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# taz.de -- Ökonom über Zentralbanken in Coronakrise: „Liquidität aus dem …
> Wie können Staaten die Coronakrise finanziell schultern? Mit einer neuen
> Geld- und Finanzpolitik, sagt der Ökonom Paul Steinhardt.
Bild: Hort der Geldstabilität: die EZB in Frankfurt am Main
taz: Herr Steinhardt, um die [1][Coronakrise] zu mildern, nehmen Bund und
Länder hohe Schulden auf. Wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz müssen
diese Kredite in den kommenden Jahren aber auch wieder zurückgezahlt
werden. Was halten Sie davon?
Paul Steinhardt: Wenn der Bund seine [2][Corona-Schulden] tatsächlich wie
geplant ab 2023 tilgt, wäre das problematisch. Denn er kann das unter
Beibehaltung der Schuldenbremse nur tun, indem er dann eigentlich nötige
Ausgaben kürzt. Das würde die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen
verringern und die wirtschaftliche Erholung verlangsamen.
Also stünden wegen der Rückzahlung in den kommenden Jahren deutlich weniger
öffentliche Mittel zur Verfügung als in den zurückliegenden guten Jahren?
Das mag ein Ergebnis sein. Der Staat könnte Ausgaben beispielsweise dadurch
einsparen, dass er Sozialleistungen reduziert oder öffentliche
Investitionen verschiebt. Beides wäre schädlich.
Sie vertreten die sogenannte „Moderne Geldtheorie“, der zufolge auch in
Krisenzeiten keine öffentliche Geldknappheit herrschen muss. Wo haben Sie
das Füllhorn entdeckt?
Grundsätzlich können die Zentralbanken die Staaten unbegrenzt mit Geld
versorgen. Sie schöpfen Liquidität aus dem Nichts und überweisen sie auf
staatliche Konten. Darüber, dass eine Zentralbank das kann, sind sich die
meisten Ökonomen einig.
Das machen die Notenbanken, indem sie Staatsanleihen kaufen, welche die
Regierungen ausgeben.
Richtig. Nicht nur im Krisenfall, sondern auch im Normalbetrieb muss
letztlich immer die Zentralbank ihre Währung in ausreichender Menge dafür
bereit stellen, dass Staatsanleihen emittiert werden können. Und
gegenwärtig kaufen Zentralbanken einen Teil dieser Wertpapiere im Rahmen
der sogenannten unkonventionellen Geldpolitik wieder auf. Man könnte den
Umweg aber auch weglassen – dann übernähme die Notenbank die Staatsanleihen
direkt.
Nun hat die Europäische Zentralbank nicht den primären Zweck, Regierungen
zu finanzieren, sondern die Währung Euro herauszugeben und deren Wert
stabil zu halten. Wenn Inflation droht, erhöht sie die Zinsen, was auch die
Staatsverschuldung teurer macht. Das setzt dieser doch deutliche Grenzen?
Das ist kein Naturgesetz. Es kommt auf die institutionelle Ausgestaltung
des Verhältnisses von Zentralbank und Regierung an. Solange die
Kapitalmarktteilnehmer davon ausgehen können, dass die Zentralbank dafür
sorgt, die Regierung nicht zahlungsunfähig werden zu lassen, hat der Staat
kein Problem, sich auch bei steigenden Zinsen am Kapitalmarkt problemlos zu
finanzieren.
Dann aber würde die Inflation angetrieben, und die Notenbank verfehlte ihr
wichtigstes Ziel, die Geldwertstabilität.
Nicht unbedingt. Denn woher kommt Inflation? Ein Grund können zu stark
steigende Kosten, insbesondere Löhne sein. Oder aber eine effektive
Nachfrage, die die Produktionskapazitäten einer Volkswirtschaft übersteigt.
Dazu können fraglos auch Staatsausgaben ihren Beitrag leisten. Das heißt
aber: Mit einer klugen Fiskalpolitik lässt sich verhindern, dass eine
Volkswirtschaft unter und über ihren produktiven Kapazitäten operiert. Die
Fiskalpolitik muss die Nachfrage so steuern, dass Deflation und Inflation
vermieden werden.
Warum verhält sich die EZB nicht, wie Sie es vorschlagen?
Weil ihr die direkte Finanzierung der Staaten verboten ist. Sie hilft aber
gegenwärtig der Fiskalpolitik durch den Ankauf von Staatsanleihen auf dem
Finanzmarkt.
Sehen Sie Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung Ihrer Theorie folgen
wird und die Schuldenbremse in den kommenden Jahren lockern lässt?
Das ist schwer zu sagen. Aber immerhin wurde die schwarze Null, das
Quasi-Verbot jeder Neuverschuldung, schon vorher von vielen aus
Wissenschaft und Wirtschaft infrage gestellt. Der Druck jedenfalls, sich
von diesem Ziel zu verabschieden, ist mit der Coronakrise wesentlich größer
geworden.
26 May 2020
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## AUTOREN
Hannes Koch
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