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# taz.de -- Polizeiaffäre um rechte Chats in NRW: „Das Ende noch nicht errei…
> Wegen Verdacht auf Rechtsextremismus werden zwei Polizeibeamte in NRW
> suspendiert. Das Innenministerium zählt 104 Vorfälle seit 2017.
Bild: Ein Ende der Polizei-Affäre in Sicht? Für Herbert Reul bisher nicht
Düsseldorf/Berlin taz | Herbert Reul nahm die Sache vorweg. „Ich befürchte,
dass wir bei diesem Thema das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht
haben“, sagte der Innenminister am Donnerstag im Innenausschuss des
Landtags Nordrhein-Westfalen. Und die Zahlen, die der CDU-Mann darauf
präsentierte, gaben ihm recht.
Erst vor einer Woche hatte Reul die [1][Suspendierung von 30
NRW-PolizistInnen] bekanntgemacht, die Mitglieder von rechtsextremen
Whatsapp-Chatgruppen waren, teils schon seit 2012. Fast alle Beschuldigten
kamen aus dem Polizeipräsidium Essen und der dortigen Dienstgruppe Mülheim.
14 von ihnen sollen aus dem Dienst entfernt werden.
Am Donnerstag nun verkündete Reul eine weitere Suspendierung in dem Fall,
diesmal ein Mann aus einer anderen Region. Es sei „jemand von woanders, der
mitgechattet hat“, so der Innenminister. Zudem wurde am gleichen Tag ein
weiterer Beamte aus Essen suspendiert, ohne Zusammenhang zu den
Chatgruppen, aber ebenfalls wegen des Vorwurfs des Rechtsextremismus. Die
Polizei-Affäre in Nordrhein-Westfalen zieht damit immer größere Kreise.
Zur Essener Polizei hatte es bereits seit Monaten Beschwerden gegeben,
Betroffene kritisierten rassistische Übergriffe. Reul wies am Donnerstag
einen Zusammenhang zurück: Hier gebe es bisher keine bekannten
Überschneidungen zu PolizistInnen aus den Chatgruppen.
## Neue Hinweise nach Auffliegen der Chatgruppen
Der Innenminister berichtete aber von 16 internen Hinweisen auf weitere
rechtsextreme Vorfälle in der NRW-Polizei seit den Suspendierungen vor
einer Woche. Zudem sei eine „niedrige zweistellige“ Zahl an Hinweisen aus
der Bevölkerung erfolgt. Allen werde „intensiv nachgegangen“. Reul hatte
bereits am Mittwoch in einer Email alle 56.000 Beschäftigten der
Landespolizei angeschrieben und dazu aufgerufen, strafrechtlich relevante
Inhalte von KollegInnen zu melden.
Einem Hinweis wurde bereits zuvor nachgegangen. Reul machte bekannt, dass
fünf NRW-Beamte auch in dem inzwischen geschlossenen Polizei-Chatforum
„net4cops“ mit rechten Äußerungen auffielen. Gleiches betreffe vier
PolizistInnen aus anderen Bundesländern. Diese seien mit Äußerungen zu
„Lügenpresse“, „Islamkritik“ oder „kriminellen Ausländer“ aufgefa…
Strafrechtlich sind die Äußerungen laut Reul nicht relevant, womöglich aber
disziplinarrechtlich. Bei „net4cops“ war eine Anmeldung nur mit
Dienstadresse möglich, das Forum hatte zuletzt 770 Mitglieder.
Die aktuellen Vorfälle sind indes keine Einzelfälle, wie Reul am Donnerstag
ebenfalls einräumen musste. Denn seit Anfang 2017 zählt sein Ministerium
genau 100 rechtsextreme Verdachtsfälle in der Polizei NRW, inklusive der
aktuellen Chat-Vorgänge. Gezählt wurden nur Vorfälle, die
Disziplinarverfahren auslösten. 71 der Verfahren laufen noch. Bei den 29
bereits abgeschlossenen Verfahren wurden in acht Fällen disziplinar- oder
arbeitsrechtliche Maßnahmen verhängt. Die anderen 21 Verfahren endeten ohne
Maßnahmen – weil sich der Verdacht nicht erhärtete oder die Vorgänge
verjährt waren.
Dazu kommen vier rechtsextreme Verdachtsfälle auch in Reuls eigenem
Ministerium, die Verwaltungs- oder Polizeivollzugsbeamte betreffen. In drei
der Fälle laufen noch Disziplinarverfahren, das vierte wurde mit damit
abgeschlossen, dass eine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde.
## Reul unter Druck
Reul bekräftige, dass Extremisten in der Polizei nichts zu suchen hätten.
Die „menschenverachtenden“ Chatbilder seien „der Nährboden für Hass und
Ausgrenzung in unserer Gesellschaft“, so der CDU-Mann. „Das will und werde
ich nicht zulassen.“ Dass nun neue Hinweise kämen sei Resultat einer „guten
Aufmerksamkeit“, sagte Reul. „Weil Bürgerinnen und Bürger, aber auch
Polizistinnen und Polizisten jetzt für das Thema sensibilisiert werden.“
Gleichzeitig bekräftigte er: „Die überwältigende Mehrheit der Beschäftigt…
der Polizei in unserem Land stehen auf der richtigen Seite.“
Die Opposition warf Reul dagegen ein zu spätes Vorgehen gegen die Umtriebe
vor. Verena Schäffer, Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin in NRW, zeigte sich
über die 104 Verdachtsfälle „erschüttert“. „Nach Bekanntwerden dieser …
kann Herr Reul sich nicht mehr mit der Entschuldigung wegducken, er hätte
die Dimension des Problems unterschätzt“, sagte Schäffer der taz. „Herr
Reul hätte längst mit Maßnahmen reagieren müssen.“
Die Grünen fordern, ebenso wie SPD und Linke, eine Studie zur politischen
Einstellungen von Polizisten. Sie wollen außerdem einen unabhängigen
Polizeibeauftragten für NRW, angesiedelt am Landtag. [2][Beides lehnt Reul
bisher ab]. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hält nichts von
einer Polizeistudie und Polizeibeauftragten.
Derzeit stellt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Lagebild zu
extremistischen Vorfällen in den Sicherheitsbehörden zusammen. Erfasst
wurden Fälle von Anfang 2017 bis Ende März 2020. Anfang Oktober soll der
Bericht präsentiert werden. Über die Zahlen herrscht noch Stillschweigen.
Reul gab aber nun an, dass NRW hier 43 Fälle dem Bundesamt meldete – wieder
nur solche, die dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen nach sich zogen.
24 Sep 2020
## LINKS
[1] /Polizeiskandal-in-NRW/!5714629
[2] /Konsequenzen-aus-NRW-Polizeiskandal/!5714778
## AUTOREN
Konrad Litschko
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