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# taz.de -- Gericht zu Pop-up-Radspuren in Berlin: Noch ein bisschen sicherer
> Die eigentlich temporären Radwege dürfen bleiben, sagt das
> Oberverwaltungsgericht. Unklar bleibt, wie sie begründet werden müssen.
Bild: Gekommen um zu bleiben? Pop-up-Radspur in Berlin
Berlin taz | Ein bisschen verwirrend ist der Rechtsstreit um die so
[1][genannten Pop-up-Radspuren in Berlin] ja schon. Am Mittwochnachmittag
hat sich nun schon zum dritten Mal ein Gericht in dieser Sache geäußert –
endgültig entschieden ist damit immer noch nichts. Nur so viel ist klar:
Die im Coronajahr 2020 erstmals angeordneten provisorischen Radspuren auf
Hauptverkehrsstraßen werden erst einmal nicht angetastet.
Das sind die Hintergründe: Im Sommer hatte ein AfD-Abgeordneter vor dem
Verwaltungsgericht gegen die geschützten Spuren geklagt, die die
Senatsverkehrsverwaltung seit März in mehreren Bezirken quasi über Nacht
angeordnet hatte. Sie behinderten ihn auf seinem Arbeitsweg mit dem Auto,
so der Kläger. Und siehe da: Das Gericht [2][kassierte die Spuren Anfang
September] im Eilverfahren.
Allerdings legte der Senat Beschwerde bei der nächsten Instanz ein, dem
Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg. Im Oktober fällte dieses
eine weitere Eilentscheidung: Die Pop-up-Wege können vorerst bleiben. Diese
Entscheidung hat es jetzt, Anfang Januar, eigentlich nur noch einmal
bestätigt und als „unanfechtbar“ bezeichnet.
Kein wirklich neuer Sachstand also, trotzdem freuen sich PolitikerInnen und
Verbände laut: „Das OVG hat unsere Rechtsauffassung bestätigt, wonach die
Einrichtung von Pop-Up-Radwegen zulässig ist“, teilte die Verwaltung von
Senatorin Regine Günther (Grüne) mit. Es sei „ein gutes Signal für das
Hauptsacheverfahren, in dem abschließend entschieden wird, ob die
Pop-up-Radwege bleiben können“. Die Grünen-Fraktion sprach von einem
„weiteren Etappensieg für mehr Verkehrssicherheit“, und der Verein Changing
Cities sieht in dem Beschluss „ein klares Signal an den Senat: Ihr dürft
das, jetzt könnt ihr nachlegen!“
Tatsächlich steht es ja nicht schlecht für die Pop-up-Wege (wobei die Frage
„temporär oder dauerhaft“ in der juristischen Auseinandersetzung eher
unerheblich ist). Denn auch wenn das Verwaltungsgericht noch im
Hauptsacheverfahren entscheiden muss, wiegt die jetzt wiederholte Aussage
des OVG schwer: Der Beschluss der Erstinstanz sei „mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit im Ergebnis fehlerhaft“.
Und das nicht allein, weil laut OVG die Interessen des privaten Klagenden
gegenüber dem öffentlichen Belang zurücktreten müssten. Sondern auch, weil
Günthers Verkehrsverwaltung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens konkrete
Begründungen für die Notwendigkeit der beanstandeten Radspuren nachgereicht
hat. Dabei handelt es sich um Gefahrenprognosen für die entsprechenden
Straßenabschnitte, die unter anderem durch Daten aus Verkehrszählungen und
Unfallstatistiken belegt wurden.
## Braucht es überhaupt Begründungen?
Noch wichtiger ist aber eine Frage, die sich das OVG gar nicht gestellt
hat, weil ihm dazu sozusagen der Prüfauftrag fehlte: Muss die
Verkehrsverwaltung, die vom Mobilitätsgesetz zur Einrichtung sicherer
Radverkehrsanlagen auf allen Hauptverkehrsstraßen verpflichtet wird,
tatsächlich jede einzelne dieser Anlagen begründen? Geht eine solche
Pflicht aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) hervor? Oder nimmt diese
gerade Radverkehrsanlagen davon aus?
Zu letzterem Schluss war ein Gutachten gekommen, das die
Senatsverkehrsverwaltung bei den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags
in Auftrag gegeben hatte. Spätestens in der Hauptsacheentscheidung des
Verwaltungsgerichts – wann die kommt, kann niemand sagen – ist diese Frage
zu klären.
Sollte dabei herauskommen, dass für jede Anordnung eine Einzelbegründung
notwendig ist, wäre das für Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen
ein schlechtes Signal: „Die Mobilitätswende treibt man nicht voran, wenn
man solche Maßnahmen jedes Mal begründen muss.“
Und auch die grüne Fraktionschefin Antje Kapek und der Radverkehrs-Sprecher
der Fraktion, Stefan Taschner, greifen hier schon einmal vor: „Um wirkliche
Rechtssicherheit herzustellen, brauchen wir nach wie vor eine Änderung der
Straßenverkehrsordnung“, fordern sie. Die müsse „Städten endlich mehr
Spielraum geben, um den Straßenraum gerechter zu verteilen und so das
Miteinander aller Verkehrsteilnehmer*innen sicherer zu machen“.
7 Jan 2021
## LINKS
[1] /Temporaere-Radwege-in-Berlin/!5737873
[2] /Gericht-stoppt-Pop-up-Radwege-in-Berlin/!5712633
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Pop-up-Bikelane
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