# taz.de -- Mutmaßliche Polizeigewalt in Essen: Verprügelt, beleidigt, angekl… | |
> Ein Schwarzer wird mit einem Freund von Polizisten getreten, geschlagen – | |
> und vor Gericht gezerrt. Nun wurden die beiden Männer freigesprochen. | |
Bild: Sollte eigentlich nicht im Gewaltexzess enden: eine Polizeikontrolle, hie… | |
ESSEN taz | Es ist ein drastischer Satz. „Die Gewalt der Polizei erinnert | |
an [1][Verhältnisse in den USA]. Das darf sich unser Rechtsstaat nicht | |
bieten lassen“, sagte die Richterin des Amtsgerichts Essen am Ende in ihrer | |
Urteilsbegründung. Sie sprach die Angeklagten Mathis C.* und Dennis K. | |
frei, die angeklagt waren, weil sie Widerstand gegen Beamte geleistet haben | |
sollen – Widerstand gegen jene Beamten, die von der Richterin später mit so | |
drastischen Worten belegt wurden. Was war passiert? | |
Im Dezember 2019 geriet der Schwarze Bundeswehrsoldat Mathis C. zusammen | |
mit seinem Freund Dennis K. in Essen [2][in eine Verkehrskontrolle der | |
Polizei]. Statt sich vorzustellen und die Maßnahme zu erklären, soll der | |
Polizist Gerrit H. dabei zu den insgesamt drei Fahrzeuginsassen gesagt | |
haben: „Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin?“. Polizist H. sagte selbst | |
dazu: „An den Wortlaut kann ich nicht mehr genau erinnern“. | |
Was dann geschah, ist auf einer Tonaufnahme vom Vorfall zu hören, von der | |
nicht ganz klar ist, wie sie zustande kam. Darauf ist zu hören, wie sich | |
Mathis C. lautstark beschwert: „Nur weil der gefilmt hat, treten sie auf | |
den ein. Gehören Sie einer Straßengang an oder was?“ C. musste zu diese | |
Zeitpunkt mitansehen, wie die Polizisten seinen Freund Dennis K. am Boden | |
traten. | |
Dieser hatte zuvor versucht, das Verhalten der Polizisten während der | |
Kontrolle zu filmen. Der Dienststellenleiter soll ihm das Smartphone aus | |
der Hand geschlagen und anschließend K. zu Boden gebracht haben. | |
## „Hoffentlich brennen dir die Augen aus“ | |
Der Zeitsoldat C. war „erkennbar in Sorge“, weil auf Dennis K. eingetreten | |
wurde, stellte die Richterin im Gerichtssaal fest. Auf der Tonaufnahme ist | |
zu hören, wie der Polizist Gerrit H. nun C. zuruft: „Geh weg“. Mathis C. | |
lief vor Aufregung auf und ab. Der Polizist habe seinen Schlagstock | |
gezogen, sagte eben jener selbst aus, doch C. habe sich unbeeindruckt | |
gezeigt und provoziert. Dann soll der Polizist sein Pfefferspray gezogen | |
haben. Auf der Tonaufnahme ist davon nichts zu hören. | |
Zu diesem Zeitpunkt kam eine weitere Beamtin dazu: „Beruhigen Sie sich | |
mal“, ist sie an C. gewandt auf der Aufnahme zu hören. Aus Sicht der | |
Polizisten soll Mathis C. darauf nicht reagiert haben. Die Tonaufnahme | |
zeigt indes: C. wurde ruhig, ärgerte sich nur noch leise – „weil der filmt, | |
ey“, murmelte er. Er lehnte sich an das Auto, mit den Händen in der | |
Jackentasche, so beschrieben es die Beamten und C. selbst. | |
Die Polizei forderte in dieser Situation Verstärkung an: Der Beamte Mirko | |
W. kam hinzu. Er und Polizist H. wollen den Angeklagten C. anschließend | |
dreimal aufgefordert haben, die Hände aus der Tasche zu nehmen. Auf Frage | |
der Richterin verneinen die beiden Beamten im Gerichtssaal, dass C. dem | |
nachgekommen sei. Auf der Tonaufnahme ist indes zu hören, wie es nur zwei | |
Sekunden von einer Aufforderung bis zu einem Rumpeln und schmerzhaften | |
Lauten von C. dauert. Er hatte also keine Zeit, der Aufforderung überhaupt | |
nachzukommen. Die Richterin bezichtigt die beiden Beamten deshalb im | |
Gerichtssaal der Falschaussage. | |
Was auf der Tonaufnahme noch zu hören ist: Ein Beamter ruft: „Die scheiß | |
Hände auf den Rücken, sonst breche ich dir den Arm, du Wichser.“ Und: | |
„Hoffentlich brennen dir die Augen aus“, nach dem sich C. am Boden über | |
Pfefferspray im Auge beschwerte. Polizeigewalt aus rassistischer | |
Motivation? Der Freigesprochene C. kommentierte gegenüber der taz: | |
„Schließe ich nicht aus“. | |
## Weitere Anschuldigungen gegen die Polizei Essen | |
Ob die Staatsanwaltschaft nun Berufung gegen den Freispruch einlegt, ist | |
unklar. Sie hatte sechs Monate auf Bewährung für die Angeklagten gefordert. | |
Christian Hemmer, Anwalt von Mathis C., empört das: „Die Straftaten wurden | |
von den Beamten begangen und nicht von den Angeklagten“, sagte er der taz. | |
Die separaten Ermittlungen gegen die Polizisten wegen Körperverletzung im | |
Amt laufen noch. | |
Mirko W., Matthias K. und ein weiterer am Einsatz beteiligter Beamter | |
wurden nach Recherchen der taz in einem weiteren Fall von mutmaßlich | |
rassistischer Polizeigewalt angezeigt. Loveth A., eine 50-jährige Schwarze | |
Frau aus Mülheim, ging im März 2020 mit ihren Kindern in die Polizeiwache | |
Essen Mitte. Sie wollte Anzeige erstatten, weil ihr das Portemonnaie | |
gestohlen wurde. | |
A. schilderte, dass die erste Frage der Polizei war: „Wurden Sie beklaut | |
oder haben Sie geklaut?“. Später sei die Situation eskaliert: Bis zu 15 | |
Polizist:innen hätten sich auf sie und ihre Kinder gestürzt und sie | |
verletzt. Die Polizei bestätigte eine Auseinandersetzung, begründete die | |
Gewalt aber mit „Widerstandshandlungen“. Den Vorwurf des Rassismus wies die | |
Polizei zurück. | |
*Name geändert | |
6 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dennis Pesch | |
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