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# taz.de -- Debatte zur Schuldenbremse in Hessen: Gerangel um Coronahilfs-Geld
> Der Hessische Landtag kann sich nicht entschließen, die Schuldenbremse zu
> kippen. Nun plant die Regierung einen gewagten Schritt.
Bild: Der hessische Finanzminister Tarek Al-Wazir im Wiesbadener Landtag bei de…
Frankfurt/ Main taz | Im Hessischen Landtag kam es am Dienstag zu einem
Eklat. Von einem „Tabubruch“ und der „brutalstmögliche Aushebelung
demokratischer Rechte“ sprachen SPD und FDP. Was war passiert?
Der erbitterte Streit entzündete sich ausgerechnet an der Schuldenbremse,
die CDU, SPD, Grüne und FDP einst zusammen in der Verfassung verankert
hatten. Denn die grün-schwarze Regierung will [1][die Schuldenbremse jetzt
aussetzen], um die Auswirkungen der [2][Coronakrise] zu bekämpfen. Weil die
Opposition aber nicht zustimmen will und so die nötige Zweidrittelmehrheit
für das Aussetzen der Bremse nicht zustande kam, ging die grün-schwarze
Regierung einen drastischen Schritt.
Am Dienstag brachten die Regierungsfraktionen einen Gesetzentwurf ins
Parlament ein, um das Ausführungsgesetz der Schuldenbremse kurzerhand zu
kippen. Künftig soll die einfache Landtagsmehrheit zur Aushebelung der
Schuldenbremse ausreichen.
Hieran entzündete sich die Wut der Oppositionsfraktionen, die sich im
drastischen Vorwurf des „Tabubruchs“ Luft machte. Die schwarz-grüne
regierungsmehr wies die heftige Kritik als „Populismus“ zurück.
## Hilfe auf Pump
Was zurvor passiert war: Sechs lange Verhandlungsrunden hatten die
Regierungsparteien CDU und Grüne mit SPD und FDP um den Plan gerungen, ein
„Sondervermögen“ außerhalb des regulären Haushalts einzurichten. Dafür …
die Schuldenbremse ausgesetzt werden, was wiederum die Zweidrittelmehrheit
im Parlament nötig macht.
Über das „Sondervermögen“ will die schwarz-grüne Regierung ein 12
Milliarden Euro teures Hilfspaket finanzieren, dass die Auswirkungen der
Coronakrise abmildern soll. Auf Pump und mit langer Tilgungsfrist.
Von Anfang an hatten SPD und FDP aber Bedenken, dass dabei das Budgetrecht
des Parlaments ausgehebelt werden könnte. Vor allem die Grünen hätten mit
Blick auf die bevorstehenden Wahlen „Wunschlisten“ untergebracht, die
nichts mit der Pandemie zu tun hätten, argumentierte FDP-Fraktionschef Renè
Rock.
Das Regierungslager hatte zuletzt angeboten, das Volumen auf 9,5 Milliarden
Euro zu reduzieren, doch eine Einigung kam nicht zu Stande. Stattdessen nun
der Eklat um das Gesetzesvorhaben, mit dem die Zustimmung der Opposition
einfach nichtmehr nötig wäre.
## „Das Virus hält sich nicht an Haushaltsjahre“
Das Gesetz wollen die Regierungsparteien im Juli mit ihrer
Ein-Stimmen-Mehrheit beschließen. „Das Cornavirus hält sich nicht an
Haushaltsjahre“, sagte für die Grünen Fraktionschef Mathias Wagner zur
Begründung. Seine CDU-Kollegin, Ines Claus, betonte, „eine große Krise
braucht große Lösungen.“
Das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit, um die Schuldenbremse zu umgehen,
war ursprünglich im Gesetz verankert worden, damit „eine missbräuchliche
Inanspruchnahme ausgeschlossen“ sei.
Genau das befürchtet nun aber die Opposition: „Uns ging und geht es darum,
all jenen zu helfen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind“,
erklärte SPD Partei- und Fraktionschefin Nancy Faeser. Die Landesregierung
nutze dagegen die Krise aus, um in einem „Schattenhaushalt viel Geld für
ihre politische Agenda beiseite zu legen,“ so die Sozialdemokratin. Von
einer „Aushebelung der Opposition“ sprach derweil AfD-Fraktionschef Robert
Lambroux. Und SPD und FDP drohen jetzt mit einer Klage vor dem
Staatsgerichtshof.
Die Linkspartei geht derweil in ihrer kritik noch einen Schritt weiter und
kritisiert gleich die Idee einer Schuldenbremse an sich.
Linken-Fraktionschefin Janine Wissler sagte der taz: „Es war falsch, ein
Kreditverbot für öffentliche Haushalte zu beschließen, das investititionen
verhindert und Konjunkturprogramme erschwert. Die Schuldenbremse muss
bundesweit abgeschafft werden.“
24 Jun 2020
## LINKS
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[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Schuldenbremse
Hilfspaket
Hessen
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