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# taz.de -- Preußenstiftung und Hamburger Bahnhof: Katastrophe in Zeitlupe
> Ein lang angekündigter Niedergang. Das Berliner Museum Hamburger Bahnhof
> und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind gescheitert.
Bild: Museums-Spatenstich in Berlin: Alle Energie fließt in den Bau, wenig in …
Noch bevor das Gutachten des Wissenschaftsrats zur Stiftung Preußischer
Kulturbesitz (SPK) am kommenden Montag öffentlich vorgestellt wird, ist die
Debatte über deren Zukunft hochgekocht. Zwei Jahre lang wurde die
Preußenstiftung von dem unabhängigen wissenschaftspolitischen
Beratungsgremium auf Geheiß von Kulturstaatsministerin Monika Grütters
evaluiert.
Jetzt sind durch einen Artikel in der Zeit erste Ergebnisse publik
geworden. Folgt die Politik den Empfehlungen, steht die Stiftung vor
einschneidenden Reformen. Von der Dysfunktionalität des Stiftungsdampfers
ist die Rede, empfohlen wird seine Aufteilung in kleinere, autonome
Einheiten. Moniert wird auch, dass die Museen innerhalb der SPK den
„Anspruch einer internationalen Ausstrahlung und Wirkung“ nur „bedingt
einzulösen vermögen“.
Deutlich wurde der kritische Zustand der Museen zuletzt am Hamburger
Bahnhof, Berlins Museum für Gegenwart. Es zählt zum Museumsverbund der
Staatlichen Museen zu Berlin (SMB), verwaltet von der Preußenstiftung. Seit
Wochen steht das Haus in den Schlagzeilen.
Und selbst der bunte Sommerhit, den die Berliner Malerin Katharina Grosse
der Hauptstadt mit ihrem Riesenwerk „It Wasn’t Us“ geschenkt hat, kann ü…
die Krise nicht hinwegtäuschen: Das Museum in der [1][sogenannten
Europacity] am Hauptbahnhof ist in seiner Existenz bedroht.
Wie in Zeitlupe entfaltete sich die Berliner Misere. Das SPK-Gutachten
markiert nun einen vorläufigen Höhepunkt. Schon im August letzten Jahres
verkündete Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann seinen freiwilligen
Abschied von einem der prestigeträchtigsten Museumsposten des Landes.
[2][Einst wurde er nach Berlin geholt,] um frischen Wind in die
festgefahrenen Strukturen der Nationalgalerie zu bringen.
## Flicks Berliner Abgang
Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Der Einzeiler „It Wasn’t Us“ –
kuratiert von Kittelmann und Hamburger-Bahnhof-Leiterin Gabriele
Knapstein – ist nun wohl seine Art, Bye-bye zu sagen. Große
Ausstellungsgesten gelangen Kittelmann besser als zukunftsweisende
Museumsarbeit. Seine zwölfjährige Amtszeit endet im Oktober. Er hinterlässt
eine Großbaustelle.
Ende April kam die Nachricht vom [3][Abzug der Friedrich Christian Flick
Collection]. Der Sammler mit Hauptwohnsitz in Zürich schweigt, mit ein
Grund für seinen Berlin-Abgang ist vermutlich aber der Abriss der
Rieck-Hallen im nächsten Jahr. Diese hatte Flick mit eigenem Geld für die
Präsentation seiner Werke 2004 extra instandsetzen lassen. Doch seit 2007
gehören sie dem börsennotierten Immobilieninvestor CA Immo, hauptmaßgeblich
für die Entwicklung der Europacity.
Und nicht nur das. Auch das historische und, wie die Kunstzeitschrift
Monopol schreibt, dringend sanierungsbedürftige Museums-Hauptgebäude gehört
CA Immo. Bislang wurde es der Preußenstiftung mietfrei zur Nutzung
überlassen.
Die Sachlage war intern bekannt. Doch offenbar hat sich niemand recht dafür
interessiert, auch wenn die Stiftung betont, alle Beteiligten hätten sich
„bei den Verhandlungen zur Sicherung des Standorts intensiv unterstützt und
zusammengewirkt“.
## Hektische Verhandlungen
Nun verhandelt der Bund in Person von Monika Grütters hektisch über einen
Rückkauf. Würde der Hamburger Bahnhof – dann ohne Rieck-Hallen –
tatsächlich zurückgekauft, stünden mehrjährige Sanierungsarbeiten an. Auch
von einem möglichen neuen Erweiterungsbau ist die Rede. Planungssicherheit
sieht anders aus.
Dabei ist der Hamburger Bahnhof erst 1996 nach einem umfangreichen Umbau
durch den Architekten Josef Paul Kleihues – für damals 100 Millionen D-Mark
– als „Museum der Gegenwart“ eröffnet worden. Das Haus ist Teil der
Nationalgalerie, die ihrerseits zum Reich der für ehrgeizige Masterpläne
bekannten Preußenstiftung gehört.
Theoretisch war der Plan durchaus sinnvoll: Alte und Neue Nationalgalerie
zeigten die Entwicklung der Kunst hin zur Moderne anhand umfangreicher –
und durch die Wiedervereinigung nochmals reicher gewordener –
Sammlungsbestände. Das neue Haus sollte das institutionelle Profil zur
künstlerischen Gegenwart und Zukunft hin öffnen.
## Alle Energie floss in den Bau
Ein Museum mit „prozessualem Charakter“, von dem der damalige
Nationalgalerie-Direktor Dieter Honisch sprach bei der Eröffnung sprach,
ist es nie geworden. Alle Energie floss in den Bau, nicht in die
inhaltliche Konzeption, eine zukunftsweisende Programmatik. Nun wird das
Gegenwartsmuseum auf gespenstische Weise selbst von der Berliner Gegenwart
eingeholt.
Anstoß für das Projekt gab einst die private Kunstsammlung des Berliner
Bauunternehmers und Klinikbetreibers Erich Marx – heute würde man ihn wohl
„Gentrifizierer“ nennen. Seine zuvor dem Museum Abteiberg in
Mönchengladbach effektvoll entzogene Sammlung sollte nun im Hamburger
Bahnhof installiert werden. Basis dafür war ein Deal mit dem Land Berlin
über Marx’ mit Kunst beglichener Erbschaftssteuer.
Doch der behielt sich umfangreiche Verfügungsrechte im Museum vor, drückte
etwa seinen Berater, den Kunsthändler Heiner Bastian, als Kurator am Haus
durch, drohte mehrfach mit Abzug, nutzte das Museum auch als
Verkaufsplattform. Der Zuschnitt als Sammlermuseum für die gut abgehangenen
Marx-Säulenheiligen Beuys, Kiefer, Rauschenberg, Twombly und Warhol trug
dem Haus in der Szene kurz nach der Eröffnung den Spitznamen
„Marx-Mausoleum“ ein.
## Alle Deutungsmacht den Sammlern
Die Geschichte wiederholte sich unter anderen Vorzeichen mit Friedrich
Christian Flick, der einst mit seinem Umzug in die Schweiz viel Steuern
sparte und mit seiner prominenten Berliner Leihgabe die dunklen NS-Flecken
der Familiengeschichte aufzuhellen suchte. Auch Flick verkaufte aus dem
Museum – etwa Kippenbergers „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz
entdecken“ (1984) – und schädigte damit weiter die Institution, als deren
Mäzen er sich gern hofieren ließ.
Mit dem endgültigen Abzug der Sammlung wird der Konstruktionsfehler
abermals offenbar: Den Sammlern – gleichermaßen bewundert und gefürchtet
für ihren Eigensinn – wurde ohne Not die Deutungsmacht in die Hände
gespielt, auf der die Autorität des Museums als öffentliche Institution
gründet.
Warum, so muss man fragen, ist die Preußenstiftung bis heute nicht bereit,
das Scheitern der Idee eines Sammlermuseums einzugestehen? Welchen Sinn hat
es, am Sammeln möglichst prominenter Sammler festzuhalten?
## Kein nennenswerter Ankaufsetat
Es ist diese Konzeption, die für dieses Museumsdesaster mitverantwortlich
ist. Eine Konzeption, die – historisch betrachtet – zum überkommenen
neoliberalen Zeitgeist passt, der die Politik der letzten drei Dekaden
dominiert und öffentliche Institutionen nicht nur in der Kultur irreparabel
beschädigt hat.
Kein Wunder, wenn der Hamburger Bahnhof bis heute über keinen nennenswerten
eigenen Ankaufsetat verfügt, wenn die Finanzierung selbst des operativen
Geschäfts, den Museumsbetrieb hinten und vorne nicht reicht.
Im letzten Jahr rügte der Bundesrechnungshof den Sanierungsrückstau, der
die Häuser der Preußenstiftung betrifft. Die innere Blockade, die der
Wissenschaftsrat moniert, wird am Umgang mit Kunst am Beispiel des
Hamburger Bahnhof überdeutlich. Höchste Zeit, die
programmatisch-inhaltlichen Defizite zu beheben, die das Haus in seiner
jetzigen Form überflüssig machen.
12 Jul 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Stadtplanung/!5564021
[2] /Udo-Kittelman-ueber-Kunst/!5173277
[3] /Rueckschlag-fuer-Berliner-Museen/!5678415
## AUTOREN
Hans-Jürgen Hafner
Kito Nedo
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