| # taz.de -- Mutmaßliche Polizeigewalt in Essen: „Sonst breche ich dir den Ar… | |
| > Ein Soldat steht vor Gericht, weil er Beamte angegriffen haben soll. Er | |
| > spricht aber von rassistischer Polizeigewalt. Es wäre nicht der erste | |
| > Fall. | |
| Bild: Im Dezember 2019 eskalierte die Verkehrskontrolle (Symbolfoto) | |
| Essen taz | „Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass ich meinen Job | |
| los bin“, sagt Mathis C.*, als er am Freitagmorgen vor dem Essener | |
| Amtsgericht steht. Er ist schwarz, Zeitsoldat bei der Bundeswehr und wegen | |
| dem Vorwurf eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte angeklagt. Im | |
| Falle einer Verurteilung droht ihm die Entlassung. Seinem Freund Dennis K. | |
| wird Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Anlass ist ein | |
| Vorfall aus dem Dezember 2019 in Essen. Damals geriet der Angeklagte als | |
| Mitfahrer im Auto eines Freundes in eine Verkehrskontrolle. Die Ex-Freundin | |
| von Dennis K. kam später hinzu und beobachtete die Situation als Zeugin. | |
| „Wo wollen Sie hin, wo kommen Sie her?“, soll ein Polizist gefragt haben, | |
| nachdem er sie angehalten hatte. So gibt es Mathis C. am Freitag vor dem | |
| Amtsgericht an. Weil der Beamte sich nicht vorgestellt habe, aggressiv | |
| gewesen sei und sie nicht über den Grund der Maßnahme aufgeklärt habe, | |
| hätten C. und seine Freunde die Fragen nicht beantwortet. Der Beamte winkte | |
| sie daraufhin an den Straßenrand und der Fahrer stieg auf Anweisung der | |
| Polizei aus. C. sei sitzen geblieben, Dennis K. habe sich mit | |
| Einverständnis der Polizei vom Auto entfernt. | |
| Aus einigen Metern Entfernung wollte K. das Geschehen nach eigenen Angaben | |
| mit dem Smartphone filmen. Ein Polizist habe ihm gesagt, dass er das nicht | |
| dürfe. Dann, so sagen es die Ex-Freundin und der Fahrer aus, habe ihn der | |
| Beamte zwei Mal geschubst und schließlich das Handy „aus der Hand | |
| geschlagen“. | |
| Als der Angeklagte das Handy aufhob, eskalierte die Lage: Der Beamte „hat | |
| mir an den Hals gepackt“ und ein anderer hat ihn zu Boden gebracht, erzählt | |
| K. im Saal. Mehrfach sollen die Beamten auf seinen Kopf eingetreten haben, | |
| als er sich „widerstandslos“ versucht habe zu schützen. Die | |
| Staatsanwaltschaft behauptet, dass er eine Schlagbewegung in Richtung eines | |
| Beamten angesetzt haben soll, eine „Androhung von Gewalt“. Er bestreitet | |
| das. | |
| ## Drohung auf Tonaufnahme | |
| Mathis C. – mittlerweile aus dem Auto ausgestiegen – hat nach eigenen | |
| Angaben gestikuliert, war aufgebracht: „Wie oft wollen Sie dem noch vor den | |
| Kopf treten?“, habe der Soldat der Polizei zugerufen. Nachdem ihn eine | |
| Beamtin aufforderte, sich ruhig zu verhalten, habe er sich mit den Händen | |
| in der Hosentasche ans Auto gelehnt – bis polizeiliche Verstärkung anrückte | |
| und ihn eine weitere Polizistin aufforderte, die Hände aus den Taschen zu | |
| nehmen. | |
| Von dieser Situation existiert eine Tonaufnahme auf dem Handy des Fahrers. | |
| Nur zwei Sekunden nach der Aufforderung rumpelte es: C. wurde zu Boden | |
| gebracht. „Ein Polizist hat mir sein Schienbein ins Gesicht gedrückt“, sagt | |
| er. Die Zeugen berichten, dass Polizeibeamte auch ihn vor den Kopf getreten | |
| hätten. Auf der Tonaufnahme droht ihm ein Beamter: „Die scheiß Hände auf | |
| den Rücken, sonst breche ich dir den Arm, du Wichser“. | |
| Die Staatsanwaltschaft wirft C. vor, auf dem Boden mit den Armen umher | |
| geschwungen und einen Polizeibeamten getroffen zu haben. „Ein tätlicher | |
| Angriff auf Vollstreckungsbeamte […] Der Beamte war nicht verletzt“, so die | |
| Staatsanwältin. Der Angeklagte C. erlitt ebenfalls keine attestierten | |
| Verletzungen. Der Angeklagte K. legte vor Gericht Bilder mit Prellungen und | |
| leichten Blutungen vor. | |
| ## Angeklagter vermutet Rassimus | |
| Mathis C. wirft den Polizisten vor, ihn nicht zufällig so rabiat behandelt | |
| zu haben. Er sagt der taz: „Bei der Essener Polizei gab es zuletzt viele | |
| Fälle von Rassismus und Rechtsextremismus. Deshalb fällt es mir schwer zu | |
| glauben, dass das kein Rassismus ist.“ Rassistische Bemerkungen seien | |
| während des Vorfalls zwar nicht gefallen. Allerdings waren nach | |
| taz-Recherchen mindestens zwei der Polizisten auch an einem weiteren Fall | |
| von mutmaßlicher rassistischer Polizeigewalt in Essen beteiligt. | |
| Dieser Fall ging im Frühjahr durch die Medien. Loveth A., eine 50-jährige | |
| schwarze Frau aus Mülheim, ging im März 2020 mit ihren Kindern in die | |
| Polizeiwache Essen Mitte und wollte Anzeige erstatten, weil ihr das | |
| Portemonnaie gestohlen worden war. Ihr zufolge war damals eine der ersten | |
| Fragen der Polizei: „Wurden Sie beklaut oder haben Sie geklaut?“. Später | |
| sei die Situation eskaliert: Bis zu 15 Polizist*innen hätten sich ohne | |
| Grund auf sie und ihre Kinder gestürzt und sie verletzt. Die Polizei selbst | |
| bestätigte später eine Auseinandersetzung auf der Wache, begründete sie | |
| aber mit „Widerstandshandlungen“ und wies den Rassismusvorwurf zurück. | |
| Wie im Fall von Mathis C. und Dennis K. wurde gegen Loveth A. und einen | |
| ihrer Söhne wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Bei der | |
| Mutter wurde das Verfahren eingestellt. Gegen zwei Töchter wird noch wegen | |
| Beleidigung ermittelt. Zwar hat die Familie selbst Anzeige wegen | |
| Körperverletzung im Amt gestellt, doch seit März 2020 gibt es nach Angaben | |
| der Anwältin der Familie keine erkennbaren Bemühungen zu ermitteln. | |
| ## „Offen rassistischer Ton“ | |
| In der Polizeiwache Mitte soll ein „offen rassistischer Ton“ herrschen, | |
| kritisierte der ehemalige Essener Staatsanwalt Bernd Schmalhausen im | |
| September in der Westdeutschen Allgemeine Zeitung. Bei Razzien gegen | |
| schwarze Drogendealer etwa würden sich Beamte damit brüsten, „N****“ zu | |
| „jagen“. | |
| Ins Gespräch geriet die Polizei Essen in diesem Jahr [1][auch wegen | |
| mutmaßlich rechtsextremen Chats ihrer Beamten]. 31 Polizist*innen waren | |
| vorübergehend suspendiert worden. Einige gelten mittlerweile als | |
| unschuldig. Gegen 15 Beamte hat sich der Anfangsverdacht nach | |
| Behördenangaben aber bestätigt. Zwei der wegen rechtsextremer Chats | |
| suspendierten Polizist*innen sollen auch mal ihren Dienst in der | |
| Polizeiwache Mitte geleistet haben. | |
| Derweil erschienen am Freitag die Zeug*innen der Polizei im Fall von C. und | |
| K. nicht vor Gericht. Warum, das konnte von der Richterin nicht geklärt | |
| werden. Der Prozess soll daher mit den Beamten am 5. Januar weiter | |
| verhandelt werden. Mathis C. war nach dem ersten Prozesstag sichtlich | |
| bedrückt: „Das ist sehr zermürbend für mich“, sagte er der taz im | |
| Anschluss. | |
| *Name geändert | |
| 19 Dec 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rechtsextreme-Chats-in-der-Polizei/!5731314 | |
| ## AUTOREN | |
| Dennis Pesch | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Nordrhein-Westfalen | |
| Prozess | |
| Ermittlungen | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Gerichtsprozess | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Grüne Hessen | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rechtsradikale Chatgruppen in Hessen: Anklage gegen Polizisten | |
| Zwei Beamte der Polizei Hessen müssen vor Gericht, weil sie sich | |
| rechtsextrem geäußert und illegal Waffen besessen haben sollen. Auch | |
| weitere Polizisten werden angeklagt. | |
| Mutmaßliche Polizeigewalt in Essen: Verprügelt, beleidigt, angeklagt | |
| Ein Schwarzer wird mit einem Freund von Polizisten getreten, geschlagen – | |
| und vor Gericht gezerrt. Nun wurden die beiden Männer freigesprochen. | |
| Seehofers Untersuchung zur Polizei: Die Feel-good-Studie | |
| Innenminister Seehofer legt das Konzept für die umstrittene Polizeistudie | |
| vor: Statt um Rassismus soll es um die Zufriedenheit der BeamtInnen gehen. | |
| Räumung im Dannenröder Forst: Vorwürfe an Waldbesetzer | |
| Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Totschlags gegen einen | |
| Demonstranten. Aktivisten bezweifeln die Darstellung der Polizei. | |
| Polizeiaffäre um rechte Chats in NRW: „Das Ende noch nicht erreicht“ | |
| Wegen Verdacht auf Rechtsextremismus werden zwei Polizeibeamte in NRW | |
| suspendiert. Das Innenministerium zählt 104 Vorfälle seit 2017. |