Friedrich Merz ersetzt im Coronajahr die Sehnsucht | |
> nach dem Theater. Nur leider ist das Stück schon ziemlich alt. | |
Bild: Saallicht an: Kein Publikum, klar, wegen Corona | |
Gerade gibt es so einiges, was ich vermisse: die Zeit, in der ich noch nie | |
von Querdenkern gehört habe. Das unbeschwerte Gedränge in Bars. | |
Unbeschwertheit ganz allgemein. [1][Und ich vermisse Theater]. Zum Glück | |
gibt es zumindest für das letzte Problem eine Lösung und [2][die heißt | |
Friedrich Merz]. Vor 2020 hätte ich nie gedacht, dass Friedrich Merz mal | |
die Lösung für eines meiner Probleme sein könnte. Aber tatsächlich kann man | |
auch von Merz’ darstellender Kunst etwas lernen. Vorhang auf. | |
Spot an: Ein Montag im Oktober. Ein tödliches Virus tobt auf der Erde. In | |
Berlin ist die Sonne bereits untergegangen. Eilmeldung: Der Nürnberger | |
Christkindlmarkt wird im Coronajahr nicht stattfinden können. Und: [3][Auch | |
der CDU-Parteitag muss verschoben werden]. | |
Joachim Friedrich Martin Josef Merz diktiert seinem Social-Media-Team (tm) | |
einen Tweet. Ob er dabei in einem Büro voller afrikanischer Kunst sitzt, | |
wie Der Spiegel zuletzt über den Virologen Hendrik Streeck herausfand, ist | |
unklar. Aber ähnlich wie im Duell Streeck vs. Drosten steckt auch Friedrich | |
Merz in einem obermännlichen Zweikampf. | |
Der wertkonservative Held kämpft längst nicht mehr nur gegen Armin Laschet | |
um den Parteivorsitz der CDU. Nein, es stellen sich ihm auch Teile des | |
Parteiestablishments entgegen. Sehen wir eine moderne Interpretation von | |
David gegen Goliath? Oder eine kluge Trump-Satire? | |
Das Netz als Bühne | |
In der CDU laufe der letzte Teil der Aktion „Merz verhindern“, lässt Merz | |
im Netz verkünden. Und: „Ich habe klare Hinweise darauf, dass Armin Laschet | |
die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu | |
verbessern. Ich führe ja auch deutlich in allen Umfragen. Wenn es anders | |
wäre, hätte es in diesem Jahr sicher noch eine Wahl gegeben.“ | |
Zweiter Spot auf die andere Seite der Bühne: Eine Gruppe Menschen in blauen | |
Hoodies und mit Papiertüten über den Köpfen verkörpert das Internet. | |
Lederne Handschuhe halten ausgedruckte Merz-Memes in die Luft. Ein Chor aus | |
schlechten Wortwitzen und selbstgerechter Häme cancelt das wenige, was Mann | |
auf der anderen Seite der Bühne noch sagen darf: „Ihr zermürbt mich | |
nicht!“, wiederholt Merz stoisch, immer wieder. Plötzlich: Alle Spots aus, | |
Stille, Dunkelheit. Nach 20 Sekunden eine Stimme: „Und? Was jetzt? Wollt | |
ihr gar nicht wissen, wer gewinnt?“ | |
Saallicht an: Kein Publikum, wegen Corona haben alle besseres zu tun. Nur | |
eine Kritikerin geht live auf Instagram: „Hab das Stück mit dem Politik-LK | |
schon mal gesehen. Nichts Neues. Geht um Typen mit Gasluftballonegos, die | |
lieber wichtig sein als Verantwortung tragen wollen – same old, das | |
langsame Ende des Patriarchats. Irgendwie Vintage.“ Eine Reinigungskraft | |
wuchtet einen Eimer Wasser auf die Bühne und schüttet ihn direkt neben Merz | |
aus. „Ich bitte Sie!“, ruft der. Die Frau zückt den Wischmopp und zuckt mit | |
den Schultern: „Ne, ich bitte Sie. Runter jetzt, Vorhang zu. Ich muss hier | |
nämlich arbeiten.“ | |
27 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lin Hierse | |
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