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# taz.de -- Liberaler Hang zur Hoffnung: Pessimismus macht wachsam
> Woher kommt dieser Fortschrittsglaube in den mehr oder weniger woken
> Milieus? Viel Grund für Kulturoptimismus gibt es jedenfalls nicht. Siehe:
> USA.
Bild: Wahlhelferin in Georgia: Auch nach einer möglichen Niederlage von Trump …
Wenige Tage vor der US-Wahl im Jahr 2016 war ich Teilnehmer einer Konferenz
für sogenannte Young Global Leaders. Diese Bezeichnung ist mir ein bisschen
peinlich. Eine der Teilnehmer*innen ist jetzt aber die Außenministerin des
Fürstentums Liechtenstein. Sagen wir mal so: Young Global Leaders and Some
Other People (ich wäre dann other people) würde eher passen.
Auf jeden Fall liefen auf dieser Konferenz auch viele Leaders aus den USA
herum. Die meisten von ihnen kann ich mit gutem Gewissen als woke, also als
gut informiert und reflektiert bezeichnen. Und das obwohl sie mir damals
unisono sagten: No way werde [1][Donald Trump] zum Präsidenten gewählt. Sie
machten sich einfach null Sorgen. Fortschritt könne man nämlich nicht
aufhalten, die USA seien mehr als nur bereit für die erste Präsidentin in
der US-Geschichte …
Seitdem frage ich mich: Wie gefährlich ist diese Fortschrittsüberzeugung in
einigen progressiven Kreisen? Also jener Glaube, dass Errungenschaften der
Gleichberechtigung nicht zurückgedreht werden können, dass irgendwie alle
Menschen lernfähig sind (vor allem aus der Geschichte) oder dass man mit
Menschenfeindlichkeit keine Wahlen gewinnen kann.
Falls Sie bisher meine Kolumne verfolgt haben, könnte es sein, dass ich an
dieser Stelle den Eindruck eines in Deutschland lebenden Kulturpessimisten
hinterlassen habe. Die gute Nachricht: Diesen Pessimismus fühle ich auch
anderswo. Er ist mein Antrieb, wachsam zu bleiben und nie mit dem Denken
aufzuhören: Ich verzweifle, also bin ich. Passt auch irgendwie zum
gegenwärtigen Herbstwetter.
## Lazy Tagträumen
Nun steht eine neue US-Wahl an. Diesmal mit zwei sehr alten, sehr weißen
Männern. Grund für egal welche Spielart von Kulturoptimismus sehe ich da
nicht, to be honest. Das Wahlergebnis aus 2016 hat drei Punkte deutlich
gemacht: mit Menschenfeindlichkeit lassen sich in westlichen Demokratien
Wahlen gewinnen, viele haben nix aus der Geschichte gelernt und keine
Errungenschaft der Gleichberechtigung (egal ob es Frauen, Queers oder BPoCs
betrifft) ist sicher.
Ich finde es gefährlich, wenn jene, die eigentlich wachsam sein sollten,
sich lazy in fortschrittsgedanklichen Tagträumen verlieren. Während
geträumt wird: ZACK! [2][Friedrich Merz wird Bundeskanzler] und alles ist
verloren. Aber hier sollte es ja zur Abwechslung nicht um Deutschland
gehen. Sorry. Zurück zur anstehenden US-Wahl: Das Problem 2016 waren nicht
die verfehlten Prognosen, es war der Glaube, dass sich (vermeintlich)
mündige Wähler*innen niemals für einen Orangensack als Präsidenten
entscheiden würden.
Noch ein bisschen depri zum Abschluss: Wer glaubt, die
Pussy-Grabbing-Culture, Gewalt gegen Geflüchtete oder antischwarzer
Rassismus seien nach einer möglichen Niederlage von Trump passé, ist
definitiv das Gegenteil von woke. Bitte wachsam bleiben!
30 Oct 2020
## LINKS
[1] /US-Wahl-2024/!t5575916
[2] /Vorhang-auf-fuer-Friedrich-Merz/!5720907
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Die Nafrichten
Donald Trump
Fortschritt
Rechtsextremismus
Kolumne Poetical Correctness
US-Wahl 2024
Donald Trump
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