# taz.de -- Klaus Lederer über Kulturpolitik: „Es geht nur im Miteinander“ | |
> Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz steckt in der Krise. Ein Gespräch | |
> mit Kultursenator Klaus Lederer zu Zustand und Zukunft der Berliner | |
> Museen. | |
Bild: „Berlin ist eine Kunstproduktionsstadt“ sagt Berlins Kultursenator Kl… | |
Berlins kulturelles Aushängeschild, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz | |
(SPK), steht sich selbst im Weg. Unter dem Dach der Stiftung sind unter | |
anderem die Staatsbibliothek, das Ibero-Amerikanische Institut und die | |
Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) vereint. Die Dauerdiskussion über die | |
Ethnologischen Sammlungen oder den aktuell in seiner Existenz bedrohten | |
Hamburger Bahnhof zeigt: Überverwaltet und unterfinanziert hinken gerade | |
die Museen hinter internationalen Standards her. | |
Das moniert auch ein Mitte Juli veröffentlichtes Gutachten des | |
Wissenschaftsrats und empfiehlt die [1][Neuaufstellung der Stiftung]. Diese | |
brauche mehr Mitsprache, aber auch Verantwortung für das Land Berlin, das | |
derzeit rund 27,5 Millionen Euro zum Betriebshaushalt der SPK mit jährlich | |
rund 190 Millionen Euro beiträgt. Im Vergleich: Die übrigen Bundesländer | |
bringen zusammen knapp 20 Millionen Euro auf, den Rest zahlt der Bund. Im | |
folgenden Interview spricht Kultursenator Klaus Lederer über die Reform. | |
taz: Herr, Lederer, bei der Vorstellung des Wissenschaftsrat-Gutachtens | |
fehlten Sie auf dem Podium. Warum? | |
Klaus Lederer: Weil die Auftraggeberin des Gutachtens | |
Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist und dieses Gutachten die SPK | |
betrifft, war es folgerichtig, dass Frau Grütters und Herr Parzinger | |
anwesend waren. | |
Die Organisations- und Entscheidungsstruktur der SPK ist laut Gutachten | |
dysfunktional. Eine überraschende Diagnose? | |
Zunächst einmal muss man sagen, dass wir vom Wissenschaftsrat ja auch | |
befragt wurden, und da bekam ich bereits ein Gefühl für die ungefähre | |
Richtung. Im Detail sind die beanstandeten Defizite deckungsgleich mit | |
unserer Sicht auf die SPK und die Staatlichen Museen: Die strukturelle | |
Unterfinanzierung der Einrichtungen der SPK ist ein ganz reales Problem. | |
Die Leitungsstruktur – insbesondere innerhalb der Staatlichen Museen durch | |
die Vielzahl von Hierarchieebenen – bedingt lange und intransparente | |
Entscheidungswege. Daher hat mich der Analyseteil des | |
Wissenschaftsrats-Gutachtens nicht überrascht, ich fand es aber mutig, dass | |
dieses Gremium Tacheles gesprochen hat. | |
Der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Mitsprache der Länder im | |
SPK-Stiftungsrat der SPK stark zu beschneiden – mit Berlin in einer | |
Sonderrolle. Wie sehen Sie das? | |
Die Frage, wer im Stiftungsrat ist, steht nicht am Anfang und nicht im | |
Zentrum. Im Zentrum stehen für uns die Benutzer und Benutzerinnen der | |
Einrichtungen. Wie kann es gelingen, die in der Stiftung schlummernden | |
Potenziale zu heben? Welche Finanzierung, welche Struktur braucht es, um | |
die Defizite zu beheben? Welche vielleicht auch noch zu diskutierenden | |
inhaltlichen Fragen müssen in so einen Prozess einfließen? | |
Das sind die Fragen, die geklärt werden müssen. Dem folgen dann die Fragen | |
nach Trägerschaft, Stiftungsrat etc. Aber sicher scheint mir: Berlin ist | |
besonders betroffen und ist sich seiner besonderen Verantwortung auch | |
bewusst. | |
Wie geht es weiter? | |
Die [2][Länder und der Bund] sind nun gefragt, die richtigen | |
Schlussfolgerungen aus dem Gutachten zu ziehen. Das heißt, wir werden die | |
Vorschläge um Varianten ergänzen, vielleicht auch neue entwickeln. | |
Mir ist wichtig, dass dies unter Beteiligung der Ländervertreter, der | |
Stiftung und der Vertreter*innen aus den Einrichtungen der Stiftung und | |
auch des Personalrats geschieht. Und es braucht den Blick auf die | |
Erfahrungen vergleichbar mehrdimensionaler Institutionen. Das muss am Ende | |
nicht zwangsläufig auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats hinauslaufen. | |
Eine Zerteilung der Einrichtungen der SPK könnte mögliche Synergien | |
verhindern oder sogar neue Kosten bei Verwaltungs- und | |
Querschnittsbereichen schaffen. Hinter einige Empfehlungen des | |
Wissenschaftsrates kann man durchaus ein Fragezeichen setzen. | |
Warum hat die SPK als Gemeinschaftsprojekt der Länder in der Hauptstadt so | |
schlecht funktioniert? | |
Ich finde diese Analyse zu absolut. Aber es stimmt: Seit der Deckelung der | |
Beiträge der Länder im Jahr 1996 finanzieren nur noch zwei Hauptfinanziers | |
den Betriebshaushalt: Berlin und der Bund. Das hat sich eindeutig als | |
Entwicklungshemmnis erwiesen. Investitionen, die der Bund allein vornimmt, | |
müssen am Ende mit Betriebskostensteigerungen korrespondieren, wenn diese | |
Einrichtungen funktionieren sollen. | |
Die bauliche Unterhaltung ist zum Beispiel Bestandteil des | |
Betriebshaushalts, während die Neuanschaffung wie die James-Simon-Galerie, | |
das Besucherzentrum der Berliner Museumsinsel, im Investitionshaushalt | |
stehen. Da entsteht automatisch eine Unwucht. | |
Kann sich Berlin seinen Beitrag zu einer auskömmlichen Finanzierung der SPK | |
leisten? | |
Das Land Berlin hatte ganz reale Leistungsfähigkeitsgrenzen und wird sie | |
auch zukünftig haben. Im Falle der diagnostizierten strukturellen | |
Unterfinanzierung der SPK kämen mit Sicherheit hohe zweistellige | |
Millionenbeträge auf die Träger der Gesamtstruktur zu. Das wird Berlin | |
allein nicht stemmen können. | |
Es wäre aber nötig, zumindest eine Grundfinanzierung zu diskutieren, um die | |
Potenziale der Stiftung zu heben. Und ich finde, diese Diskussion muss mit | |
allen Ländern geführt werden, wenn die SPK ein Kind aller Länder bleiben | |
soll. | |
Laut Gutachten lahmen die Staatlichen Museen im internationalen Vergleich. | |
Was müsste passieren? | |
Wie das Selbstverständnis von Museen heute aussieht, wird nicht nur im | |
Internationalen Museumsbund intensiv debattiert. Unsere Berliner | |
Einrichtungen wie die Berlinische Galerie oder das Brücke Museum gehen mit | |
diesen Herausforderungen konzeptionell bereits sehr offensiv um: Wie sind | |
die Museen für die breiten Schichten der Bevölkerung zu öffnen? Wie können | |
Barrieren für Teilhabe abgesenkt werden? Wie können Museen stärker Orte der | |
Verständigung werden statt als Weihetempel der Besichtigung der | |
Vergangenheit? | |
Diese Diskussionen müssen auch in den Einrichtungen der Staatlichen Museen | |
zu Berlin in stärkerem Maße möglich sein. Für die Kunst-Museen der SPK muss | |
meines Erachtens der Anspruch hinzukommen, international herausragende | |
Ausstellungen zu zeigen, die ein großes und breites Publikum begeistern. | |
Wo setzen Sie ihre politischen Prioritäten im Kunstbereich? | |
Berlin ist eine Kunstproduktionsstadt, aber ebenso eine Stadt mit weltweit | |
herausragenden Sammlungen. Die aktuelle Kunstproduktion und der Umgang mit | |
dem eigenen Erbe in öffentlicher Regie müssen den Kern von Kunstpolitik | |
bilden. | |
Für den Künstlerstandort gilt, dass dieser gefährdet ist und besonderer | |
Förderung bedarf: durch Arbeitsräume, Stipendienprogramme und | |
Nachwuchsförderung. Das muss dann aber Anschluss finden – nicht nur bei | |
Sammler*innen auf der Art Basel, sondern bei den hier existierenden | |
Museumsinfrastrukturen. | |
Das Berliner Gallery Weekend ist eine Erfolgsgeschichte. | |
Das sehe ich auch so. Und trotz all der Abgesänge, die aktuell auf die | |
Stadt als Kunstmetropole gehalten werden: Natürlich haben sich hier auch | |
wichtige Galerien entwickelt, die exzellente, auch hier in Berlin | |
[3][produzierte Kunst vermitteln.] Im Netzwerk der Akteure wird ganz viel | |
über Eigeninitiative gemacht. Da könnten auch die Staatlichen Museen eine | |
viel, viel stärkere Rolle spielen. | |
Deshalb noch mal: Es geht nur im Miteinander. Wenn Kulturpolitik dann noch | |
ein bisschen auf die Stadtentwicklungspolitik einwirken kann, etwa durch | |
die Sicherung von Räumen, von Atelier- und Ausstellungsmöglichkeiten für | |
Kunst – und das spartenübergreifend –, dann, glaube ich, ist das der | |
richtige Ansatz. | |
4 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Kito Nedo | |
Hans-Jürgen Hafner | |
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