# taz.de -- Gericht stoppt Pop-up-Radwege in Berlin: Pandemie reicht als Grund … | |
> Acht kurzfristig eingerichtete Radwege müssen wieder entfernt werden. Das | |
> hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden. | |
Bild: Muss wohl jetzt erst mal wieder abgezogen werden: Zeichen für einen Pop-… | |
Berlin taz | Eines der großen Renommierprojekte der Berliner | |
Senatsverwaltung für Umwelt- und Verkehr steht auf der Kippe. Acht | |
sogenannte Pop-up-Radwege müssen vorerst wieder verschwinden. Das hat das | |
Berliner Verwaltungsgericht bereits am Freitag entschieden, wie am Montag | |
bekannt wurde. Es bestünden „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der | |
Radwegeinrichtung“, so das Gericht. Geklagt hatte ein Abgeordneter der AfD. | |
Zu Hochzeiten der Coronapandemie und des Lockdowns ab Ende März hatte | |
zuerst der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg damit begonnen, an viel | |
befahrenen breiten Straßen zumeist eine Spur der Fahrbahn als | |
provisorischen Radweg auszuweisen. Begründet wurde dies mit den Abstands- | |
und Hygieneregeln. „Mit den bestehenden Radverkehrsanlagen lässt sich die | |
Eindämmungsverordnung gegen das Coronavirus momentan nicht gefahrlos | |
einhalten“, hatte der Leiter des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks, | |
Felix Weisbrich, [1][damals der taz gesagt]. | |
Auch andere Bezirke griffen Weisbrichs Idee rasch auf. Die Spuren wurden | |
bundesweit als sogenannte Pop-up-Radwege bekannt und [2][als Vorbild für | |
eine innovative Verkehrspolitik] gewertet. Vorerst als Übergangslösung bis | |
zum Sommer vorgesehen, verlängerte die grüne Verkehrssenatorin Regine | |
Günther [3][die Regelung bis Ende des Jahres] – vorerst. | |
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist indes ein Dämpfer für die | |
Euphorie, die die temporären Radwege auch bei vielen RadaktivistInnen | |
ausgelöst hatte. Zwar kann die Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr von | |
Regine Günther, gegen die sich die Klage richtete, gegen den Beschluss | |
Beschwerde bei Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Doch | |
aufschiebende Wirkung habe das nicht, wie ein Sprecher des Gerichts auf | |
Nachfrage erklärte: Die Beschilderung an acht Streckenabschnitten in Berlin | |
muss wieder abgebaut werden. | |
## Noch keine Stellungnahme der Verkehrsverwaltung | |
Laut der Begründung des Gerichts könne die Senatsverwaltung zwar befristete | |
Radwege einrichten, ohne dass es einer „straßenrechtlichen Teileinziehung | |
bedürfe“. Unbedenklich sei ebenfalls, dass der Radfahrstreifen auf der | |
zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur | |
befristet eingerichtet seien. | |
Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo | |
„Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz | |
konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen“ und die Anordnung damit zwingend | |
erforderlich sei. Eine solche Gefahrenlage habe der Antragsgegner nicht | |
dargelegt, monierte das Gericht. Vielmehr sei die Senatsverkehrsverwaltung | |
„fälschlich davon ausgegangen“, sie müsse eine Gefahrenlage nicht | |
begründen. Insbesondere könne die „die Pandemie nicht zum Anlass der | |
Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um verkehrsbezogene | |
Erwägungen handele“. | |
Aus der Verkehrsverwaltung gab es am Montagmorgen noch keine Stellungnahme | |
zu der Gerichtsentscheidung. Die zeitliche Verlängerung der Ausweisung der | |
Radwege hatte die Verkehrsverwaltung Ende Mai mit Rückgriff auf den | |
Paragrafen 45 der Straßenverkehrsordnung begründet. Darin heißt es unter | |
anderem: „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter | |
Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des | |
Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.“ | |
## Unklar, ob alle Pop-up-Bikelanes betroffen sind | |
Diese Gründe seien weiterhin gegeben, so die Verkehrsverwaltung Ende Mai: | |
Es bestehe in allen Streckenabschnitten mit aktuell noch temporären | |
Radfahrstreifen ein Bedarf für die sichere Führung von Radfahrenden. | |
Zugleich verkündete sie das Ziel, die vorübergehend angeordneten gelben | |
Markierungen und mobilen Verkehrszeichen (Warnbaken) bis zum Jahresende auf | |
möglichst vielen Strecken durch dauerhafte Verkehrszeichen und | |
Einrichtungen zu ersetzen oder sogar baulich umzusetzen. | |
Laut dem Gerichtssprecher gebe es eine Möglichkeit, die Pop-up-Bikelanes | |
zumindest vorübergehend zu erhalten. Sollte die Verkehrsverwaltung vor das | |
Oberverwaltungsgericht ziehen, könnte sie dort auch einen Antrag auf | |
aufschiebende Wirkung stellen. Unklar ist auch, ob von der Entscheidung | |
alle temporären Radwege betroffen sind oder nur jene acht (siehe Kasten), | |
gegen die der Kläger explizit vorgegangen ist. | |
Nicht nur die AfD, deren Verkehrspolitiker Frank Scholtysek die Klage | |
initiiert hat, sondern auch die FDP im Berliner Abgeordnetenhaus haben | |
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pop-up-Radwege. Ein im Auftrag der | |
FDP-Fraktion erstelltes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des | |
Berliner Abgeordnetenhauses kam zu dem Schluss, dass temporäre | |
Radfahrstreifen zwar angeordnet werden können, um „Gefahren | |
entgegenzuwirken, die durch eine Verstärkung des Radverkehrs auf Grund der | |
Coronapandemie entstehen.“ Allerdings sei dies nur als Reaktion auf | |
„konkrete Gefährdungslagen auf bestimmten Straßen“ möglich. | |
7 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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